Tag Archives | Irre ÖkonomInnen

Irre ÖkonomInnen (3): Rainer Eichenberger

Über politische Ökonomie lässt sich trefflich streiten. Über den Irrsinn manch ökonomischer Analysen aber nicht mehr. Eine Serie.

Leonhard Dobusch

Einer der zentralen Kritikpunkte am derzeit herrschenden Mainstream in der ökonomischen Disziplin ist jener der Realitätsverweigerung. Mit immer ausgefeilteren, stark formalisierten Modellen auf Basis nur in Nuancen variierter homo-oeconomicus-Annahmen hat sich die Ökonomie mehr und mehr von jeglichem Verständnis realer Zusammenhänge entfernt. (Für einen knappen Text über die Folgen dieser Entwicklung für Studium und Wirtschaftskrise: Ötsch und Kapeller 2010)

Noch unrealistischer als ihre Modelle ist aber bei manchen ÖkonomInnen die Selbsteinschätzung bzw. jene des Stands ihrer Disziplin. So schrieb der Freiburger Ökonom Rainer Eichenberger kürzlich einen Gastbeitrag in der Basler Zeitung mit dem Titel „Der modernen Ökonomik geht es besser denn je„. Nach der üblichen Denunzierung aller KritikerInnen der Mainstream-Ökonomie als „Nicht-Ökonomen, Anti-Ökonomen, Alt-Ökonomen“ nennt Eichenberger unter anderem folgende Gründe für seine Analyse:

Viele Beobachter können nicht zwischen der Krise der Wirtschaft und den Wirtschaftswissenschaften unterscheiden

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Irre ÖkonomInnen (2): Matthias Kräkel

Über politische Ökonomie lässt sich trefflich streiten. Über den Irrsinn manch ökonomischer Analysen aber nicht mehr. Eine Serie.

In einem Interview im Chancen-Teil der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ propagiert der Bonner Personalökonom Matthias Kräkel, dass es „die Besten“ in Wirtschaft und Politik oft nicht bis an die Spitze schaffen, weil sie „sich im Vorstellungsgespräch nicht so sehr an[strengen] wie ihre weniger begabten Konkurrenten“. Starke These. Nachfrage der Zeit-Interviewerin Sabine Hoffmann:

Zeit: Wo ist dieses Phönomen zu beobachten?
Kräkel: Besonders gut in der Politik. Bewerben sich beispielsweise zwei Juristen um den Parteivorsitz, gewinnt wahrscheinlich derjenige mit dem schlechteren Zeugnis: Er hat keine Wahlmöglichkeit, würde in der freien Wirtschaft wahrscheinlich nur einen schlechter bezahlten Job finden – und strengt sich deshalb im Wahlkampf umso mehr an. Anders ist das beim Topjuristen: Er weiß, dass er in einer renommierten Anwaltskanzlei mehr verdient als in der Politik und ist deshalb weniger motiviert, sich für den Parteivorsitz ins Zeug zu legen.

Aha. Abgesehen davon, ob bessere JuristInnen automatisch auch bessere Parteivorsitzende sind, stellt sich auch noch die Frage, warum solche „Topjuristen“ überhaupt noch in die Politik gehen sollen, wenn sie sowieso in der Privatwirtschaft mehr verdienen würden? Fragen, die leider ungestellt bleiben. Stattdessen:

Zeit: Wie erklären Sie sich das?
Kräkel: Meine These basiert auf der theoretischen Annahme, dass die Bewerber rein rational handeln: Sie wägen Nutzen und Kosten ab und versuchen, ihren Gesamtnutzen zu maximieren.

So weit, so (neo)klassisch-ökonomisch. In einer derartigen Fantasiewelt mag das also so sein. Kein Grund, konkrete Handlungsableitungen aus diesem netten Gedankenexperiment abzuleiten, oder? So geht das Interview jedenfalls weiter:

Zeit: Was passiert, wenn das Mittelmaß regiert?
Kräkel: Die Führungskräfte sind überfordert und treffen falsche Entscheidungen. Arbeitsplätze gehen verloren, Unternehmen investieren in die falschen Technologien.

Das erklärt natürlich so einiges. Aber was können wir dagegen tun?

Zeit: Ihr Lösungsvorschlag?
Kräkel: Eine leistungsgerechte Bezahlung, die abhängig ist von der Produktivität des Arbeitnehmers. Beispielsweise könnten Politiker anhand ihrer Umfrageergebnisse im Politbarometer entlohnt werden. Das wäre zwar radikal, macht aber Sinn.

Mit diesem „radikalen“ Lösungsvorschlag endet das Interview. Und nein, das Interview ist kein Fake. 1. April ist auch erst in knapp zwei Wochen.

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Irre ÖkonomInnen (1): Bernhard Felderer

Über politische Ökonomie lässt sich trefflich streiten. Über den Irrsinn manch ökonomischer Analysen aber nicht mehr. Eine Serie.

Leonhard Dobusch

In der gestrigen Ausgabe der Presse forderte IHS-Ökonom Bernhard Felderer Einsparungen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Abbau der krisenbedingt gestiegenen Staatsschulden. Soweit, so irre. Denn sowohl ausgabenseitige Kürzungen als auch die Erhöhung indirekter Steuern treffen einkommensschwächere Schichten überproportional. Das schwächt nicht nur die ohnehin dahindümpelnde Massenkaufkraft, sondern es bestraft genau jene Leute für die Krise, die am allerwenigsten zu ihr beigetragen haben. Eine so offensichtliche Ungerechtigkeit, dass sie auch Presse-Interviewer Franz Schellhorn auffällt:

Und das Argument, dass höhere Mehrwertsteuern Bezieher niedrigerer Einkommen stärker träfen…

Felderer: Das wird zwar immer wieder behauptet, ist aber ein Irrtum. Jeder zahlt 20 Prozent; wir haben es hier mit einer Flat Rate zu tun

Und wen, wenn nicht Menschen mit niedrigeren Einkommen trifft eine „Flat Rate“ überproportional? Schließlich zahlen beide, der Einkommensmillionär und die Mindestrentnerin 10 bzw. 20 Prozent Mehrwertsteuer für ihre Einkäufe. Relativ zum Einkommen wird die Mindestrentnerin dadurch von der Mehrwertsteuer viel stärker belastet als der Millionär. Wieder hakt Schellhorn nach:

Jemand, der wenig verdient, wird von einer „Flat Rate“ auf Nahrung doch stärker belastet, als jemand, der viel verdient, oder?

Felderer: Das wäre dann auch jetzt schon der Fall. Zudem bleibt die Frage: Wo will der Staat sonst das Geld für seine hohen Ausgaben hernehmen? Natürlich müssen Ausgaben zurückgenommen werden, das allein dürfte aber nicht reichen.

Was ist das für ein Argument? Nein, das wäre dann nicht nur jetzt schon der Fall. Das IST jetzt schon der Fall. Die degressive Wirkung der Mehrwertsteuer ist der Grund dafür, dass einnahmenseitig trotz Lohnsteuerprogression kaum ein Umverteilungseffekt erzielt wird. Wenn umverteilt wird, dann Ausgabenseitig über Sozial-, Transfer- und Infrastrukturleistungen. Nur gut, dass diese „Ausgaben zurückgenommen werden“ müssen, wenn es nach Felderer geht.

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