Die FPÖ fordert „Notgesetze“, um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Eine entsprechende Resolution hat der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender am Wochenende verabschiedet. FPÖ-Chef Heinz Strache geriert sich ungeachtet dessen als Held des kleinen Mannes.
Christoph Baumgarten
Den Freiheitlichen ist Österreich offenkundig zu demokratisch. Der RFW fordert, dass sich das Parlament selbst ausschaltet und die Gewerkschaften obendrein. Die Auszüge aus der Resolution „Vertrauenskrise in die Politik verlangt nach Notgesetzgebung!“ des Bundesvorstands der freiheitlichen Wirtschaftsorganisation stammen nicht aus dem Jahr 1933. Dieses Dokument datiert mit März 2009:
„Aufgrund der nicht mehr reparierbaren Vertrauenskrise in die Politik verlangen wir vom Parlament den Beschluss eines Notgesetzes. Den Betrieben muss erlaubt sein, eigenständig und ohne Einfluss der Sozialpartner und der Politik, einzig und allein im Einvernehmen mit allen im Betrieb Betroffenen, maßgeschneiderte Überlebensstrategien zu treffen und umzusetzen“.
„Denn genau dort wird der Überlebenskampf geführt. An dieser Front müssen die Entscheidungen getroffen werden und nicht in den Tintenburgen der Verwaltung und der Politik“.
„Wir können den Wirtschaftsstandort nur dann nachhaltig sichern, wenn wir die Sozialpartner, sowie die Politik für die Dauer der Krise karenzieren, damit nicht noch mehr Unheil angerichtet wird“. (Quelle: www.rfw.at)
Soll heißen: Die ArbeiternehmerInnen sind schuld, dass es den heimischen Unternehmen so schlecht geht. Sollen sie nicht mehr so gierig sein und gefälligst zufrieden damit sein, die Krise bezahlen zu dürfen. Weder Freiheitliche Arbeitnehmer (Die gibt es wirklich. Zumindest bezeichnen sie sich als Arbeitnehmer) noch die FPÖ-Bundesleitung haben sich bisher zu dem Papier geäußert. Immerhin eine Resolution einer nicht unwichtigen Teilorganisation der FPÖ. Wer schweigt, stimmt zu.
Ist es Zufall, dass die Freiheitlichen in einer Wirtschaftskrise nach bekannter Rhetorik greifen? „Notgesetzgebung“ erinnert nach Namen und Inhalt stark an das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz und das deutsche Ermächtigungsgesetz. „Tintenburg“, „Überlebenskampf“, „Front“, „Vertrauenskrise in die Politik“ sind als Begriffe denkbar ungeeignet um diesen Eindruck zu zerstreuen.
Die FPÖ fordert nichts anderes als eine Diktatur auf Zeit (© akin.mediaweb.at). Die Politik soll sich in den Bereichen heraushalten, die das Leben der Menschen in den nächsten Monaten und im schlimmsten Fall in den nächsten Jahren am entscheidensten prägen werden: Bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes, bei der Verhinderung von Lohndumping, beim Aushöhlen sozialer Standards. Kurzum: Bei allem, was die Menschen brauchen und bei allem, was die Wirtschaft in diesem Land in irgendeiner Form am Leben erhalten wird. Die Freiheitlichen fordern unverblümt die grenzenlose Ausbeutung der Lohnabhängigen und bedienen sich der Wirtschaftskrise als Ausrede. Die Forderung, alles müsse „im Einvernehmen mit allen im Betrieb Betroffenen“ geschehen, ist nichts als Behübschung dieses Umstandes. Wenn Massenarbeitslosigkeit droht, werden viele Lohnabhängige mit schmerzhaftesten Lohnkürzungen einverstanden sein, nur um ihren Arbeitsplatz zu behalten. Oder sie werden bereit sein, 60 Stunden zu arbeiten statt 40. Und die Arbeiterinnen und Arbeiter sollen keine Möglichkeit haben, sich zu wehren. Gewerkschaften und Arbeiterkammern sollen laut den Forderungen der Freiheitlichen ja ausgeschalten werden. Zumindest auf Zeit. Ist die Wirtschaftskrise vorbei, wird der RFW mit Sicherheit befinden, Gewerkschaften und Arbeiterkammern seien überflüssig, es ginge eh allen gut. Dass mit „allen“ im freiheitlichen Sinn nur die besitzende Klasse gemeint ist, sollte spätestens seit dieser Resolution jedem denkenden Menschen klar sein.
