Letzten Mittwoch hat die SPÖ ihren lang erwarteten Kriterienkatalog zusammen mit konkreten Koalitionsbedingungen veröffentlicht. Darin nur eine Vorbereitung von Rot-Blau zu sehen, verkennt die Situation. Im Grunde geht es Kern darum, die Kritik an der FPÖ aus dem moralischen in ein politisches Register zu übertragen.
Fabian Steinschaden*
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ablehnung rechtspopulistischer Parteien zwei Seiten hat. Einerseits ist das die ehrliche und ernstgemeinte Ablehnung rechter Positionen. Aber das ist eben nur die eine Seite. Die andere besteht aus TINA – there is no alternative. Der gegenwärtig hegemoniale (liberale) Antifaschismus zielt immer auch darauf ab, neoliberale Politik zu stabilisieren. Und damit hat er eine ähnliche Funktion wie der Rechtspopulismus. So lange wir über Flüchtlinge reden, reden wir nicht über Soziales. So lange wir über Rechtspopulisten reden, reden wir nicht über Soziales. Man sieht das in den letzten Tagen in den USA – die liberalen Medien explodieren, sobald Trump irgendwas twittert. Der Dodd-Frank-Act wird aufgeweicht – keine Schlagzeile.
Man sieht es auch bei Macron. Oder konnte es bei Faymann sehen. Oder bei VdB. Oder… Man kann die FPÖ nicht besiegen, wenn man auf die Karte des (moralisierenden) Antifaschismus setzt. Der ist semantisch schlicht vom Liberalismus beherrscht und ist nicht politisch, sondern moralisch. Und: Im Register der Moral kann man das diskursive Feld des Politischen nicht transformieren. Man kann Grenzen ziehen und stabilisieren. Aber die andere Seite erreicht man nicht mehr.
Natürlich kann man jetzt darauf setzen, einen sozialpolitisch fundierten Antifaschismus durchzukämpfen. Nur – woher soll dafür die Kraft kommen? Ich müsste aus einem semantisch liberal besetzten Feld heraus die Rechte kritisieren, indem ich gleichzeitig liberale Konzepte transformieren UND die Rechte angreife. Das mag ja im Kleinen möglich sein – aber es wird nicht gelingen, breite Teile der Bevölkerung zu erreichen. Und es wird 2017 genauso wenig gelingen, das mit einer „Bewegung von unten“ zu erreichen.
Da ist es doch wesentlich realistischer – dafür politisch aber auch unsauber – den gordischen Knoten zu durchschlagen. Kern biedert sich ja nicht der FPÖ an, sondern konfrontiert sie sozialpolitisch. Wer die ZIB2 mit Kern gesehen hat: Ja, man wird die FPÖ nicht mehr so heftig (sprich: moralisierend) attackieren. Aber man wird von ihr verlangen, inhaltlich Position zu beziehen. Und das ist für die FPÖ weit, weit problematischer. Die SPÖ ist heute nicht weniger oder mehr antifaschistisch als vor zwei Jahren. Aber sie versucht, das Koordinatensystem zu verändern, in das sie ihre konkreten Positionen einordnet: von Moral in Politik. Und das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
*Fabian Steinschaden lebt und arbeitet in Wien.
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