3 Thesen zur Verwaltungsreform

Die Verwaltungsreform wurde zu einem der am häufigsten gebrauchten und gleichzeitig am schlechtesten definierten Begriffe im öffentlichen Diskurs mit mystischer Dimension. Sie wird von vielen Seiten als Wundermittel zum Abbau der angehäuften Krisenschulden verkauft und soll langfristig bis zu 11 Mrd. Euro bringen (WIFO).

Georg Feigl*

Doch was bedeutet nun Verwaltungsreform? Im Kern geht es darum, Dinge anders und/oder woanders bzw. andere Dinge zu tun – und das in knapp 2.500 Körperschaften und deren Teilstrukturen sowie rund 4.000 ausgegliederten Einheiten. Angesichts dieser Dimension ist klar, dass einfache Antworten verfehlt und seriöse Schätzungen über Einsparungsvolumina bestenfalls für konkrete Einzelmaßnahmen möglich sind. Trotzdem ist beides nahezu täglich zu lesen. Hinter dem Label „Verwaltungsreform“ verbirgt sich jedoch oft nicht mehr als ein Angriff auf die staatliche Funktions- und Leistungsfähigkeit. Gerne wird von „Verwaltungsreform“ gesprochen, wenn eigentlich das Abwälzen der Kosten der Krise auf Staat und breite Bevölkerungsschichten gemeint ist. Nicht zuletzt spielen parteipolitische Motive, wie Zugang zu realer Entscheidungsmacht oder öffentlicher Applaus für die Geißelung vermeintlicher Privilegien aus Steuergeldern, eine Rolle.

Das heißt allerdings nicht, dass eine Verwaltungsreform nicht notwendig wäre – im Gegenteil. Ein besserer Staat ist der beste Schutz vor dem neoliberalen Dogma eines ausgehungerten Staates. Im Folgenden deshalb drei Thesen, was diesbezüglich geboten scheint um die Effektivität zu erhöhen:

Inhalt

1. Verwaltungsreform ist Organisationsentwicklung

„Verwaltungsreform“ ist im Wesentlichen die bewusste Veränderung von Strukturen und Abläufen in der Organisation des öffentlichen Sektors. Da es tausende mehr oder weniger selbständige Organisationseinheiten gibt, muss die Verwaltungsreform eigentlich aus tausenden einzelnen Reformprojekten bestehen, bei denen es hauptsächlich um Organisationsziele und -prozesse sowie Fragen der Steuerung gehen muss. Für die Bundesregierung bestehen zwei wesentliche Herausforderungen: Erstens, einen Wandel der Organisationskultur in den staatlichen Strukturen voran zu treiben, die Lust an Veränderungen zu fördern und Erfolge im eigenen Wirkungsbereich vorzuzeigen. Zweitens, eine Föderalismusreform als zentrales Projekt der Bundesregierung zur Beseitigung von Mehrgleisigkeiten in Angriff zu nehmen – in Kooperation mit Ländern, Städte- und Gemeindebund, etc.

Alle Einzelprojekte unter der Überschrift „Verwaltungsreform“ zusammenzufassen ist weitgehend kontraproduktiv, weil das die notwendige Auseinandersetzung mit sehr konkreten Strukturen und Aufgaben nicht gerade erleichtert. Die Reformnotwendigkeiten der Schulen haben wenig mit jenen im Bereich der Wirtschaftsförderung und nur zum Teil mit einer breiten Förderalismus-Strukturreform zu tun. Alles in einen Topf zu werfen erschwert die Diskussion und führt vor allem dazu, dass in der Öffentlichkeit das Bild eines ineffektiven und behäbigen Staats hängen bleibt.

Eine wichtige Reformbarriere ist oft der fehlende Konsens hinsichtlich der Organisationsziele, dh. von Entwicklungsrichtungen bis hin zur „Daseinsberechtigung“ einer staatlichen Einheit. Beispielsweise Bundesheer: So lange die Illusion einer umfassenden Landesverteidigung im Kriegsfall nicht begraben wird, kann es zu keiner umfassenden Reform kommen.

Ohne weitgehende politische Einigkeit oder objektive Interessenübereinstimmung hilft der bloße Appell zur Reform nicht weiter (siehe LehrerInnen-Debatte). Es ist daher klar, dass die Verwaltungsreform nur unter Einbeziehung von Beschäftigten und Stakeholdern bzw. bei weitgehendem Konsens über die jeweils konkreten Organisationsziele und Veränderungsrichtungen gelingen kann. Dies kann auch am ehesten helfen, Blockaden aufgrund reiner Partikularinteressen zu lösen.

2. Das Einsparungsvolumen darf nicht im Mittelpunkt stehen

Geht es in erster Linie um Einsparungen, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass nachhaltige Reformen letztlich auf der Strecke bleiben. So sah das, was bisher – insbesondere von der ÖVP – als Verwaltungsreform verkauft wurde, zumeist nur undifferenzierte Personaleinsparungen vor, die in manchen Bereichen bereits zu Leistungsverschlechterungen führten (zB Justiz, Schule).