Dass ein Heinz Strache, der um die Stimmen der ArbeiterInnen buhlt, das so nicht sagen wird, ist klar. Er versteckt den freiheitlichen Ruf nach der Diktatur des Kapitals hinter der Forderung, es müsse eine 5-Milliarden-Entlastung für die ArbeitnehmerInnen geben. Das dürfte ein Bruchteil dessen sein, was die UnternehmerInnen ihren ArbeitnehmerInnen gemäß den Forderungen seiner eigenen Partei wegnehmen würden.
Dass die eine Hälfte der Partei das Gegenteil dessen betreibt, was die andere Hälfte scheinbar (nicht anscheinend) fordert, sollte bei den Freiheitlichen spätestens seit der schwarz-blauen Koalition wenig überraschen. Überraschend ist bei dieser Resolution eher, wie viel ökonomischer Unsinn auf eine Seite passt. Lohnkürzungen und eine längere Arbeitszeit, arbeitsrechtliche und soziale Errungenschaften abzuschaffen, die Selbstausschaltung der Politik – das ist das beste Mittel, diese Krise zu verschärfen. Es mag den Einzelinteressen mancher Unternehmer entsprechen, die Lohnkosten zu senken um den Profit auch bei sinkenden Umsätzen zu steigern. Volkswirtschaftlich ist das Gift. Es würde unweigerlich zu Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut führen. Die Kosten der öffentlichen Haushalte würden explodieren, was andere Konjunkturmaßnahmen wie Infrastrukturpakete unleistbar machen würde. Der Binnen-Konsum würde wegbrechen, was unsere Nachbarstaaten, wenn auch in weitaus geringerem Ausmaß, ebenfalls unter Druck bringen würde. Machen die das gleiche wie in Österreich, bricht auch die Nachfrage nach Investitionsgütern weg. Das würde die ebenfalls schwer in Bedrängnis befindliche heimische Exportindustrie massenweise in die Pleite treiben. Der Tourismus würde zusammenbrechen. Neue Arbeitslose würden auf der Straße stehen, verelenden, der Staat wäre endgültig pleite. Was das für die Kriminalität bedeuten würde, braucht man nicht zu sagen. Das letzte Mal, als eine österreichische Regierung so auf eine Wirtschaftskrise reagierte, hat das die zitierten Folgen gehabt. Das führte schnell und unweigerlich in den Faschismus. Das gleiche passierte in Deutschland.
Das einzige, was aus dieser Krise führen kann und einer Vertrauenskrise in die Politik vorbeugen kann, ist, die Massenkaufkraft zu stärken. Und die Krise als Druckmittel zu begreifen, um die immer schlechter werdende Lohnverteilung deutlich zu verbessern. Kurzum: Einzig ein deutlich sozialdemokratisches Paket kann helfen. Das Arbeitslosengeld muss steigen. Atypisch und prekär Beschäftigte müssen besser sozial abgesichert werden. Es muss dringend darüber diskutiert werden, die Arbeitszeit zu verkürzen. Das würde einer indirekten Lohnsteigerung gleichkommen (von der die Betroffenen allerdings erst beim Aufschwung profitieren) und wäre die Basis für eine schnelle Umverteilung, sobald die Rezession vorbei ist. Das muss jetzt diskutiert, vermittelt und durchgesetzt werden. Eine sozialdemokratische Partei, die es in einer Wirtschaftskrise nicht schafft, das ökonomische und politische Ungleichgewicht zugunsten der Lohnabhängigen zu verändern, hat keine Existenzberechtigung. Und es wird unerlässlich sein, über eine Vermögenssteuer zu diskutieren. Die Kosten für die Krise müssen von denen bezahlt werden, die von diesem Wirtschaftssystem profitiert haben, in der Krise profitieren und nach ihrem Ende profitieren werden. Das sind mit Sicherheit nicht die Lohnabhängigen.
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