In der SPÖ kämpft man nicht um ein Mandat. Man wird nominiert. AUS! In den allermeisten anderen westeuropäischen Parteien ist es Usus, dass sich mehrere Personen für eine Funktion bewerben. Sie versuchen die Mitglieder mit Argumenten und Einsatzbereitschaft davon zu überzeugen für sie zu stimmen. In der SPÖ ist die Angst vor Mitbestimmung der Mitglieder präsent, man glaubt, dass dadurch alles komplizierter wird. Dazu kommt die arrogante Annahme, dass die Gremien eh alles besser wissen und ohnehin genau die richtigen Personen nominieren. Bei unseren eigenen Nominierungen für die Bezirksvertretungs-Liste haben wir es dieses Mal anders gemacht. Ein Bericht über die ersten Vorwahlen in der Sektion Acht von Mehrdokht Tesar und Hiroshima Mandee*.
Inhalt
Demokratie beginnt innerhalb der eigenen Struktur
Die Wiener Parteien tüfteln gerade fleißig an der Erstellung von Listen für die Gemeinderatswahl 2015. Der Tradition zufolge, oder einfach weil man es immer so gemacht hat, sind es in der SPÖ im Normalfall einige wenige, die hinter verschlossenen Türen über die Zusammenstellung der Listen entscheiden. Transparenz spielt keine Rolle, Ziel ist vielmehr eine ausgewogene, starke Liste. Genauso haben es auch wir als Sektion Acht bei der letzten Listenerstellung im Jahr 2010 gemacht. Schließlich haben wir es so gelernt.
Interessiert und etwas neidisch schielten wir zu jenen Schwesterparteien, die das Instrument der Vorwahl bereits anwenden. Also beschlossen wir in der Sektion 8 es auch zu probieren. Am 22. Jänner 2015 hielten wir eine außerordentliche Sektionskonferenz ab mit dem Ziel eine KandidatInnenliste für die Bezirksvertretung mittels Vorwahl zu erstellen. Denn als Sektion Acht können wir der SPÖ Alsergrund 11 Personen in einer von uns gewählten Reihenfolge nennen, die für die Bezirksvertretung kandidieren möchten. Wer dann tatsächlich für die SPÖ Alsergrund auf welchem Listenplatz für die Bezirksvertretung kandidiert wird andernorts – und ohne Vorwahl – entschieden, doch zumindest für unsere Reihung wollten wir ein kompetitives Wahlsystem anwenden.
Das Experiment – Die Sektion Acht Vorwahlen
Extra für diese Wahlen hat unser Aktivist und Wahlexperte Oliver Zwickelsdorfer ein Wahl-System entworfen, das größtmögliche Nachvollziehbarkeit und demokratische Mitbestimmung garantiert. Insgesamt haben sich 22 Personen für die 11 zur Verfügung stehenden Plätze beworben, davon 11 Frauen und 11 Männer. Bei ihrer Bewerbung haben die KandidatInnen angegeben, ab welchem Platz sie kandidieren möchten. Die Reihung der KandidatInnen wurde in den Sektion Acht Vorwahlen wie folgt ermittelt:
Für die Listenplätze 1-3 haben wir das Instant Runoff Wahlverfahren angewandt. Hier können Personen gegeneinander kandidieren. Für Listenplatz 1 und 2 hat jeweils eine Person kandidiert: Oliver Zwickelsdorfer und Miriam Leitner trafen auf 100% Zustimmung der Delegierten. Bei Listenplatz drei wurde es kompetitiv: Eva Maltschnig, Lea Six und Martin Risak traten gegeneinander an. Keine Person konnte die absolute Mehrheit der Erststimmen auf sich vereinen, Martin schied mit den wenigsten Erststimmen aus. Die „Zweite Wahl“ seiner Stimmzettel wurde zum Ergebnis von Eva und Lea dazugezählt, so setzte sich Eva knapp mit 56% durch. Lea und Martin nahmen am zweiten Wahlverfahren teil.
Im zweiten Wahlgang wurde die Reihung der Plätze 4 – 11 ermittelt, dafür haben wir ein anderes Wahlverfahren angewendet. Es heißt Borda Count, wir haben es für unsere Zwecke adaptiert. Dieses Verfahren funktioniert so ähnlich wie das Voting beim Songcontest: Aus einem Pool an KandidatInnen wird von den Wahlberechtigten „durchnummeriert“, die Zahlen 1-4 werden an jene Personen vergeben, die man für am besten geeignet hält (1 an die beste, 2 an die zweitbeste u.s.w.). Damit das Reißverschluss-System gewährt bleibt, gibt es einen „Frauenblock“ und einen „Männerblock“. Die vier Frauen und vier Männer, die ausgewählt werden, füllen dann abwechselnd die Liste auf. So kamen wir insgesamt auf 11 KandidatInnen, hier seht ihr die ganze Reihung.
Mitbestimmung bindet und weckt das Verantwortungsgefühl
Wir haben zum ersten Mal in unserer eigenen Struktur eine kompetitive Wahl durchgeführt, und es war ein super Erlebnis. Das Gefühl, die Reihung in der Liste selbst mitgestalten zu können war für die gesamte Sektion außerordentlich aufregend. Wenn man gewohnt ist eine fertige Liste in die Hand zu bekommen und dann mit ihr in den Wahlkampf zieht, gleicht es einem kleinen Wunder mitzuerleben wie eine interne Vorwahl abläuft. Plötzlich ist man selbst dafür verantwortlich, die richtigen Personen auszuwählen. Es wird einem nicht nur ein Stimmzettel in die Hand gedrückt, sondern man bekommt auch Raum. Raum zum Reflektieren über die Qualitäten der eigenen Leute, Zeit eine Entscheidung und Privatsphäre um seine geheime Wahl zu treffen ohne Gruppenzwang ausgesetzt zu sein oder Absprachen einhalten zu müssen. Am Ende dieses Prozesses wartete dann eine Urne in der Mitte des Raumes auf die Kuverts der anwesenden Wahlberechtigten. Ein sehr ungewöhnliches Bild innerhalb einer Sektion. Die Stimmen wurden ausgezählt während wir uns angeregt über unsere Eindrücke unterhalten haben.
Die erste Vorwahl ist geschlagen, Oliver verkündete erleichtert dass wir letztlich alle das Wahlsystem richtig angewendet haben. Anschließend las er die Namen der gewählten KandidatInnen vor – ein spannender Moment, es wurde freudig applaudiert. Wir applaudierten miteinander, füreinander weil wir eine demokratisch entstandene Liste erstellt haben. Weil nun alle hinter dieser Liste stehen und sich mit ihr identifizieren. Es war die erste, uns bekannte, Vorwahl dieser Art in der SPÖ und wir können sie nur wärmstens empfehlen. Ob die/der zukünftige Parteivorsitzende auch durch eine interne Vorwahl an die Spitze kommt? Man kann es dieser Person nur wünschen.
*Mehrdokht Tesar und Hiroshima Mandee waren zwei begeisterte Teilnehmerinnen der Vorwahlen.
Warum Borda und nicht Schulze? ^^