Landesparteitag 2014: Schuss vor den Bug der Bundesregierung

Die Delegierten der SPÖ Wien zum Landesparteitag haben sich letzten Samstag erfreulicherweise gegen Einsparungen bei der Ganztagsschule und für das Geburtsortsprinzip ausgesprochen. Die Absage des Bürgermeisters an eine Koalition mit den NEOS ist hingegen ein Fehler.

Nikolaus Kowall

Die Sektion 8 war mit drei Leuten in der Delegation der SPÖ Alsergrund am Landesparteitag 2014 der SPÖ Wien vertreten. Interessant war einerseits die Aussage von Michael Häupl (im Rahmen einer Rede voller unaufgeregt vorgebrachter ideologischer Markierungen) nicht mit den NEOS koalieren zu wollen. In der inhaltlichen Diskussion am Nachmittag waren hingegen drei Anträge aus meiner Sicht hervorstechend.

Erstens, ein Antrag der Jugendorganisationen AKS, SJ und VSStÖ, der sich klar gegen die Kürzungen bei der Ganztagsschule richtet und stattdessen eine Vermögenssteuer fordert. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen, was aus meiner Sicht nichts anderes ist als eine direkte Aufforderung der SPÖ Wien an die Bundesregierung, den Rückwärtsgang einzulegen, die Form der Konsolidierung neu zu überdenken und neue Finanzierungsquellen anzuzapfen. Das Regierungsprogramm vom Dezember 2013 enthielt keine großen Erfolge für die SPÖ wie die Vermögenssteuern oder die Gesamtschule. Allerdings gab es Erfolge mittlerer Größte wie die Wohnbauoffensive, das Paket gegen Steuerhinterziehung sowie den Ausbau der Ganztagsschulen. Das waren die Gründe weshalb wir in der Sektion 8 das Programm zwar als ungenügend, aber nicht als desaströs bezeichnet hatten. Allerdings ist die Wohnbauoffensive handwerklich schlecht gemacht, weil die Länder wegen komplizierter Bedingungen und wegen eigener Inaktivität das Geld nicht abholen und nichts gebaut wird. Wien ist hier eine Ausnahme, wenngleich Fachleute in der AK Wien bezweifeln, dass die Stadt ihren gesamten Anteil ausschöpfen wird. Statt einer Reparatur möchte Finanzminister Spindelegger die Wohnbauoffensive gleich den HYPO-Einsparungen opfern. Auch beim Ausbau der Ganztagsschule geht es nun retour. Wieder wird beim Ausbauprogramm drastisch eingespart und die Verantwortung auf die Länder geschoben, wenngleich diese tatsächlich nicht sehr ambitioniert waren. Die Ganztagsschule, eines der ganz wenigen sozialdemokratischen Prestigeprojekte dieser Regierung, ist damit geschröpft, außerdem sollen kommendes Jahr nochmals 90 Mio. im Bildungsbereich gekürzt werden. Ja, es handelt sich um keine Kürzungen des Status quo, sondern um geringere Erhöhungen als im Regierungsprogramm angekündigt. Doch dadurch schmelzen selbst die mittleren Erfolge dahin und langsam stellt sich die Fragen, was in dieser Regierung eigentlich an sozialdemokratischer Handschrift überbleibt? Damit etwas überbleibt unterstützen wir die tolle Petition von drei SPÖ-Basisgruppen (Sektion 1 in Wien Josefstadt, Sektion granum-humanum in Linz sowie Sektion Wilten in Innsbruck), die statt Bildungskürzungen zur Finanzierung der HYOP-Schulden eine Vermögensabgabe fordern: http://petition.rote-basis.at/

Zweitens gab es einen Antrag der JG Wien, der ein ius soli (Geburtsortprinzip) fordert, also eine Koppelung der Staatsbürgerschaft an den Geburtsort und nicht an die Staatsbürgerschaft der Eltern. Der Antrag wurde bei den letzten beiden Parteitagen stets mit dem Hinweis zugewiesen, dass das Thema einer ausführlichen Diskussion bedürfe, sowie mit dem Versprechen, dass dieselbe stattfinden würde. Das war dann natürlich nicht der Fall, weshalb der JG Vorsitzende Marcus Gremel zu Jahresbeginn Druck machte. Tatsächlich kam es dann zu einer internen Diskussionsveranstaltung, wo die BefürworterInnen in der eindeutigen Überzahl waren. In letzter Sekunde – in der Früh vor Parteitagsbeginn –, hat dann auch die Antragsprüfungskommission beschlossen die Annahme des Antrags zu empfehlen. Der Antrag ging – leider gegen die Stimmen einiger Delegierter aus großen Außenbezirke – mehrheitlich durch. Auch wenn nicht die gesamte SPÖ Wien überzeugt ist, so war die Mehrheit doch eindeutig. Es dürfte das erste mal sein, dass sich eine SPÖ Landesorganisation zum ius soli bekannt hat, was doch ein sehr erfreuliches Zeichen ist.