Manche Reformen können am Beginn sogar Kosten verursachen, sind allerdings trotzdem sinnvoll (etwa e-government-Lösungen oder das neue Haushaltsrecht des Bundes). In der Regel bringen Sie jedoch nur langfristig Einsparungen, welche als allgemeine Effektivitätssteigerung schwer zu messen sind. Alle die bereits eine ArbeitnehmerInnenveranlagung oder ähnliches via FinanzOnline gemacht haben, werden den Wert dieser Maßnahmen ohne Zweifel zu schätzen wissen. Beispiele gibt es aber auch in anderen Bereichen, so etwa beim Heer: Eine Evaluierung des Leistungskataloges würde zwar Einsparungen bei Heeresnachrichtendiensten, -spitälern und anderem bringen, dafür aber Mehrkosten für die auszubauenden Hilfseinsätze zur Folge haben.

Milliardenschwere Einsparungen sind mit einer Verwaltungsreform nur dann möglich, wenn damit weitgehende Gehaltseinschnitte und ein Leistungsabbau gemeint werden – seriöserweise sollte man dann aber nicht mehr von Verwaltungsreform sprechen. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass bei einem Gesamtpersonalaufwand aller Bundesbediensteten von zuletzt etwas über 7 Mrd. Euro auch nur 1 Mrd. durch Personalabbau eingespart werden könnte, ohne dass es zu massiven Leistungseinschränkungen käme.

Dennoch können trotz dieser Einschränkungen Einsparungen erreicht werden. Das ist vor allem dort moeglich, wo mehrere Stellen auf unterschiedlichen gebietskörperschaftlichen Ebenen zumindest so ähnliche Tätigkeiten ausüben, dass sich Zusammenlegungen auszahlen. Wie etwa im Schulbereich, wo eine zentrale Kompetenzstelle für das Lehrpersonal ausreicht, sofern Personalentscheidungen direkt an der Schule getroffen werden. Weitere Beispiele sind das Beschaffungswesen, die Finanzierungstätigkeit oder Infrastruktureinrichtungen, wo eine stärkere Zentralisierung zu Effizienzgewinnen führen kann. Hier müsste es darum gehen, bestehende Strukturen noch stärker zu nutzen (Bundesbeschaffung, ÖBFA, BIG, etc.), Präsidialsektionen zusammenzulegen und Kooperationen (beispielsweise zwischen Gemeinden oder Spitälern) zu fördern. So könnenDoppelgleisigkeiten (insbesondere im Förderungswesen, z.B. Landwirtschaft, Familie, Kultur, Siedlungswasserwirtschaft) vermieden werden.

Ein wesentlicher Teilaspekt betrifft die föderale Struktur Österreichs, die eine zentrale Ursache für solche Mehrgleisigkeiten ist: In vielen Fällen wäre es sinnvoller, ganze Einheiten (Kleinstgemeinden, Bezirksstrukturen außerhalb Wiens, Kleinstspitäler, Wetter- und Nachrichtendienste) oder einzelne Aktivitäten (insbesondere Kompetenzen einzelner Länder, zB bei Spitälern, LehrerInnen, Jugendschutzgesetzen, etc.) zusammenzufassen – aber auch hier schlummern keine Milliarden.

3. Mitbestimmung als Teil einer umfassenden Verwaltungsreform

Gerade demokratisch legitimierte Leistungen sind besonders effektiv zu gestalten, denn der Staat ist – im Gegensatz zur Privatwirtschaft – der gesamten Bevölkerung verpflichtet und nicht nur jenen, die es sich auch leisten können. Anstatt dem Paradigma eines „New-Public-Managements“ zu folgen und zu versuchen, den öffentlichen Sektor privatwirtschaftlicher Organisation anzunähern, bei der letztendlich die persönlichen Ziele der EigentümerInnen und/oder ManagerInnen dominieren, ist im Gegenteil genau das Spezifikum der Gemeinwohlorientierung auszubauen. Die leider immer noch verbreiteten Unkultur in der Verwaltung, BürgerInnen wie lästige BittstellerInnen zu behandeln, ist nicht eine letztlich ebenso autoritäre KundInnenorientierung entgegenzusetzen, sondern die Perspektive einer Interaktion gleichberechtigter Mitglieder in einer demokratisch organisierten Gesellschaft.

