So, jetzt bin ich also bei Sophie Karmasin gelandet. Als Zielgruppe: Frau, Mitte 40, kleine Kinder, beruflich erfolgreich, gut gebildet. Jedes Alter, jedes Geschlecht, jede Ausbildung, jede Familiensituation – eine Zielgruppe. Und die bekommen nun ihre entsprechenden RepräsentantInnen in der Regierung. Fein. Nun also die sogenannten „latte-macchiato-Mütter“. Egal ob in Berlin am Prenzlauer Berg oder in den Bobo-Gebieten Wiens. Die Metropolen strukturkonservativer Länder zeigen, dass es doch auch neue Lebensstile gibt. Jetzt sind diese von Heim und Herd befreiten Mütter also nicht nur AdressatInnen neuer Marketingideen (schickes Ökogewand für den Nachwuchs, coole Kinderwägen etc.), sondern bekommen ihr Recht auf ein politisches Symbol. Dafür zaubert die ÖVP Sophie Karmasin aus dem Hut der Unabhängigkeit. Bleibt nur die Frage: Fühl‘ ich mich vertreten? Die Antwort ist ganz klar: Karmasin hat zwar objektiv viel mit mir gemeinsam, alleine, ich finde mich in ihr nicht wieder. Woran liegt das?
Von Silvia Angelo*
Nun, zuallererst weil ich Sozialdemokratin bin und Sophie Karmasin für die ÖVP ins Rennen geht. Damit hat Sophie noch gar nix falsch gemacht, es ist einfach meine politische Sturheit, die mich skeptisch macht. Wobei sich hier die für mich zentrale Frage stellt: Geht Sophie Karmasin tatsächlich für die ÖVP ins Rennen? Formal ja, allerdings als sogenannte Quereinsteigerin. Wenn die ÖVP es aber nicht schafft, dieses role-model in den eigenen Reihen zu finden, kann sie es dann überhaupt als Partei glaubwürdig vertreten? Gibt es diesen Typus vielleicht einfach deshalb nicht in der ÖVP, weil sich diese Frauen dort nicht beheimatet fühlen? Es wird interessant zu beobachten, ob also die moderne Frau zwischen ÖAAB, Wirtschaftsbund und Bauern irgendwas zu melden hat.
Zugegeben: Meine eigene Partei tut sich bei diesem Frauentypus auch nicht besonders hervor und das hat sicher einen strukturellen Grund: Die beruflich erfolgreiche Mutter kleiner Kindern ist in konservativen Ländern fast genauso beliebt wie betrunkene Taxifahrer. Zwar darf sie wählen, aber als Person polarisiert sie zu sehr – das haben wir sogar in der dänischen Politserie „Borgen“ gesehen: Die Premierministerin, die sich gleichzeitig um ihr Kind kümmert, beschwört Grundsatzdiskussionen zu den Grenzen, die sich berufstätigen Müttern stellen, herauf. Wenn das schon in Dänemark so ist, wie würde dann erst eine österreichische Ministerin betrachtet werden, die den Anspruch hat, die Weihnachtsaufführung ihres Kindes nicht zu verpassen? Deshalb – so meine Vermutung – vertreten auch die SozialdemokratInnen die Ganztagesschule noch schüchterner als die Millionärssteuer: Mütter haben in der österreichischen Gesellschaft maximal den Anspruch auf Teilzeitverwirklichung. Weil auf der anderen Seite auch den Männern unterstellt wird, dass sie im Supermarkt eine Damenbinde nicht von einer Windel unterscheiden können, weil ihnen beides gleich fremd ist. Wird Sophie Karmasin also außer eine bestimmte Gruppe zu repräsentieren bei allen anderen Gesellschaftsgruppen etwas in den Köpfen ändern?
Und schlussendlich: Warum gerade Familie? Wieso kann Sophie Karmasin denn nicht für Wirtschaft und Wissenschaft zuständig sein? Weil es gerade erst mal 100 Jahre her ist, dass Frauen auch studieren dürfen? Es ist auch die Rollenzuschreibung, die mir das Gefühl vermittelt, dass ich hier nicht repräsentiert werde. Die Sozialdemokratie hat es da doch immerhin geschafft, ihre Wirtschaftsressorts mit 2 Frauen zu besetzen.
Ich finde mich also nicht wieder in einer ÖVPlerin, die keine ist; in einer beruflich erfolgreichen Mutter, die jetzt auf das Thema Familie festgenagelt ist; in dieser Politikerin, die bisher nur politisches Tun analysiert hat. Ich finde mich aber auch nicht im Stereotyp der „latte-macchiato-Mütter“ wieder: Weder mag ich so viel Milch im Kaffee, noch kann ich dem Plausch mit der besten Freundin im Beisein meines Nachwuchses irgendetwas Entspannendes abgewinnen. Zielgruppen sind halt sehr heterogen; es identifiziert sich zum Glück ja auch nicht jedeR unter 30-Jährige mit Kurz oder Rudas.
Stellt sich also die Frage, ob ich überhaupt eine Repräsentantin in der Regierung brauche? Klar: Politik braucht auch Symbole. Aber konkret beeinflusst haben mich die Inhalte: Die Bildungs- und Justizpolitik der 70er Jahre, genauso wie eine gute ökonomische Performance, die mehr Frauen in Beschäftigung brachte. Ich kann es für mich nur so zusammenfassen: Bevor ich mit einer Symbolfigur hadere, weil sich die Parteien halt nur zu einer gefälligen Variante meines Lebensstils durchringen können, ist es mir wichtiger, inhaltlich gut vertreten zu sein. Sonst fühle ich mich auf eine Zielgruppe reduziert, die bei Laune gehalten werden muss. All diese Überlegungen würde ich eigentlich gerne mit der Meinungsforscherin Sophie Karmasin diskutieren.
*Silvia Angelo ist Ökonomin in Wien
Nicht vertreten von der SPOe sind auch die Mobbingopfer.
Habe ich das richtig verstanden: eine Frau kann sich nur außerhalb ihres Haushaltes, ferne ihrer Kinder selbst verwirklichen?
Von der SPÖ fühlen sich, denke ich, aber auch viele Frauen nicht vertreten. Vor allem fühlen sich von der SPÖ, denke ich, arme, arbeitslose und bildungsbenachteiligte Frauen nicht vertreten.
Darüber hinaus gibt es noch viele andere Gruppen, die sich von der SPÖ wohl nicht vertreten fühlen: z.B.: Arme, Obdachlose, Arbeitslose, Bildungsbenachteiligte, Flüchtlinge, arme Migrant_innen
„… inhaltlich gut vertreten zu sein. …“: diese Menschen werden in der Regel von den Parteien gar nicht aufgestellt. Da muessen die Wahlgesetze geaendert werden, dass jede/r bei einer Wahl unabhaengig von einer Partei antreten kann: so weit muessten wir im 21. Jahrhundert sein. Der momentane Zustand ist uebrigens Diskriminierung.