Drittens gab es noch den Antrag der Sektion 8, der sich auf Fragen der internen SPÖ-Transparenz fokussierte und trotz Diskussionen in der Antragsprüfungskommission einstimmig angenommen wurde. Ab dem kommenden Jahr werden alle beschlossenen Anträge des Parteitags die jetzt im SPÖ Intranet zu finden sind, online jedermann/frau zugänglich gemacht. Außerdem wird ein Online-Register aller SPÖ-Sektionen mit Ansprechpartner/innen veröffentlicht. Mit Eingabe der Wohnadresse findet dann jede/r die für sein/ihr Wohngebiet zuständige Sektion. Das sind aus unserer Sicht kleine, aber wichtige Schritte für mehr Transparenz und Vernetzung. Wir wollten heuer etwas überschaubares Realistisches durchbringen, für einen großen Showdown hatten wir keine Nerven.

Es gibt noch eine politische Frage des Parteitags, die mir wichtig erscheint. Michael Häupl hat in seiner Rede eine Koalition mit den NEOS ausgeschlossen. Abgesehen von der Gratis-Publicity für einen politischen Mitbewerber, halte ich diese Aussage für strategisch und inhaltlich falsch.

Die NEOS müssen eine Option bleiben

Eine Koalition mit den NEOS auszuschließen halte ich für einen Fehler, sowohl für Wien als vor allem auch für den Bund. Natürlich müssen die Grünen in Wien der erste Ansprechpartner der SPÖ bleiben, aber die NEOS als potentiellen dritten Partner auszuschließen raubt Handlungsspielraum für den Extremfall, dass Rot-Grün die Mehrheit verliert. Wenn die Bundesregierung ihre „Selbstmord-mit-Anlauf“ Performance weiterverfolgt könnte die SPÖ in Wien dafür 2015 genauso abgestraft werden, wie wenn die Bundesregierung in den Monaten vor den Wienwahl zerfallen sollte. Nehmen wir an es kommt ein neues Wiener Wahlrecht ohne Mehrheitsbonus, die SPÖ Wien fällt auf 37 Prozent zurück und die NEOS knabbern vom grünen Elektorat ein paar Prozentpunkte weg, so dass die Grünen nicht weit über zehn Prozent hinauskommen. In diesem Fall könnte es mit der rot-grünen Mehrheit knapp werden und wir wären auf die NEOS angewiesen, sofern wir die destruktivste politische Gruppierung Österreichs – die ÖVP Wien – meiden wollen. Auf Bundesebne ist eine eventuelle Mehrheit von Rot-Grün-NEOS sowieso die einzige stabile Regierungsform um die ÖVP loszuwerden. Die NEOS stehen uns ideologisch eindeutig näher als die ÖVP, wenn nicht wirtschafts- so doch gesellschaftspolitisch – denken wir an den Bildungsbereich. Was aber viel wichtiger ist: Die NEOS vertreten keine Lobbys, sie brauchen auf Bauern, Beamte und Vermögende im Prinzip keine Rücksicht nehmen, während die ÖVP nichts anderes mehr ist als eine beinharte Interessensvertretung dieser drei Gruppen. Ich habe den Eindruck bei den NEOS sind viele Leute, für die Sachargumente zählen, was bei der ÖVP Großteils und bei der SPÖ teilweise nicht der Fall ist. Vielleicht bekommt die SPÖ früher oder später eine Bundesspitze, für die Sachfragen gegenüber Machtfragen im Vordergrund stehen. Es gibt in der SPÖ viele verdammt gute Leute denen ich zutrauen würde, ein linksliberales Projekt Rot-Grün-NEOS mit Respekt und Sachverstand orchestrieren zu können. Ob diese Leute innerhalb der SPÖ was zu sagen haben werden bevor das nächste Jahrzehnt anbricht, muss ich aber eher hoffen als glauben.

