Es ist erstaunlich, dass 8.000 DemonstrantInnen die in Wien für den türkischen Premierminister Erdogan auf die Straße gehen, in breiten Schichten der Gesellschaft Unbehagen auslösen. Für viele ist endlich der Beweis erbracht, dass die Türkinnen und Türken in Wien keine liberalen und republikanischen VerfechterInnen von Meinungsfreiheit und Rechtsstaat sind. Unabhängig davon, dass dieses Bild völlig undifferenziert ist wird vor allem übersehen, wie die autochthone Bevölkerung denkt. Deren Einstellungen sind nämlich alles andere als ein Kinderfasching, wie eine Wertestudie aus dem Jahr 2009 zeigt.
Ein Fünftel der Bevölkerung kann sich sehr oder ziemlich gut vorstellen, einen starken Führer zu haben, die Hälfte ist der Auffassung ein wesentliches Ziel für Österreich sei es Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. 43 Prozent meinen man solle AusländerInnen jegliche politische Betätigung untersagen, 49 Prozent würden AusländerInnen zurückschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden, 31 Prozent wollen keine Muslime als Nachbarn.
Beim Vertrauensindex von 17 abgefragten Institutionen liegt die Polizei auf Platz 2 und das Bundesheer auf Platz 6. Hingegen liegt die UNO auf Platz 12, die EU auf Platz 13 und die Gewerkschaft auf Platz 14.
Alles was mit Globalisierung und Internationalität in Verbindung steht bereitet den meisten ÖsterreicherInnen Gruseln – 73 Prozent finden an der EU negativ, dass sich durch sie die Kriminalität erhöht.
Bedenken wir noch, dass die Krone mit knapp drei Millionen LeserInnen verhältnismäßig die größte Tageszeitung der Welt ist, dass FPÖ und BZÖ gemeinsam bei der letzten Wahl fast 30 Prozent erreichten und dass die beiden Parteien plus Team Stronach in Umfragen bei deutlich über 30 Prozent liegen. Rufen wir uns die Hassentladungen in Erinnerung, die der Fall Arigona Zogaj in den Internetforen zur Folge hatte. Wer das Gesindel ins Gas schicken wollte, wurde damals auf krone.at beklatscht.
Demokratie und Rechtsstaat sind auch im Jahr 2013 noch kein Programm, das sich permanent einer Mehrheit der Bevölkerung sicher sein kann. Die türkischen Erdogan-Anhänger sind im Vergleich unser geringsten Problem.
PS:
Ich meine, auch wenn es nicht direkt zum Artikel Kowalls passt, dass Niki Kowall an wählbarer Stelle zum Nationalrat kandidieren sollte.
Gründe:
1. Mit Sonja Ablinger, die hoffentlich bald einen fixen Listenplatz bekommt (wie lange dauert das eigentlich noch!?), hat Kowall eine Verbündete im SPÖ-Klub. Das macht das Leben Ablingers leichter (die es momentan sicherlich nicht einfach hat im SPÖ-Klub) und verhindert auch, dass Kowall, wie er einmal gesagt hat, vom Klub „aufgefressen“ wird.
2. Die SPÖ traut sich, glaube ich, nicht mehr so leicht einer Politik zuzustimmen, die mit den sozialdemokratischen Werten unvereinbar ist (Fiskalpakt, Grausamkeiten im Asylbereich, …). In der SPÖ hat es, so mein Eindruck, einen leichten Wandel gegeben.
3. Wenn die SPÖ wieder einer Politik zustimmen sollte, die mit den sozialdemokratischen Werten absolut unvereinbar ist und Kowall und Ablinger dagegenstimmen, dann kann das Kowall und Ablinger egal sein, wenn der Klub wütend auf sie ist, denn sie haben die Mehrheit der Bevölkerung und die SPÖ-Basis auf ihrer Seite. Die SPÖ wird es auch nicht wagen, Kowall und Ablinger bei der nächsten Wahl auf einen unwählbaren Listenplatz zu setzen, wenn Kowall und Ablinger die Mehrheit der Bevölkerung und die SPÖ-Parteibasis auf ihrer Seite haben.
Dem Artikel kann ich nur zustimmen!