Betreff: Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzdauer
Von Christian Forsterleitner, Thomas Gegenhuber, Manuela Hiesmair, Jakob Huber und Rebecca Kampl*
Liebe Christa,
Einem Bericht der ORF-Futurezone war zu entnehmen, dass Du „froh“ über den „vernünftigen Kompromiss“ bei der Regelung der urheberrechtlichen Schutzdauer von Tonaufnahmen bist. Auf den ersten Blick mag es vielleicht wirklich so aussehen, als ob die nun beschlossene Verlängerung von 50 auf 70 Jahre weniger als die von der EU-Kommission geforderte Verlängerung auf 95 Jahre und damit ein Kompromiss ist. Das ist aber leider keineswegs so. Im Gegenteil, es ist die Fortsetzung eines unzeitgemäßen und einseitigen Kurses im Bereich der Urheberrechtsregulierung.
Denn die kontinuierliche Verschärfung und Erweiterung von Urheberrechten ist spätestens im digitalen Zeitalter mit ständig kürzer werdenden Verwertungszyklen nicht nur ein Anachronismus, sondern ein Bremsklotz für Kreativität und wirtschaftliche Entwicklung:
- Obwohl 90 Prozent aller Werke nach 10 Jahren nicht mehr kommerziell verwertbar sind, bleiben 100 Prozent aller Werke urheberrechtlich geschützt und stehen deshalb nicht zur Gestaltung neuer Werke zur Verfügung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Abklärung der Rechte unmöglich oder teurer als etwaige Lizenzgebühren ist.
- Obwohl eine Verlängerung der Schutzfrist für existierende Werke fast ausschließlich den Monopolprofiten der Rechteverwerter zu Gute kommt und sowohl jungen KünstlerInnen als auch KonsumentInnen schadet, wurde die Schutzfrist immer wieder von ursprünglich 14 Jahren auf inzwischen 70 Jahre verlängert.
- Obwohl neue Technologien wie das Internet die Produktion und Distribution digitaler Güter so einfach und kostengünstig wie nie zuvor machen, erschwert das bestehende Urheberrecht diese Potentiale für offenen und freien Zugang zu Wissen zu nutzen.
- Obwohl im 21. Jahrhundert die Grenze zwischen SchöpferInnen und KonsumentInnen in Gemeinschaftsprojekten wie Wikipedia und Freier Software verschwimmt, orientiert sich das bestehende Urheberrecht nur am überholten Modell analoger Massenkonsumkultur.
Die Position, dass der urheberrechtliche Schutz eher zu hoch als zu niedrig und die Schutzfristen zu lange sind, wurde auch kürzlich erst in einer Deklaration (Liste der UnterzeichnerInnen) bzw. einer Stellungnahme von namhaften Urheberrechtsjuristen des Münchner Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht vertreten.
Alternatives Urheberrecht: Creative Commons & Co
An Stelle durch ständige Verschärfungen im Urheberrecht überkommene Geschäftsmodelle auf Kosten der KünstlerInnen und der KonsumentInnen aufrecht zu erhalten, müsste sich eine sozialdemokratische Urheberrechtspolitik des 21. Jahrhunderts den Alternativen zuwenden. So hat sich in den letzten Jahren eine Gegenbewegung formiert, die nicht bei der Kritik des bestehenden Urheberrechtsregimes haltmacht, sondern konkrete Alternativen auf Basis des bestehenden Urheberrechts vorschlägt. Alternative Urheberrechtslizenzen wie Creative Commons wenden das restriktive Urheberrecht gegen sich selbst, indem sie freien Austausch und Remix fördern anstatt ihn zu beschränken. Zum Einsatz kommen diese und ähnliche Lizenzen in den verschiedensten Anwendungsbereichen, die auch für kommunale Politik große Relevanz besitzen. Einige Beispiele:
- Freie und Open Source Software wie Firefox, OpenOffice oder Linux ist durch alternative Urheberrechtslizenzen geschützt. Städte wie München führen vor, dass sich mit ihrem Einsatz nicht nur Kosten und Abhängigkeit von einzelnen Herstellern reduzieren lassen, sondern auch die lokale Wirtschaft gefördert werden kann.
- Alternativ lizenzierte Lehrunterlagen („Open Courseware“) ermöglichen sowohl Selbststudium als auch die kollaborative Nutzung und Weiterentwicklung durch Lehrende. Initiiert vom Massachusetts Institute of Technology (ocw.mit.edu) haben sich Universitäten auf der ganzen Welt im Open Courseware Consortium zusammengeschlossen um Lehrmaterialen offen und frei zugänglich zu machen.
- Auch Open Access Initiativen für freien Zugang zu wissenschaftlichem Wissen verwenden alternative Urheberrechtslizenzen. Die „Berliner Erklärung“ für Open Access wurde von nahezu allen großen Wissenschaftsorganisationen im deutschsprachigen Raum wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planckgesellschaft oder dem österreichischen FWF unterzeichnet.
- In allen Bereichen künstlerischer Aktivität – von Musik über Fotografie bis hin zu Literatur – verwenden KünstlerInnen bereits freie Lizenzen. Dadurch vergrößern sie automatisch den Pool an Werken, auf denen andere ohne Schwierigkeiten aufbauen können und gewährleisten breiteren Zugang. Ein gesellschaftlicher Zusatznutzen, dem in Linz seit 01.01.2009 durch einen Bonus von 10 Prozent auf eine gewährte Förderung bei Verwendung einer freien Lizenz Rechnung getragen wird (siehe freienetze.at).
- Hinzu kommt eine ständig wachsende Vielzahl an Projekten wie Wikipedia oder Open-Street-Map, die auf Basis freier Lizenzen und einer weltweiten Community von Beitragenden eine ständig wachsende, digitale „Wissensallmende“ schaffen. Eine Wissensallmende, die Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle und Wirtschaftswachstum bietet, ohne gleichzeitig freien Zugang zu Werken auszuschließen.
Wir, die jungen GemeinderatskandidatInnen der Linzer SPÖ ersuchen Dich deshalb, Deine Haltung zur Verlängerung urheberrechtlicher Schutzfristen zu überdenken. Mehr noch fordern wir eine grundsätzliche Umkehr im Bereich der Urheberrechtsregulierung. Für Fragen und Diskussionen stehen wir Dir gerne zur Verfügung.
Mit freundschaftlichen Grüßen,
GR Christian Forsterleitner, Thomas Gegenhuber, Manuela Hiesmair, Jakob Huber, Rebecca Kampl
* Die AutorInnen sind KandidatInnen der SPÖ zur Wahl für den Linzer Gemeinderat 2009
Was ich bei der Geschichte überhaupt nicht verstehe, ist, warum sich hier die SPÖ-Position binnen 3 Monaten um 180 Grad gedreht hat. Denn im Januar war die nämlich laut futurezone noch folgende:
„‚Schutzrechte dienen in jedem Fall der Erhöhung der Verkaufspreise, denn ansonsten wären sie ohnehin obsolet‘, argumentierten etwa der Urheberrechtsexperte Martin Kretschmer und der Kulturökonom Paul Stepan im vergangenen Juli im Interview mit ORF.at. Das ist auch ein Grund dafür, dass die SPÖ-Delegation die Verlängerung der Schutzfristen ablehnt. Gegen die Verlängerung spreche die Verteuerung für Konsumenten, hieß es aus dem Büro von SPÖ-Delegationsleiterin Berger.