Wenn man keinen Plan hat, sollte man besser nichts sagen. Dem Schweigekanzler Schüssel wäre das Faymann-Glamourstück nicht passiert. Sich erst mit den Studierenden zu solidarisieren um drei Tage später ihre Hauptforderung abzulehnen, so einen perfekt inszenierten Zick-Zack-Kurs hinzulegen muss man sich einmal trauen. Die SPÖ schwenkt in Richtung Zugangsbeschränkungen. Dem gilt es eine Alternative entgegenzusetzen. Weil es das Paradies in der Dose nicht gibt, werden jedoch nicht alle Forderungen der Audimax-Besetzer/innen erfüllbar sein. Fünf Anmerkungen, wie eine vernünftige, aber trotzdem menschenfreundliche Lösung aus sozialdemokratischer Sicht aussehen könnte:
Anmerkung 1: Zugangsbeschränkungen lösen die Frage mit den deutschen Studierenden nicht
Unabhängig davon ob man für oder gegen Aufnahmetests ist, in der aktuellen Debatte unterläuft vielen ein logischer Denkfehler. Aufnahmetests sind keineswegs geeignet das Problem mit den deutschen Studierenden zu lösen. Angenommen es gibt im Studium XY zukünftig nur noch 1.000 Plätze, es bewerben sich aber 1.500 deutsche und 1.500 österreichische Studierende. Statistisch gesehen werden es rund 500 Deutsche und 500 Österreicher/innen schaffen. Ausselektiert würden also nicht nur jene 500 Österreicher/innen, für die von vornherein kein Platz bestand, sondern auch jene 500 die gegenüber deutschen Kolleg/innen den Kürzeren zogen. Was passiert wenn sich in drei Jahren 3.000 Deutsche und 1.500 Österreicher/innen bewerben? Werden dann nur noch jene 250 Österreicher/innen die sich statistisch gesehen durchsetzen aufgenommen? Oder werden, wie beim Medizinstudium Österreich-Kontingente vergeben, die 75% der Plätze für heimische Studierende sichern? Und wird diese Regelung vor dem EuGH halten?
Natürlich verbessern sich die Studienbedingungen wenn man mit einem Schlag nur noch halb so viele Leute aufnimmt wir zuvor. Das Problem mit den deutschen Studierenden wird damit keinen Falls gelöst. Ein 80-Millionen-Staat mit Numerus Clausus und gleicher Sprache wie sein 8-Millionen-Nachbar, wo dieser Numerus Clausus keine Gültigkeit hat, kann sein universitäres Knappheitsproblem nicht einfach auslagern. Das Problem kann nur Deutschland lösen, indem es entweder für seine eigene studienwillige Bevölkerung Plätze in Deutschland zur Verfügung stellt, oder indem es der Republik Österreich für jeden Studierenden eine Pauschale zahlt. Sollte man bilateral zu keiner Einigung kommen, sollte die EU das Problem im Sinne Österreichs lösen. Überhaupt zeigt der Fall, dass die Universitätspolitik auf europäischer Ebene besser aufgehoben wäre.
Anmerkung 2: Aufnahmetests sind schlimmer als Studiengebühren
Werner Faymann besteht auf der Nicht-Wiedereinführung der Studiengebühren, spricht sich aber für andere Zugangsbeschränkungen aus. Die Prioritäten sollten genau umgekehrt gesetzt werden. Studiengebühren sind vor allem eine Hürde für Kinder von Eltern aus bildungsfernen Schichten, die sich von vornherein nicht so richtig auf die Uni trauen. Das sind Aufnahmetests aber auch. Wer sich aber einmal entschieden hat zu studieren, dem erschweren die Studiengebühren zwar die Existenz, sie bringen einen aber nicht um. Aufnahmetests und Platzbeschränkungen bedeuteten definitiv das Aus für den Studienwunsch und sind somit die brutalste und am meisten abzulehnende Hürde. Hinzu kommt, dass mit der Matura bzw. dem Abitur bereits ein Aufnahmetest besteht, der ohnehin schon sozial selektiert.
