Der Standard warf jüngst in einem Interview mit dem Salzburger Zukunftsforscher Hans Holzinger die immer wiederkehrende Frage auf, ob stetiges Wirtschaftswachstum langfristig ökologisch verkraftbar ist. Die Frage nach der (Un)Endlichkeit des Wirtschaftswachstums diskutierte auch Albrecht Müller auf den nachdenkseiten (hier und hier). Er argumentierte in seinen Beiträgen, dass diese Debatte irreführend und übertrieben sei. Ein Blick auf die vorhandenen Daten lässt Zweifel an Müllers Schlussfolgerung aufkommen.
Rafael WildauerStein des Anstoßes der oben genannten Artikel von Albrecht Müller war der attac Kongress „Jenseits des Wachstums“ Ende Mai diesen Jahres in Berlin. Auf diesem Kongress sollte unter anderem die Frage diskutiert werden ob „angesichts der ökologischen und sozialen Grenzen die Wirtschaft weiter wachsen kann“. Müller kritisierte in seinem ersten Beitrag einerseits die unpräzisen Argumentationen und Formulierungen der Kongress OrganisatorInnen sowie deren Glauben an die Unmöglichkeit von unendlichem Wachstum in einer endlichen Welt. Ich will an dieser Stelle nicht alle Einzelheiten dieser Diskussion aufwärmen, sondern mich lediglich auf die zentrale Frage konzentrieren ob stetiges Wirtschaftswachstum nachhaltig möglich ist. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang die Nutzung der natürlichen Ressourcen für die gesellschaftlichen Bedürfnisse in einem Maße das es zukünftigen Generationen ebenfalls erlaubt ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
Raumschiff Erde
Die Volkswirtschaften dieser Erde verarbeiten und verbrauchen unglaubliche Mengen an Rohstoffen um die Güter und Dienstleistungen zu produzieren die wir konsumieren (nachhaltigkeit.at schreibt von weltweit jährlich 60 Milliarden Tonnen). Manche dieser Rohstoffe sind erneuerbar, andere nicht. Die Erschließung und Verwendung dieser Materialien geht direkt oder indirekt mit einer Verschmutzung beziehungsweise Zerstörung des Planeten einher, die in manchen Bereichen schneller voran schreitet, als sich das Ökosystem regenerieren oder anpassen kann (Überfischung der Meere, Abholzung des Regenwaldes, Bodenerosion, etc.). Es sollte demnach kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Ressourcenentnahme (zumindest in manchen Bereichen) verringern muss, sofern bestehende Ökosysteme erhalten werden sollen. Die Frage ist wie kann dies erreicht werden.
Es lebe die Wissenschaft
Die bequeme und optimistische Antwort auf diese Frage ist das Vertrauen auf den technologischen Fortschritt. Effizientere Verarbeitungsprozesse, sparsamere Verwendung oder der Einsatz von erneuerbaren Ressourcen soll dazu führen, dass weniger Rohstoffe für die Produktion der Güter und Dienstleistungen verwendet werden. Es geht dabei immer um die Verwendung von weniger Ressourcen, der Gedanke, dass Güter (aber auch Dienstleistungen) ohne jeglichen materiellen Input hergestellt werden können klingt nach Zukunftsmusik beziehungsweise Träumerei. Wenn es nun durch technische Neuerungen gelingt den Ressourcenverbrauch beispielsweise jährlich um 1% zu senken, die Wirtschaftsleistung jedoch jährlich um 2% wächst (vereinfachend nehmen wir an, es kommt auch zu keiner sektoralen Veränderung der Wirtschaft), dann steigt der Ressourcenverbrauch insgesamt dennoch an. Ob Innovationen wirklich zu einer Reduktion des Verbrauchs führen, hängt also maßgeblich davon ab, ob diese in einem ausreichendem Tempo entwickelt werden.
