Viel wird dieser Tage und sicherlich noch bis zur Volksbefragung im Jänner 2013 über die Frage Berufsheer oder Wehrpflicht, sowie Fragen der Sozialpolitik in diesem Zusammenhang geschrieben. Weniger wird hingegen von Sicherheitspolitik oder Neutralität gesprochen. Diese Themen scheinen nur auf den ersten Blick nicht unmittelbar für die kommende Volksabstimmung relevant. Sie sind es aber für den Weg, den österreichische Politik künftig beschreiten soll und es ist höchste Zeit, sie zu diskutieren. Daher werfe ich einige Fragen auf und versuche, dazu Antworten anzubieten sowie auf traditionelle Positionen der Sozialdemokratie zu Außenpolitik und Überlegungen zu Friedenspolitik einzugehen.
Gabriele Matzner*
Was ist „Sicherheit“ und was wollen wir „sichern“?
„Sicherheit“ ist ein öffentliches Interesse bzw. Gut, das u.a. ein wichtiges Ziel von Außenpolitik sein sollte. Die Gestaltung einer Sicherheitspolitik setzt die Analyse und Beantwortung einiger Fragen voraus. Zu sichern sind, verkürzt gesagt: Friede, der Bestand und das Funktionieren des Landes, der Erhalt und Ausbau seiner Ressourcen, inklusive seiner menschlichen, und seiner wichtigsten Institutionen.
Wodurch wird Sicherheit gegenwärtig und in absehbarer Zukunft bedroht?
Bedrohungen sind heutzutage „global“. In diversen Sicherheitsdoktrinen (u.a. die der USA, NATO und EU) werden seit längerem und immer wieder folgende genannt: internationaler Terrorismus und „Schurkenstaaten“, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (in den „falschen“ Händen), Bedrohung des Freihandels, der „freien“ Märkte, bzw. der Verfügbarkeit wichtiger Ressourcen, Ressourcenknappheit, Klimawandel, Hungersnöte, internationale Kriminalität (u.a. Menschen-, Drogenhandel, Mafia), „Cyberwar“, Flüchtlingsströme, „failed states“, massive, systematische Menschenrechtsverletzungen und so fort.
Nicht oder kaum als Sicherheitsbedrohungen gesehen oder erwähnt werden im Allgemeinen: wirtschaftliche Ungleichgewichte, wirtschaftliche und politische Ursachen von Hunger, Not, Verbrechen und Konflikten, Dominanz der Finanzmärkte über die Realwirtschaft, die immer weiter klaffende Schere zwischen Arm und Reich innerhalb von und zwischen Staaten, Kriegsunternehmen bzw. Söldnerheere, Aufrüstung, staatlicher und nicht-staatlicher Waffenhandel, unüberlegte und/oder völkerrechtswidrige militärische Interventionen etc..
Dass solche tieferen Sicherheitsbedrohungen kaum (in Doktrinen) erwähnt werden, ist verfehlt und bedauerlich, es sollte für Sozialdemokraten Ansporn sein, sie auf die Tagesordnung zu setzen.
Wie kann oder soll „Bedrohungen“ begegnet werden?
Den oben genannten „neuen“ Bedrohungen kann überwiegend nicht mit militärischer Gewalt begegnet werden, die Anwendung militärischer Gewalt bedarf überdies völkerrechtlich zwingend eines UN-Sicherheitsmandats. Die strukturelle Impotenz reiner Gewalt von außen gilt auch für (Bürger)kriegssituationen, in denen es zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommt. Die Erfolgsgeschichte bewaffneter „humanitärer“ Interventionen ist dürftig bis katastrophal. Zu entwickeln sind andere Strategien, jenseits von Gewalt, und dies im Verbund bzw. in Kooperation mit anderen Akteuren (Staaten, Regierungs- und nicht-Regierungsorganisationen). Ziele sollten präventiv Regelsetzung und -durchsetzung sein (auch im Rahmen von UNO, Spezialorganisationen, EU, Europarat etc.).
Sozialdemokratische Traditionen
Die Prinzipien der Sozialdemokratie waren aus guten Gründen (u.a. zur Stärkung der Position gegenüber dem international organisierten Kapital) von Anfang an internationalistisch, gegen engstirnigen Nationalismus gerichtet. Im Parteiprogramm von 1978 wird außerdem festgestellt, dass die Menschen in den Ländern der so genannten dritten Welt Opfer der ungerechten Weltwirtschaftsordnung sind und der Solidarität der wohlhabenden Länder bedürfen. Auch die alten Anliegen Frieden, Abrüstung, friedliche Konfliktlösungen finden sich dort niedergeschrieben. Insbesondere sollten die Ursachen von Konflikten beseitigt werden, die oft genug in „extremer ökonomischer Ungleichheit“ liegen.
Auch 1998 tritt die SPÖ in ihrem Grundsatzprogramm für Abrüstung, internationales Krisenmanagement und gegen das „Faustrecht“ ein. Sie fordert globale Gerechtigkeit, soziale und ökologische Mindeststandards und Regeln für globale Wirtschaftsakteure, wie das Weltwährungssystem.
