Nach 2019 nimmt die SPÖ Wien einen weiteren Anlauf zu einer grundlegenden Reform des Wiener Parteistatuts. Damals wurden die Vorschläge aufgrund einer sich abzeichnenden Ablehnung am Landesparteitag wieder zurückgezogen. Drei Jahre später liegt ein neues Reformpaket vor, das sich aber inhaltlich kaum von den im Jahr 2019 vorgelegten Vorschlägen unterscheidet.
Dass nun kurz vor dem Landesparteitag ein Statutenänderungsantrag auf den Tisch gelegt wurde, hat viele in der SPÖ Wien völlig überrascht. Wir sehen kritisch, dass die Reformvorschläge unter Ausschluss der Parteiöffentlichkeit ausgearbeitet wurden. So ist es jetzt kaum noch möglich, Alternativvorschläge für ein neues Statut auszuarbeiten. Ein breiterer und längerer Diskussionsprozess hätte wahrscheinlich zu einem besseren Ergebnis geführt.
Unsere Kritik setzt aber nicht nur am Prozess an. Auch zahlreiche der vorgelegten Vorschläge sind aus unserer Sicht problematisch. Am kritischsten ist sicherlich zu sehen, dass der Landesparteitag nur mehr alle zwei Jahre stattfinden soll (und, wie man hört, mehr einen „Showcharakter“ bekommen soll) und die Beschlussfassung über Anträge in die „Wiener Konferenz“ verschoben werden soll, in der kritische Stimmen deutlich geschwächt sind.
Inhalt
Wenig Spielraum für innerparteiliche KritikerInnen (§ 1)
So wird gleich zu Beginn ein Passus eingefügt, dass Mitglieder keine Aktionen gegen die „im demokratischen Willensbildungsprozess festgelegte Politik der SPÖ“ durchführen dürfen. Wenn man diese Regelung wörtlich nimmt, wird der Spielraum für innerparteiliche Kritik massiv eingeschränkt und eine dadurch induzierte Änderung von inhaltlichen Positionierungen massiv erschwert. Streng genommen wären somit Kampagnen, die die derzeitige Beschlusslage ändern sollen, statutenwidrig!
Einschränkung der Autonomie von Sektionen (§ 3)
Der Bezirksausschuss soll in Zukunft Sektionen gründen, teilen und zusammenführen können. Selbst die Existenz einer Sektion soll zukünftig durch den Bezirksausschuss beendet werden können. Explizit auch „aus politischen Gründen„. Ein Mitspracherecht der betroffenen Sektionen wird allerdings nicht festgeschrieben. Wir halten es für höchst problematisch, wenn der Bezirksausschuss erweiterte Möglichkeiten bekommen soll, in die Autonomie der Sektionen einzugreifen. Besonders kritische Sektionen würden somit permanent von der Zwangsauflösung bedroht.
Verlängerung der Wahlperiode auf Sektionsebene (§ 6)
Durch die Reform wird die Wahlperiode für Sektionen fix mit zwei Jahren festgesetzt. Bisher war eine einjährige Wahlperiode auf Sektionsebene festgelegt, allerdings mit der Möglichkeit der Bezirkskonferenz, diese durch Beschluss auf 2 Jahre zu verlängern. Sektionen werden somit daran gehindert, regulär jedes Jahr Wahlen abzuhalten, wenn sie das möchten. Gerade neue Mitglieder haben dadurch nun seltener die Möglichkeit, in Funktionen auf Sektionsebene Verantwortung für die Partei zu übernehmen. Zur Umgehung dieser neuen Regel muss sich der Sektionsausschuss nun jährlich „vorzeitig auflösen“, wenn eine jährliche Wahl gewünscht ist. Eine Beibehaltung der bisherigen Regelung wäre unserer Meinung nach sinnvoll.
Erschwerung der Einberufung einer außerordentlichen Bezirkskonferenz (§ 13)
Bisher kann ein Drittel der Sektionen die Einberufung einer Bezirkskonferenz verlangen. Das ist eine Hürde, die man bei Bedarf nehmen kann. Nach der Reform benötigt man ein Drittel der Parteimitglieder für die Einberufung. Angesichts des Missverhältnisses zwischen (wenigen) aktiven AktivistInnen und (relativ vielen) „Karteileichen“ scheint es extrem schwierig, so viele Unterschriften zu sammeln.