Verwaltungsreformprojekte müssen deshalb darauf abzielen, mehr Mitbestimmung über die Organisation öffentlicher Leistungen zu ermöglichen. In einem ersten Schritt müssen die Leistungspalette sowie die einzelnen Leistungen noch stärker auf die Bedürfnisse der Bevölkerung bzw. der spezifischen Stakeholder ausgerichtet werden. Insbesondere bei fehlender objektiver Interessenübereinstimmung einzelner alteingesessener Akteure kann die breite direkte Beteiligung ein Ausweg sein, Pattsituation aufzulösen und Reformen doch noch zu ermöglichen. Beispielsweise ist die Schulreform entweder mit einem politischen Kuhhandel zu lösen, oder aber durch eine stärkere Miteinbeziehung der Schulpartner auf allen Ebenen. In letzter Konsequenz kann eine Ausweitung der Mitbestimmung auch Volksabstimmungen als Ausweg gänzlich festgefahrener Probleme der staatlichen Leistungserbringung umfassen.

Nach den Demokratisierungsschritten während der SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky gab es in diesem Bereich keine Fortschritte mehr. Heute gilt es, aktuelle Formen einer „Durchflutung aller Gesellschaftsbereiche mit Demokratie“ zu finden. Das bedeutet Entscheidungsprozesse, die die stärkere Beteiligung der hauptsächlich Involvierten ermöglichen. Im Schulbereich würde das eine Stärkung der Schulpartnerschaft, vor allem dezentral in Form des Schulgemeinschaftsausschusses und eine Direktwahl der überregionalen Vertretungen bedeuten. In den Kommunen könnte eine Folge sein, mehr Versuche im Rahmen partizipativer Budgets zu unternehmen, bei denen die EinwohnerInnen in die Ressourcenverteilung miteinbezogen werden. Auch Fahrgastbeiräte, die in öffentlichen Verkehrsbetrieben die NutzerInnen-Interessen direkt einbringen, sind ein Beispiel. Auf überregionaler Ebene müsste zunächst einmal der Informationsfluss verbessert werden, ehe eine stärkere demokratische Mitbestimmung verankert werden kann.

In einer dynamischen Gesellschaft stellen Verwaltungsreformprojekte eine immerwährende Herausforderung dar. – Das befreit zumindest von der Vorstellung, in einem Wurf und auf Anhieb ein perfektes Gesamtsystem schaffen zu müssen. Wichtig ist aber, noch stärker daran zu arbeiten.

*Georg Feigl ist Budgetexperte der Arbeiterkammer Wien

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2 Responses to 3 Thesen zur Verwaltungsreform

  1. Niki Kowall 25. Oktober 2010 at 16:47 #

    1. Die Beamten fallen für mich auch in die Verwaltungsreform. Ganz einfach weil Personalabbau, Gehaltskürzungen oder eine Re-Allokation der Personalressourcen im öffentlichen Sektor für mich keine Leistungskürzung, sondern eine Reorganisation der Verwaltung ist. Mag sein, dass die Bundesbeamten „nur“ sieben Milliarden kosten. Die Frage ist aber, was kosten Bundes- und Landesbeamte sowie alle Bundes- und Landesbeamten in Pension? Das Wifo hat vor Jahren aufgedeckt, dass Landesbeamte für ähnliche Tätigkeiten wie ihre Pendants im Bund um bis zu 10.000 Schilling pro Monat mehr verdienen. Ebenso krass sind manche Pensionsprivilegien aus Landesebene. Ich denke punkto Arbeitsrecht, Gehalt und Pensionsrecht sollte es für alle öffentlich Bediensteten zu einer maximale Angleichung an die ASVglerInnen kommen. Da schlummert auf lange Sicht schon viel Geld. Übrigens: Die Pensionsprivilegien der Wiener Beamtenschaft gegenüber den Bundesländern die die Pensionsreform bereits durchgezogen haben sind absolut inakzeptabel.

    2. Ich teile deine Einschätzung nicht, dass Kürzungen von beachtlichem Volumen mit Leistungskürzungen einhergehen müssen. Das gestehst du selbst für Doppelgleisigkeiten in der Schulverwaltung und der Regionalverwaltung (Land – un/mittelbare Bundesverwaltung – Bezirkshauptmannschaften) zu. Wie du denke ich dabei nicht an Milliarden, aber an einige hundert Mio. Es geht aber nicht nur um Doppelgleisigkeiten, sondern auch um überschüssiges Personal und Effizienzsteigerungen.

    3. Zu mehr Partizipation sage ich prinzipiell ja. Aber ich weiß nicht, ob das jetzt unser Fokus sein sollte. Ich finde bei der öffentlichen Verwaltung gibt es noch viel Spielraum Richtung Dienstleistungs- und Kundenorientierung und eine serviceorientierte, effektive und freundliche Verwaltung ist mir im Zweifelsfall lieber als eine, die es sich hinter dem Deckmäntelchen partizipativer Strukturen bequem macht (denken wir nur daran wie viel „demokratische“ Ausreden die GRAS vorbringen konnte, wieso eine Arbeit nicht gemacht, oder eine Entscheidung nicht getroffen werden kann). Ich sage nicht, dass mehr Partizipation unmöglich ist. Ich denke nur, dass das vielleicht erst der nächste Schritt ist.

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  1. Lohnerhöhungen statt Steuersenkungen | blog.sektionacht.at - 10. Oktober 2011

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