Die dürftige Datenlage
Eurostat (Statistisches Büro der Europäischen Union) veröffentlicht Daten zum Ressourcenverbrauch in Europa. Der breiteste Indikator ist der inländische Materialverbrauch (Domestic Material Consumption, DMC). Dieser ist definiert als der Verbrauch von Biomasse, Metallen und Erzen, Mineralien, fossilen Energieträgern, Abfällen und sonstigen Materialien. Importierte Rohstoffe sowie halbfertige und fertige Güter werden zu der heimischen Rohstoffproduktion addiert und Exporte subtrahiert (detaillierte Information zu DMC von Eurostat gibt es im Compilation (pdf) und Methodological Guide (pdf)). Die Datenreihe beginnt leider erst im Jahr 2000. In untenstehender Grafik wurden die absoluten Werte auf das Jahr 2000 normiert. Es wird so der relative Anstieg zum Basisjahr und nicht die absoluten Verhältnisse zwischen den Ländern abgebildet:
Obige Statistik zeigt, dass der Gesamtmaterialverbrauch zwischen 2000 und 2007 zwar in einigen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, zurückgegangen, im gesamten EU-Raum jedoch im selben Zeitraum absolut gestiegen ist. Da im DMC verschiedenste Materialien enthalten sind, kann auch eine bloße Änderung der Zusammensetzung ein Ansteigen oder Absinken bewirken. Doch auch wenn nur die verbrauchten Metallerze betrachtet werden (und angenommen wird, dass bei Erzen unterschiedliche Gewichte wenige relevant sind), zeigt sich keine absolute Verringerung auf gesamteuropäischer Ebene:
Ein noch unerfreulicheres Bild zeigt sich bei der Entwicklung des Kohlendioxid Ausstoßes. Das Carbon Dioxide Information Analysis Center veröffentlicht auf ihrer Homepage untenstehende Grafik. Der globale Ausstoß an Kohlendioxid ist demnach innerhalb der letzten 60 Jahre sogar relativ zur Bevölkerung gestiegen. Der absolute Anstieg der Emissionen ist folglich noch stärker ausgeprägt als in der Grafik abgebildet.
Nachhaltiges Wachstum?
Die Entwicklung des Rohstoffverbrauchs sowie der globale CO2 Ausstoß lassen an der Umsetzbarkeit eines nachhaltigen innovationsgetriebenen Wachstums zweifeln. In beiden Fällen ist es in den betrachteten Zeiträumen nicht gelungen die Verschmutzung bzw. Entnahme zu reduzieren. Sofern aber ernsthaft am Ziel einer Reduktion und somit am Erhalt des Ökosystems Erde festgehalten wird, erscheinen drastischere Maßnahmen als bisher notwendig und Wachstum nur möglich sofern durch technische Neuerungen die Absenkung des Ressourcenverbrauchs auf nachhaltige Niveaus gelingt. Ich leite daraus kein generelles Wachstumsverbot und die Forderung die Weltwirtschaft in eine Rezession zu schicken ab (und habe dies auch nicht aus den attac Texten herauslesen können). Niemand wird sich dagegen wehren, wenn Investitionen in erneuerbare Energien, in die Materialforschung oder öffentliche Transportmittel Wachstum und somit Arbeitsplätze schaffen. Der springende Punkt ist jedoch, dass diese Investitionen in einem viel zu geringem Ausmaß stattfinden um eine Trendumkehr im Ressourcenverbrauch zu bewirken und es bleibt die Frage bestehen ob dies überhaupt gelingt ohne die Bereitschaft der industrialisierten Welt auf manche angenehme Gewohnheiten zu verzichten. Angesichts des stetig steigenden Ressourcenverbrauchs steht fest, dass die gegenwärtigen Maßnahmen für eine Trendumkehr nicht ausreichen. Höhere Steuern auf Energie und Ressourcen werden genauso notwendig sein um den Verbrauch zu senken, wie eine stärke Vermögensbesteuerung um die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur und Grundlagenforschung tätigen zu können.
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