Die Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachesn-Anhalt haben auch in Deutschland mit der AfD eine rechtspopulistische Parteie in die Landtage gespült. In zwei der drei Länder landete die SPD sogar hinter der AfD und blieb nur noch knapp zweistellig. Ein Beitrag eines deutschen Sozialdemokraten zum Wahlergebnis.
Gastbeitrag von Pavel Richter*
Das ist kein Vermittlungsproblem
Das ist kein Personalproblem
Das ist keine Schlappe
Das ist Scheiße!
Ich bin als Sozialdemokrat nicht bereit, in eine weitere Analyse der Ursachen einzusteigen
Ich bin als Sozialdemokrat nicht bereit, Schuld zuzuweisen
Ich bin als Sozialdemokrat nicht bereit, die Umstände verantwortlich zu machen
Ich bin als Sozialdemokrat nicht bereit, das weiter mitzutragen!
Ich bin es leid, dass wir pragmatisch sind, während die anderen ihre Grundsätze hochhalten
Ich bin es leid, dass unsere Politik umgesetzt wird, aber wir nicht vorkommen
Ich bin es leid, dass wir Lösungen anbieten, aber nur als Juniorpartner gesehen werden
- Für eine Bildungspolitik, die wieder vom denkenden Menschen ausgeht, nicht von einer Orientierung an einem vermeintlichen Weltmarkt.
- Für eine Sozialpolitik, die Solidarität nicht als Anspruchshaltung gegen den Staat versteht, sondern als einen Grundsatz des menschlichen Miteinanders.
- Für eine Außenpolitik, für die Krieg wieder ultima ratio ist, nicht ein weiteres Mittel zur Durchsetzung von Interessen.
- Für eine Verkehrspolitik, die das Ende fossiler Brennstoffe vorbereitet.
- Für eine Steuerpolitik, in der sich Spitzenverdiener nicht ab 52.152 Euro definiert, sondern die die Mittelschicht entlastet und Vermögen gerecht besteuert.
- Für eine Erbschaftssteuer, die tatsächlich gesellschaftliche Umverteilung ermöglicht, statt Reichtum an die nächste Generation weiterzugeben.
- Für eine Netzpolitik, die von Leuten gemacht wird, die sich damit auskennen.
- Für eine Agrarpolitik, die Nachhaltigkeit und Landschaftspflege fördert, nicht die Einkommen von Großbauern subventioniert.
- Für einen Föderalismus, der den Menschen dient, nicht den Bürokratien und Eitelkeiten von Landesfürsten.
- Für eine Rentenpolitik, die die Interessen der jetzigen und zukünftigen Beitragszahler berücksichtigt, statt sich in einer Mischung aus Klientel- und Symbolpolitik („Rente mit 63“) zu verrennen.
- Für eine Flüchtlingspolitik, die den Menschen in diesem Land erklärt, was passiert, und die Solidarität als einen Grundwert vermittelt.
Das ist es, warum ich Sozialdemokrat bin. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Dafür kann man Menschen begeistern. Dafür sind Mehrheiten möglich.
Aber das setzt voraus, das die mittelfristige Durchsetzung dieser Ziele wieder wichtiger wird als das Festhalten an einem überkommenen Koalitionsdenken, in dem die SPD faktisch nur noch den Junior geben kann.
Die SPD muß auf Bundesebene die Mehrheit wollen, den Kanzler stellen, und sie braucht Menschen, die dafür kämpfen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, die nächste Bundestagswahl wird nicht die Wende bringen. Aber statt in einer Großen Koalition zu verharren, die den Interessen der Industrie, der Lobbyisten, der Konservativen viel mehr hilft als den Menschen im Land, muss die SPD sich auf ihre Werte konzentrieren und sich aus der Opposition aufbauen.
Ja, Opposition ist Mist, aber an der Macht untergehen ist Scheiße.
Wir müssen aber auch über Personen sprechen. Sigmar Gabriel kann nicht weiter Vorsitzender der SPD sein, das ist klar. Wir müssen aber auch über die Art sprechen, wie wir Funktionäre bestimmen. Wir müssen über das Erbe nach Schröder sprechen und warum es fast keine echten Köpfe mehr in die Spitzengremien unserer Partei schaffen. Wir müssen sprechen über einen Stil, der offensichtlich nicht mehr bei “den Leuten” ankommt. Nicht, um Sigmar oder Andrea die Schuld zu geben, für das, was passiert ist. Aber wenn man Verantwortung trägt, dann trägt man eben auch Verantwortung. Und nach dem, was heute passiert ist, kann die Parteispitze nicht mehr weitermachen.
Wie wir das machen? Ganz einfach: Wir suchen nicht nach den Fehlern, nicht nach dem, was schief gelaufen ist, sondern wir suchen nach den hellen Flecken, nach den Ortsverbänden, die in BaWü ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt haben und schauen, was wir davon nutzen können. Wir gucken uns an, warum Malu Dryer erfolgreich war, und versuchen, dies nachzubilden. Wir suchen nach den aktiven und intelligenten Menschen in der zweiten, der dritten Reihe, die gezeigt haben, das sie vor Ort etwas wuppen können.
Wir müssen aber auch lernen, unsere Politik wieder emotional verständlich zu machen, nicht nur rational. In diesem Land herrscht gerade Angst – diese Angst spiegelt sich in den Ergebnissen der “AfD” wieder – wir, die SPD, sind die Partei, die diese Ängste verstehen und aufnehmen kann, aber eben nicht populistisch, sondern solidarisch. Nicht hetzend, sondern erklärend. Nicht angstbetont, sondern weltoffen.
Es ist wieder Zeit für 100% SPD!
* Pavel Richter ist Sozialdemokrat und Geschäftsführer eine gemeinnützigen Organisation. Der Beitrag erschien zuerst auf seinem privaten Blog unter dem Titel „100% SPD“ und steht und unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.
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