Der Mythos, dass Griechenland nicht spart, hält sich hartnäckig in den Medien. Tatsächlich ist das Gegenteil wahr, wie sich einfach belegen lässt.
von Vera Riedl*
„Die Internationen Finanzwächter sind der Tsipras-Regierung zu unnachgiebig. Der IWF ist eine Art Insolvenzverwalter für seine 188 Mitgliedsländer. Er darf nur Kredite geben, wenn ein Land sich bemüht, seine Schulden wieder selbst zu finanzieren (Schuldentragfähigkeit). Aber genau das macht Athen nicht. Statt Haushaltsüberschuss gibt es Defizite, die Wirtschaft schrumpft. IWF-Chefin Christine Lagarde (59) warnt: „Wir haben Regeln, wir haben Prinzipien.“
BILD-Zeitung, 4.6.2015
„Die Euro-Krise spitzt sich dramatisch zu. Griechenland ist nicht in der Lage zu sparen.“
Die Welt, 5.9.2011
Der Mythos, dass Griechenland nicht spart, hält sich hartnäckig in den Medien. Tatsächlich ist das Gegenteil wahr, wie sich einfach belegen lässt:
In dieser Tabelle ist ersichtlich, dass Griechenland ab 2010 seine Staatsausgaben (mit einem kleinen Ausreißer im Jahr 2013) drastisch gekürzt hat – diese sind zwischen 2009 und 2014 um 30% zurückgegangen. Von mangelndem Sparen kann diesbezüglich also ganz bestimmt nicht gesprochen werden!
Warum ist der Schuldenstand gemessen am Bruttoinlandsprodukt dann trotzdem in den letzten Jahren auf 177% per Ende 2014 gestiegen? Die Antwort ergibt sich aus der Formel für die Berechnung des Schuldenstandes:
Aufgrund der dramatischen Wirtschaftskrise, die Griechenland seit 2009 erlebt, sind die staatlichen Einnahmen stark eingebrochen, da ein großer Teil der staatlichen Einnahmen von konjunkturabhängigen Steuern (zum Beispiel Mehrwertsteuer, Lohnsteuer, Unternehmenssteuer) bestritten wird. Die Wirtschaftskrise wirkt aber nicht nur auf die Einnahmen, sondern auch auf den Nenner in der Formel, das Bruttoinlandsprodukt. Dieses ist in Folge der Krise zwischen 2009 und 2014 um 26% zurückgegangen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass zwar die Staatsausgaben massiv gekürzt wurden – Griechenland also sehr wohl spart – jedoch die Schuldenquote aufgrund der dramatischen Wirtschaftskrise weiter angestiegen ist. Die Schuldenquote wird sich erst wieder erholen, wenn ein Wirtschaftsaufschwung eintritt, was die oberste Priorität der wirtschaftspolitischen Maßnahmen sein sollte.
* Vera Riedl ist Ökonomin und arbeitet in Wien.
No comments yet.