Wiener Konferenz als Ersatz für Landesparteitag (§§ 28-33)
Die wesentlichste Änderung der Statutenreform ist, dass der Wiener Landesparteitag nicht wie bisher jährlich, sondern nur mehr jedes zweite Jahr abgehalten wird. An seine Stelle soll eine jährlich tagende Wiener Konferenz treten. Die Durchführungsbestimmungen und Fristenläufe dieser Konferenz werden vom Wiener Ausschuss beschlossen. Das gibt der Parteiführung großen Spielraum bei der Ausgestaltung der Konferenz. Ungeklärt ist damit auch die Frage, ob auch Wiener- Konferenzen ebenso wie Landesparteitage öffentlich stattfinden würden.
Wir halten diese Änderung aus verschiedenen Gründen problematisch:
Hinter verschlossenen Türen lassen sich kritische Vorschläge leichter „abdrehen“ als auf einem öffentlichen Parteitag. Zudem ist auch die Zusammensetzung der beiden Gremien sehr unterschiedlich: Aufgrund seiner Größe nehmen am Landesparteitag nicht nur die führende FunktionsträgerInnen und MandatarInnen teil, sondern auch viele VertreterInnen der Sektionen, die sonst in keine weitreichenden politischen Entscheidungen eingebunden sind.
Auf der Wiener Konferenz ist der Anteil der von den Bezirksorganisationen und Vorfeldorganisationen gewählten Delegierten im Vergleich zu den „höherrangigen“ FunktionsträgerInnen geringer. Auch deren absolute Zahl ist mit mindestens 150 statt 600 deutlich geringer als auf einem Landesparteitag. Dies führt auch dazu, dass Sektionen aus kleineren Bezirksorganisationen auf der Konferenz gar nicht mehr vertreten sein werden.
Während die Mitglieder des Wiener Ausschusses, also die Parteiführung, sowohl bei Jahresparteitag als auch bei Konferenz in voller Stärke mit dabei sind, sind die VertreterInnen der Bezirke und der GewerkschafterInnen bei der Wiener Konferenz nur mehr zu einem Viertel vertreten, VertreterInnen der wichtigsten sozialdemokratischen Organisationen nur mehr zu einem Sechstel und andere Organisationen überhaupt nicht mehr.
Diese sehr unterschiedliche Zusammensetzung bedingt auch, dass auf der Konferenz andere Mehrheitsverhältnisse als auf dem Landesparteitag herrschen. Es ist anzunehmen, dass hier seltener zu Beschlüssen kommt, die der Parteiführung missfallen.
Was tun?
Informiere dich!
Du kannst hier den gesamten Statutenentwurf im Vergleich mit der bisherigen Fassung downloaden!
Vernetze dich!
Diese “Reform” würde massive Verschlechterungen für viele Teile der SPÖ Wien bringen: Kleine Bezirke, Jugendorganisationen, Vorfeldorganisationen und kritische Geister. Informiere andere Betroffene über die drohenden Maßnahmen!
Sei laut!
Am Montag, 2.5. haben alle Delegierten zum Landesparteitag bei einer Online-Veranstaltung die Möglichkeit der Landespartei, ihre Meinung zur Statutenänderung kund zu tun. Melde dich an!
Auch bei der Antragskonferenz am 14.5. wird der Statutenantrag (wie auch alle anderen Anträge) mit der Landesparteiführung diskutiert! Nutze die Chance!
Die Statutenänderung braucht eine ⅔-Mehrheit beim Landesparteitag. Wenn wir am 28.5. auch nur ein Drittel kritische Geister mobilisieren können, können wir das verhindern!
Für eine echte Statutenreform: Demokratisierung & Öffnung
Dabei wäre eine echte Reform der Wiener SPÖ-Statuten dringend erforderlich, allerdings mit einer gänzlich anderen Ausrichtung: Vorwahlen für den Gemeinderat und die Bezirksvertretungen, Direktwahlen für alle Parteifunktionen sowie eine bessere Abbildung von Minderheitenpositionen – zum Beispiel durch Verhältniswahlen – wären Schritte in die richtige Richtung. Auch eine Reform des Landesparteitags halten wir für absolut notwendig: So könnten die Delegierten zu Beginn des Parteitags beschließen, welche der vorliegenden Anträge sie prioritär in einer umfangreichen Debatte behandeln möchten.
Wir haben unsere Forderungen dazu auch in einem Papier sowie übersichtlich in 10 Punkten zusammengefasst.
Die SPOe muss demokratischer, Kritik gefoerdert werden.
Wieso kommt das, auch auf den S8 Seiten, so leise daher?
Ich bin heute leider nicht dabei (Krankheitsausjlang), finde es aber wert, vorm Rathaus laut angesprochen zu werden! Wirkt ja manchmal
Peter