Ganz wichtig war der Sozialdemokratie in der Außenpolitik auch immer das Eintreten für Demokratie, gegen Diktatur und für Menschen- und Minderheitenrechte, allerdings nicht mit Gewalt. Sicherheitspolitik sollte nicht nur militärisch verstanden und umgesetzt werden, es bestehe kein Interesse daran, dass Österreich einem militärischen Bündnis beitritt (gemeint war wohl die NATO), so das Grundsatzprogramm 1998. Hier stellt sich die Frage weshalb diese Position der Sozialdemokratie obsolet geworden sein soll, oder ob man sie nicht vielmehr neu detaillieren sollte.
Die österreichische Neutralität
Neutralität hilft gegen die „neuen“ Bedrohungen per se natürlich nicht. Aber ebenso wenig helfen dagegen ein Militärbündnis wie die NATO mit ihrem „out of area“-Programm oder „Battle Groups“ der EU. Neutralität verkörpert aber rechtlich immerhin das Versprechen, nur zur Selbstverteidigung in den Krieg zu ziehen und politisch sich schon im Vorfeld entstehender Konflikte um ihre Dämpfung und friedliche Regelung zu bemühen. Was ist daran überholt? Welche andere Politik wollen oder können wir betreiben?
Österreich ist verfassungs- und völkerrechtlich noch immer zur Neutralität verpflichtet. Legenden, wie dass die Idee dazu von der Sowjetunion kam und uns aufgezwungen wurde, oder dass Neutralität feige ideologische Enthaltung und gleichgültige Tatenlosigkeit bedeute, zu widerlegen, fehlt hier der Platz.
Das Grundsatzprogramm 1998 bezeichnet die Neutralität als ein Sicherheitskonzept, hat aber sonst leider nicht viel dazu zu sagen. „Restneutralität“ auf dem Papier, ohne entsprechende Politik, ist wenig sinnvoll. Eine Politik, die man nicht betreibt, kann nicht nützlich sein. Andere, de lege oder de facto neutrale europäische Staaten (auch EU-Mitglieder wie Schweden, Finnland oder Irland) betreiben eine dem Geist der Neutralität entsprechende Politik (u.a. regelmäßige Mediationstätigkeit). Als neutrales Land hatte Österreich (und hat erstaunlicherweise noch immer) eine Reputation als unparteiisch, nach Ausgleich und Gerechtigkeit strebend, die weit über seine Größe und den Spielraum Ost-West-Konflikt hinausging/geht. Es hatte etwa ein Ansehen in der sogenannten dritten Welt und bei Verfolgten in aller Welt, trotz immer schon bescheidener Entwicklungshilfe. Das könnte und sollte (wieder) genutzt werden.
Was geschehen könnte, einige Ideen:
Was Not tut (insbesondere in der Sozialdemokratie), sind Überlegungen und Diskussionen, auch, ja vor allem in der „zivilen Gesellschaft“ und in den Medien darüber, was Prinzipien einer (österreichischen, von Österreich auf EU und internationaler Ebene zu vertretenden) Neutralitäts/Friedenspolitik sein könnten und sollten. Diese Politik sollte und könnte natürlich auch zusammen mit anderen Staaten und nicht-staatlichen Akteuren betrieben werden. Dazu einige Ideen:
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Ein wichtiger und oft vernachlässigter Aspekt der Friedenspolitik ist Prävention. Kritische Situationen, die in Unfrieden und massenhafter Gewalt ausarten können, sollten viel früher erkannt und nachhaltig mit friedlichen Mitteln, der Diplomatie und Wirtschaft, „bearbeitet“ werden. Den Darstellungen der mainstream-Medien und PR-Agenturen ist dabei nicht bedingungslos zu trauen, man sollte sich vielseitig informieren und sich nicht (zu „Not-Interventionen“ zweifelhafter Legalität und Legitimität und mit ungewissem Ausgang) emotional aufhetzen lassen bzw. Verhetzungen und einseitigen Darstellungen widersprechen.
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Frühzeitig, kontinuierlich unabhängige internationale Beobachter, Mediatoren, Streitschlichter etc. ausbilden, anbieten, unterstützen und entsenden; in pre- wie post-Konfliktsituationen. Österreich bzw. die EU oder die internationale Staatengemeinschaft könnten sich in fragilen Staaten bzw. Situationen nachhaltig engagieren, also „intervenieren“, mit Entwicklungshilfe und Hilfe beim Aufbau funktionierender (staatlicher) Strukturen (Rechtsstaat, Sicherung des Gewaltmonopols etc.), Ausbildung und Bereitstellung von Fachleuten für zivile Zwecke. Der Dialog, auch mit „Schurken“ und von Mächtigen oder Medien als solche deklarierten bzw. plötzlich entdeckten „Psychopaten“ ist wichtig. Letztlich wird nachhaltiger Frieden nur dann geschlossen und bestehen, wenn Gegner miteinander reden und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Der Dialog mit Gleichgesinnten und Freunden beendet vor allem Bürgerkriege nicht.
