Kofi Annan: Generalsekretär der Vereinten Nationen, 1997-2006
von Lena Wanner*
Ich möchte jemanden vorstellen, den man vielleicht nicht im ersten Moment in dieser Reihe suchen würde: Kofi Annan.
Als Reformer und Friedenspolitiker setzt sich Annan seit Anbeginn seiner beruflichen Tätigkeit für die Stärkung des Multilateralismus ein. In dieser Funktion wurde ihm 2001 – gemeinsam mit den Vereinten Nationen – der Friedensnobelpreis verliehen.
Annan ist 1938 als Kind ghanaischer Eltern geboren, wurde in Ghana und den USA ausgebildet, und trat bald den Vereinten Nationen bei. Er gilt in den Sphären der UNO neben dem Schweden Dag Hammarskjöld als einflussreichster Generalsekretär der Weltorganisation. Unter ihm haben die Vereinten Nationen neues Selbstbewusstsein erlangt, haben sich ungekannte Einflusssphären erschlossen und vielfältige Koalitionen ins Leben gerufen, die die Organisation bis heute prägen. All das war begleitet von einer Reihe an internen Reformen, die durch zunehmende finanzielle Engpässe nicht erleichtert wurden.
Ich halte die Diplomatie der Vereinten Nationen in ihrer Grundidee für eine tief wertbasierte Kraft. Kern dessen ist die Charta der Vereinten Nationen. Sie wurde nach dem zweiten Weltkrieg von Menschen entwickelt, die wissen, wozu ungezügelte Machtlust führen kann. Durch die Charta sollte sichergestellt sein, dass die Welt nie wieder einen Weltkrieg erleben muss. Jene Sternstunde der Menschheit, als die fünf großen Mächte jener Zeit – China, Frankreich, Großbritannien, die Sowjetunion und die USA – bereit waren, sich völkerrechtlichen Regeln zu fügen, ist es, die bis heute das globale Miteinander verkörpert.
Für Annans Politik ist zentral, dass er die Ebene des Dialogs nie aufgegeben hat. Er suchte auch dann noch das Gespräch, wenn sich sonst niemand mehr Erfolge daraus erhoffte. Dabei hat er immer versucht, beide Seiten zu beleuchten – unabhängig davon, wie mächtig oder ohnmächtig die involvierten Akteure waren.
2003, als klar wurde, dass von Seiten der Vereinigten Staaten unter George W. Bush alle Weichen in Richtung eines Krieges gegen den Irak gestellt wurden, war einer dieser Momente. Großbritannien war auf der Seite der „Koalition der Willigen“, während andere europäische Staaten gemeinsam mit der Führungsriege der Vereinten Nationen gegen die Intervention auftraten. Am Ende waren es von Gier gestützte Fehleinschätzungen, die zu einem völkerrechtswidrigen, militärischen Eingreifen im Irak führten. Sie haben bis heute massive Auswirkungen auf die Region und mittlerweile auch auf Europa. Der Stein der Instabilität im Leben vieler Menschen, die heute auf ihrer Flucht zu uns kommen, wurde damals gelegt.
Es ist voraussehbar, dass die Zerstörung ganzer Länder zu Fluchtbewegungen führt. Einzelne KämpferInnen auf internationalem Parkett versuchen nach wie vor, das schlimmste zu verhindern – und sind so erfolgreich, wie sie im Zirkuszelt der Weltmächte eben sein können. Annan konnte den Syrien Konflikt 2012 nicht mit diplomatischen Mitteln lösen. Auch, weil ihm die Unterstützung des Sicherheitsrats versagt blieb. Ein weiterer Pfosten in jenem Zaun, der den Sicherheitsrat heute davon trennt, ein Frieden erhaltendes Instrument von globaler Reichweite zu sein.
Was mir an Annan besonders gefällt, ist seine ganzheitliche Perspektive auf die Welt, sein weitsichtiger, authentischer Einsatz für den Dialog, um die Gräben zwischen unterschiedlichen Weltanschauungen zu überkommen. Er war am Höhepunkt seines Einflusses, als die internationale Kooperation auf einem ihrer damaligen Tiefpunkte war. In dieser Umwelt weiter aufrecht an den eigenen Visionen festzuhalten, gehört zur zentralen Stärke herausragender Persönlichkeiten. So war er es auch, der als erster Diplomat seines Ranges den Irak-Krieg offiziell für völkerrechtswidrig erklärte und sich damit gegen die befreundete Weltmacht positionierte.
Die Grundlage der Vereinten Nationen ist das Gespräch, die Verhandlung zwischen Menschen und damit ein intrinsisch verbindendes Moment. Für mich ist linke Politik auf globaler Ebene wie auch auf nationaler Ebene Ausdruck eines solidarischen Verbindens. Kofi Annan hat diesen Grundsatz zu seiner Lebensaufgabe gemacht.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf aufmerksam machen, dass der österreichische Nationalrat mit der letzten Geschäftsordnungs-Novelle unter anderem die Möglichkeit geschaffen hat, herausragende Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik zur Abgabe einer Erklärung in eine seiner Sitzungen einzuladen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon wird die Reihe an Persönlichkeiten am 28. April 2016 als Redner im Nationalrat prominent eröffnen.
* Lena Wanner ist Mitglied der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund
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