Hattrick: Sektion 8 zum dritten Mal beste Mitgliederwerberin

Das Witzigste zum Schluss: Der „Robert Danneberg Preis“ für den/die beste Mitgliederwerber/in Wiens ging zum dritten Mal hintereinander an jemanden aus der Sektion 8. Nachdem ich den Preis 2012 bekommen hatte ging er 2013 an unsere Bezirksrätin Miriam Leitner als beste Werberin Wiens und heuer 2014 war es wieder ich. Vor zwei Jahren bekam ich den Preis noch mit todernster Miene überreicht. Dieses Jahr mussten Landesparteisekretär Christian Deutsch, Bürgermeister Häupl und ich ob der Kuriosität der Situation alle drei schmunzeln. Ein uns wohlgesinnter Parteifreund aus Floridsdorf hat nachher folgenden Vergleich angestellt: Es ist wie wenn der Frechste in der Schulklasse gleichzeitig ein Vorzugszeugnis hat. Man kann ihm letztlich nicht an. Diesen Vergleich finde ich irgendwie nett weil es tatsächlich so ist, dass unsere mittlerweile fast 300 Mitglieder der offenkundigste Beweis dafür sind, dass unsere Kritik keine Schädigung, sondern eine konstruktive Stärkung der Österreichischen Sozialdemokratie im Sinne hat. Wer uns bei diesem Anliegen stärken und dazu beitragen möchte, dass wir auch 2015 wieder den Danneberg-Preis holen, kann dies hier mit einem Eintritt in die Sektion 8 der SPÖ Alsergrund tun.

One Response to Landesparteitag 2014: Schuss vor den Bug der Bundesregierung

  1. Berthold Heber 29. April 2014 at 00:57 #

    Ich gehörte zu den Simmeringer Delegierten, die für diesen Antrag stimmten. Als Deutscher und als Europäer war das für mich klar, da lasse ich mir das Denken nicht vorschreiben. Unser Obmann akzeptiert auch eine solche Haltung.

    Allerdings verstehe ich die Situation in den Außenbezirken ein wenig besser, als so mancher aus den Innenbezirken. Auch hier darf es keine Denkverbote geben. Für meine Begriffe ist die Integrationspolitik sehr viel Wischi-Waschi, ein wirkliches Konzept fehlt hier komplett.

    Für deutsche Akademiker oder Handwerker, Mitarbeiter internationaler Organisationen braucht es eine andere Integrationspolitik, als für ungelernte Menschen z. B. aus Osteuropa, oder gar halbe Analphabeten. Auch vermisse ich eine Integrationspolitik, die auf einzelne Nationalitäten abgestimmt ist. Andere Länder, andere Mentalitäten. Menschen vom Balkan haben eine andere Mentalität und andere Gewohnheiten, als Westeuropäer. Skandinavier ticken anders als Deutsche, Belgier anders als Spanier. Dementsprechend sind auch die Probleme der Integration anders und vielschichtiger. Als als Deutscher muß man sich nur an das Anfrotzeln bei Niederlagen der DFB-Elf, den Wiener Schmäh und an das Vitamin-B gewöhnen, und selbst Bayern tun sich da leichter als Norddeutsche.

    Die Integration ist bei Migranten mit niedriger Schul- und Ausbildung, von denen viele in den angesprochenen Wiener Außenbezirken wohnen nun mal schwieriger, als bei gut Ausgebildeten, die vor allem in den Innenstadtbezirken wohnen. Türken, die kaum lesen und schreiben können, werden sich mit dem Erlernen einer Fremdsprache schwerer tun. Bringt man in der Partei derartige Bedenken vor, gerät man schnell in Gefahr, als Rassist gebrandmarkt zu werden.

    Doch auch hier darf es keine Denkverbote geben, man muß die Leute abholen und die Ängste der Leute vor Ort mit berücksichtigen. Auch die müssen mitgenommen werden. Das fehlt zum großen Teil in der Wiener Integrationspolitik, man muß auch den Einheimischen Hilfe zur Integration der ausländischen Mitbürger geben.

    Denn Integration hat vier Seiten:

    1. Man muß die MigrantInnen gezielt fördern.
    2. Die Einheimischen müssen die Leute integrieren (Fordern).
    3. MigrantInnen müssen erkennbare Bereitschaft zeigen, sich in die Gesellschaft zu integrieren, das fängt mit dem Erlernen der Sprache an und hört bei der Integration ins gesellschaftliche Leben auf (Fordern).
    4. Man muß den Einheimischen die Ängste vor zuviel Überfremdung nehmen, ihnen begreiflich machen, daß Zuwanderung keine Bedrohung, sondern eine Chance ist, den eigenen Horizont zu erweitern (Fördern).

    Gerade bei Punkt 3 und 4 besteht in der Wiener Integrationspolitik erheblicher Nachholbedarf.

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