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Des Weiteren sind ein Engagement für die Verhinderung von Klimakatastrophen und gegen die weitere rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen wichtige Eckpfeiler sozialdemokratischer Sicherheitspolitik.
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Es gilt, für andere Prioritäten als die im globalisierten Neoliberalismus dominierenden zu kämpfen und dafür auch Ressourcen bereitzustellen Also für Prioritäten, die das menschliche Wohlergehen („human security“) möglichst überall und nicht nur für einige wenige zum Ziel haben: Gesundheit, Bildung, funktionierende (Rechts)staatlichkeit, gerechterer Handel (fair trade statt free trade), Kampf den Rohstoffspekulationen, der Vernichtung von Lebensgrundlagen, der Patentierung von natürlichen Ressourcen, dem „land grabbing“ und und und.
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Die Mobilisierung gegen Rüstung, Waffenhandel, private Kriegsfirmen, sowie gegen als „humanitär“ getarnte, machtpolitisch und/oder kommerziell motivierte Kanonenbootaktionen „out of area“; Engagement für eine konstruktive und nachhaltige Friedenspolitik, im Rahmen der internationalen Organisationen, insbesondere der EU sollten weitere Prioritäten sein.
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Kooperation vor Konfrontation sollte als Prinzip dem unseligen „Standortwettbewerb“ entgegen treten, inklusive Senkung von Sozial- und Umweltstandards.
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Engagement für Respekt und Weiterentwicklung des (Völker)rechts, für Respektierung und Reform der UNO, gegen das Regime des Dschungels, der Wildwestpolitik und gegen das Faustrecht des Stärkeren wären weitere Schritte in Richtung einer friedlicheren Welt.
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Die Diskussion wird noch einige weitere Punkte hervorbringen.
Berufs- oder Bundesheer?
Relativ sekundär scheint in diesem außen-sicherheitspolitischen Zusammenhang auf den ersten Blick die Frage: Bundes- oder Berufsheer.
Allerdings ist – abgesehen von Effizienz- und Demokratiefragen – zu bedenken, wohin die Berufsheer-Reise gehen soll, oder könnte: einfachere Beteiligung an „Aktionen“ „out of area“, alias Kanonenbootpolitik, zur gewaltsamen Durchsetzung der Geschäftsinteressen jener privaten internationalen Akteure, die schon heute die Politik vieler Länder und internationaler Organisationen beherrschen. Das wäre mit einem Berufsheer politisch problemloser durchzusetzen, und wirklich weder mit Neutralität noch mit den traditionellen Zielen der Sozialdemokratie (u.a. der Kampf gegen den Imperialismus und Kolonialismus) zu vereinbaren.
Ein Schlusssatz
Krieg in Europa, oder Europa tangierend, sei „undenkbar“, heißt es immer wieder. Nichts ist undenkbar. Und Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Und dafür ist zu arbeiten.
* Wie bei allen Artikeln am Blog der Sektion 8 handelt es sich um die persönliche Meinung der Autorin. Offizielle Standpunkte der Sektion finden Sie auf unserer Homepage.
(Zitat aus dem Folder namens “Wehrpflicht-Volksbefragung | am 20. Jänner 2013 | eine Gewissens-, keine Partei-Entscheidung!” [Impressum/für den Inhalt verantwortlich: Initiative Heimat & Umwelt, 3424 Zeiselmauer, Hageng. 5])
Sg. Fr. Bader!
Mangels Transparenz seitens der handelnden Personen ist es schwer zu sagen, was da läuft, und leider auch, wohin die Reise gehen soll. Eine Volksbefragung ohne die erforderlichen Informationen ist sicherheits- und demokratiepolitisch bedenklich.
Dass ein Minister von einem Kammer-Diener abgeschottet wird, ist an sich noch nicht ungewöhnlich, meist erfolgt dies im stillen Einvernehmen mit dem Minister.
Man fragt sich bei der Lektüre Ihrer Vorbringungen natürlich, warum Darabos nicht längst zurückgetreten ist…….
was aber ist die konsequenz daraus? bislang waren es gerade die EIGENEN LEUTE, die nichts unternommen und zugesehen haben. denn der versuch, österreich in die NATO zu drängen und das heer in eine interventionsarmee für rohstoffkriege umzuwandeln, findet JETZT statt. dazu wird leider die SPÖ benutzt, dank der feigheit der parteiführung, die darabos im regen stehen lässt. er wollte weder einen kurswechsel, also die abkehr von der wehrpflicht, noch will er ein abgehen von der neutralität und eine interventionsarmee. im gegenteil, er wird schon lange unter druck gesetzt, abgeschottet und überwacht. das ist ein massiver eingriff in die souveränität österreichs, den faymann tatenlos duldet…
siehe auch „offener brief an die basis der SPÖ“
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=2524
und „die angst der SPÖ vor ihrer basis“
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=2527
– denn am bundesparteitag darf nur im rahmenprogramm ein bissl diskutiert werden, unter ausschluss der öffentlichkeit….
Danke, Frau Matzner! Eine Stimme der Vernunft in dem Meer aus Unsinnigkeiten, das die momentane „Außen-“ bzw. „Sicherheitspolitik“ der SPÖ derzeit ausmacht.