Anmerkung 3: Eine „sanfte Lenkung“ kann das Problem abschwächen
Eine öffentliche Finanzspritze für die Unis wird das Problem alleine nicht lösen, damit hat Faymann Recht. Tatsächlich gibt es nicht zu viele Studierende, sondern einen zu großen Andrang in einigen Fächern, z.B. in Betriebswirtschaft, Medizin, Psychologie, Architektur, Publizistik und Politikwissenschaft. Andere Studienrichtungen sind hingegen unterbesetzt, so etwa einige naturwissenschaftliche und technische Fächer, aber auch beispielsweise Volkswirtschaft. Mittels einer „sanften Lenkung“, könnte man versuchen die Attraktivität der weniger beliebten aber gesellschaftlich stärker gewollten Fächer zu erhöhen und jene der sehr populären Studienrichtungen zurückzudrängen. Dass gerade die großen Sozialwissenschaften den Schwierigkeitsgrad eines Volkshochschulkurses nicht übertreffen, ist natürlich ein fataler Anreiz. Ich plädiere in völlig überlaufenen Fächern für eine anspruchsvolle Studieneingangsphase. Man soll die Leute gleich zu Beginn ordentlich fordern damit sie sich klar werden, ob ihnen dieses Studium den Aufwand wert ist. Die „Knock-out“ Prüfung im Rahmen einer kniffligen Studieneingangsphase ist im Gegensatz zu Platzbeschränkungen mit Aufnahmetests oder zum irrwitzigen Numerus Clausus immer noch die fairste und freundlichste Hürde. Sie begrenzt nicht die Anzahl an Leuten, sondern verlangt nur einen besonderen Einsatz. Schaffen können es aber alle, wenn sie sich entsprechend anstrebern. Wer es wirklich will, wird durch keine Platzbeschränkungen behindert. Außerdem ist die Eingangsphase kostengünstig, weil man ein bis zwei Semester nichts anbieten muss als große Vorlesungen und Massenklausuren. Außerdem wären die Vorlesungen innerhalb der Sozialwissenschaften ähnlich bis identisch. Auf der anderen Seite sollten in Fächern die zu wenig Zulauf haben besonders günstige Studienbedingungen ohne Eingangsphase, sowie eventuelle Zusatzstipendien angeboten werden. Damit soll eine sanfte Lenkung hinzu Technik, Naturwissenschaften und anderen unterbesetzten Studienrichtungen eingeleitet werden.
Anmerkung 4: Zwei Fliegen auf einen Schlag
In den großen Sozialwissenschaften hätte die Studieneingangsphase einen wünschenswerten Nebeneffekt. Die Qualität der Ausbildung in Fächern wie Politikwissenschaft, Soziologie oder Publizistik ist zumindest an der Universität Wien gelinde gesagt gering. Einige Unilehrende sind einfach extrem bequem und heilfroh, den Unterricht auf Referat auslagern zu können. Diese, oft katastrophal schlecht strukturierten und in der Regel todlangweiligen Referate der Studienkolleg/innen, sind ebenso Beurteilungsgrundlage wie die Abschlussarbeit zum Referatsthema. Letztere wird zwei Tage vor der Deadline hektisch niedergeschrieben. Wer sich nicht offensichtlich dumm anstellt bekommt jedenfalls ein Gut. Mit Massenklausuren am Studienbeginn wäre garantiert, dass sich die Studierenden zumindest in der Studieneingangsphase einmal ordentlich in eine Materie einlesen. Außerdem wird ein „Common Body of Knowledge“ geschaffen, eine inhaltliche Grundlage die ermöglicht, dass es ein gemeinsames Terrain gibt auf dem sich alle überblicksmäßig auskennen. Wenn für die Prüfungsliteratur dann auch noch Originaltexte verwendet werden, wird die inhaltliche Sinnhaftigkeit der Eingangsphase endgültig evident.
Anmerkung 5: Keine Angst vor Bildungsmigration aus Deutschland oder sonst woher
Die Bildungsmigrant/innen sind endlich einmal Zuwanderer/innen, deren künftige Qualifikation zweifelsfrei feststeht. Österreich und vor allem Wien sollten die Chance nützen sich als Bildungsland bzw. Bildungsmetropole in Europa zu profilieren. Das wird langfristig de facto nur Vorteile bringen. Selbst wenn ein beachtlicher Prozentsatz der Ausländer/innen nach dem Studium seine Arbeitskraft anderswo als in Österreich einsetzen sollte, die meisten der fertigen Akademiker/innen werden immer mit Österreich in Verbindung bleiben. Sie werden ein zumindest europaweites Netzwerk bilden, das noch vielen österreichischen Studierenden und Akademiker/innen zu Gute kommen wird.
Eine bilaterale oder von der EU vermittelte Lösung mit Deutschland, eine ordentliche Finanzspritze seitens der Republik Österreich sowie eine Politik der „sanften Lenkung“ sollten als Maßnahmenset reichen, um die Zugangsproblematik an den heimischen Unis zu lösen.
Die deutschen Studenten sind es eh nicht. Siehe Langzeitvergleich : Druckfrische Statistik online: Deutsche Studenten in Österreich
http://maerkzettel.blogspot.com/2009/10/druckfrische-statistik-online-deutsche.html