Das jüngste ORF-Personalpaket zeugt von einem beschämenden sozialen und demokratiepolitischen Bewusstsein innerhalb der Führung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks, argumentiert ORF-Mitarbeiterin Tanja Malle im Rahmen einer kleinen Serie zur innenpolitischen Causa Prima des Jahres 2012 am Blog der Sektion 8.
Gastbeitrag von Tanja Malle*
Eine schöne Bescherung sieht anders aus, als jenes Personalpaket, das ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz einen Tag vor Weihnachten präsentiert hat. Der kleine Niko ist nur die Spitze des Eisbergs, gegen den der ORF krachen wird, sollten tatsächlich alle im Zuge dieses Personalpakets neu geschaffenen bzw. neu zu besetzenden Nester bezogen werden.
Schreckgespenst: Kosten.
„Sparen, sparen, sparen“, lautet seit Jahren die Devise der ORF-Chefs, die allerdings allen voran von den Redaktionen und der Technikbelegschaft erfüllt werden muss. Arrivierte MitarbeiterInnen werden in Zwangspension geschickt, Dutzende profunde JournalistInnen haben in den vergangenen Jahren das Golden Handshake-Angebot des Unternehmens angenommen. Nachbesetzt werden diese Stellen nicht, selbst dann nicht, wenn es sich um Härtesituationen handelt – beispielsweise, wenn ein Mitglied der Redaktion plötzlich verstirbt. Argumentiert werden die Nicht-Nachbesetzungen von der Unternehmsführung mit dem Verweise aus die Kosten.
Neues Prekariat und Qualitätseinbußen in der Berichterstattung
Die anfallende Arbeit wird durch den forcierten Abgang zahlreicher MitarbeiterInnen freilich nicht weniger und damit zur Zusatzlast für die übrige Belegschaft – das führt dazu, dass sich zuletzt Fälle von Burnout auffallend gehäuft haben. Und: Über kurz oder lang wird sich der eklatante Personalmangel in den Redaktionen auch in der Qualität der Berichterstattung manifestieren, bedingt doch der Personal-bzw. Zeitmangel, dass Recherchen weniger intensiv geführt werden können bzw. wichtige, aber kompliziertere Themen, unter den Tisch fallen. Das Sparpaket des Unternehmens tragen zu einem Gutteil übrigens auch die vielen „fixen freien MitarbeiterInnen“ – diese gestalten vorwiegend bzw. ausschließlich Sendungen und Beiträge für Radio und TV, sind also einkommenstechnisch vom Unternehmen abhängig, haben aber dennoch keinerlei Aussicht auf eine Anstellung und die mit einer solchen einher gehenden sozialen Absicherung. Argumentiert wird das einmal mehr mit dem Verweis auf die Kosten. Die Sparpolitik tragen auch zahlreiche, in den vergangenen Jahren in Tochterunternehmen ausgegliederte TecknikmitarbeiterInnen mit, die – einmal outgesourct –niedrigere Gehälter bzw. arbeitsrechtliche Einbußen in Kauf nehmen mussten. Fazit: Soziale Gerechtigkeit zählt nicht zu den Leitlinien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Unglaubwürdig, beschämend und ärgerlich.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als beschämend und ärgerlich, dass im Zuge des jüngsten Personalpakets neue – hoch dotierte – Stellen geschaffen werden (beispielsweise Vize-Technikdirektor, Bundesländerkoordinator), ohne die das Unternehmen auch bislang gut ausgekommen ist. Besetzt werden diese Stellen übrigens von Vertrauten unterschiedlicher Parteicouleur – was das Schweigen des Großteils der österreichischen Politlandschaft zur Causa Pelinka und Co. erklärt. Das viel strapazierte Kostenargument der ORF-Geschäftsführung erscheint als Farce.
Demokratische Grundwerte über Bord?
Nach außen schädigt die selbst für Farbblinde offensichtliche Regenbogen-Personalrochade die Glaubwürdigkeit des ORF immens. Wie sollen RedakteurInnen kritisch und glaubwürdig über Parteienfilz, Postenschacher und die Verflechtung von Politik und Medien berichten, wenn derlei im eigenen Unternehmen gängig zu sein scheint? Wie vor den GebührenzahlerInnen argumentieren, dass neue, teure, aber von vielen Kennern für unnötig befundene Posten geschaffen werden, obwohl das Unternehmen intern und extern Sparen propagiert und die Gebühren erhöht? Und: Wie erklären, dass vor der Ausschreibung von neuen bzw. vakanten Stellen, diese eigentlich schon längst unter der Hand und völlig intransparent vergeben worden sind?
Alexander Wrabetz verteidigt in seinen intern versandten, aber mittlerweile publik gewordenen Neujahrswünschen, seine Vorgehensweise. Unter anderem mit dem Verweis darauf, dass es üblich sei, dass sich die Geschäftsführung die engsten MitarbeiterInnen selbst auswählt. Heißt das, dass sich die Geschäftsführung ihren rechtlichen Verpflichtungen – wie jene, Stellen zunächst auszuschreiben und bei gleicher Qualifizierung Frauen zu bevorzugen – nur zum Schein beugt und diese gar nicht ernst nimmt? Außerdem weist der Generaldirektor darauf hin, dass der ORF seit seinem Dienstantritt als Generaldirektor eine (inter)national vorbildliche Streit- und Diskussionskultur habe. Dem gilt hinzuzufügen, dass freie Meinungsäußerung und Diskussion bzw. Streit in einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen im Jahr 2012 als Selbstverständlichkeit gelten sollten, und nicht als etwas, dass von der Direktion erst gewährt werden muss.
Der ORF sollte ein Flaggschiff des österreichischen Journalismus sein. Derzeit befindet es sich jedoch in Besorgnis erregender Schieflage. Seinem Kapitän mag das noch nicht bewusst sein – seiner Mann/Frauschaft allerdings schon. Übrigens: Der ORF wird von den österreichischen Steuer- und GebührenzahlerInnen finanziert, er gehört damit seinen HörerInnen, SeherInnen und LeserInnen. Bleibt zu hoffen, dass sich jene von ihnen, die sich qualifiziert fühlen, um die nun doch noch ausgeschriebenen Stellen bemühen.
*Tanja Malle ist seit sechs Jahren Teil der Ö1-Wissenschaftsredaktion und gestaltet Beiträge und Sendungen zu den Themenschwerpunkten: Zeitgeschichte, Europäische Integration, Volksgruppen, Migration und Post-Jugoslawien.
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Alle die über 60 sind und die ich kenne, das sind nicht wenige, glauben nicht nur an eine ver……….., sondern auch die gewählte Zeit “ Weihnachtsfeiertage“ für einen präziesen Anschlag auf das demokratische Verständnis.