Die historische Beziehung von Sozialdemokratie und FPÖ ist enger, als sich in der SPÖ derzeit viele eingestehen wollen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Geschichte zeigt schnell, dass Historisierung in der aktuellen Debatte kaum weiterhilft. Die SPÖ muss sich Grundsatzfragen stellen. Sie muss ihre Beziehung zur FPÖ neu definieren. Und sie muss die Parteibasis miteinbeziehen.
Andreas Handler*
Schon 1949, bei der Gründung des VdU (Verband der Unabhängigen), der Vorgängerpartei der FPÖ, spielte die SPÖ eine wichtige Rolle. Der rote Innenminister Oskar Helmer und viele andere in der Partei waren überzeugt davon, dass man mit der Gründung einer vierten Partei die ÖVP schwächen könnte. So wurde das Projekt, eine politische Vertretung für ehemalige Nationalsozialisten ins Leben zu rufen, von Anfang an von der SPÖ unterstützt. Schon bei der zweiten Wahl nach der Befreiung Österreichs, 1949, konnte die neue Partei antreten. Auf Anhieb erreichte sie deutlich über 11% und landete damit einen enormen Erfolg. Das Kalkül der SPÖ ging in keiner Weise auf. Schnell zeigte sich, dass ÖVP und SPÖ etwa gleich viele Stimmen verloren hatten. Von einer Schwächung des bürgerlichen Lagers konnte keine Rede sein. Im Gegenteil: In der österreichischen Politik war es zu einem deutlichen Rechtsruck gekommen.
Fortan galt das so genannte dritte – nämlich (deutsch-)nationale – Lager als das Zünglein an der Waage in der österreichischen Innenpolitik. Vor allem die SPÖ setzte strategisch immer wieder auf Kooperationen mit der (ab 1956) FPÖ. Beim fulminanten Wahlsieg der SPÖ unter Bruno Kreisky 1970, als die absolute Mehrheit der ÖVP gebrochen werden konnte und die Sozialdemokratie erstmals in der zweiten Republik eine (relative) Mandatsmehrheit erreichte, wurde diese Strategie erstmals schlagend. Nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP begannen Kreisky und andere in der SPÖ an die in Österreich sehr ungewöhnliche Idee einer Minderheitenregierung zu denken. Doch auch in diesem Fall war parlamentarische Unterstützung notwendig.
Sowohl SPÖ als auch FPÖ hatten schlechte Erfahrungen mit dem nach 1945 geltenden Wahlrecht gemacht. Die SPÖ hatte bei Nationalratswahlen bereits zweimal die meisten Stimmen erhalten, wurde auf Grund der geltenden Mandatsverteilung aber dennoch nur Zweite. Kleinparteien wie die FPÖ und die KPÖ hingegen litten darunter, für ein einziges Mandat gut doppelt so viele Stimmen wie die beiden Großparteien zu benötigen. Kreisky dürfte rasch klar gewesen sein, dass es hier gemeinsame Interessen gab. Er begann mit der FPÖ über die Unterstützung einer SPÖ-Minderheitenregierung zu verhandeln.
Inhalt
Beide Parteien profitierten vom neuen Wahlrecht
Die FPÖ war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor ein Sammelbecken ehemaliger NSDAP-Mitglieder bzw. Nationalsozialisten. Als Kleinpartei mit meist 5-6% der Stimmen vertrat sie offen und deutlich eine deutschnationale Politik. Geführt wurde die Partei zu diesem Zeitpunkt von Friedrich Peter, einem ehemaligen SS-Obersturmführer, der nach dem Krieg verhaftet wurde und als Schwerstbelasteter galt. Mit ihm begann Kreisky zu verhandeln. Die beiden waren sich schnell einig. Mit dem Ziel, das Wahlrecht zu reformieren unterstützte die FPÖ fortan die Minderheitenregierung der SPÖ. Das sorgte für Aufsehen. Verschleiert werden darf aber ebenso wenig, dass auch in der SPÖ, insbesondere im BSA, ein nicht geringer Anteil ehemaliger NationalsozialistInnen aktiv war. Diese machten auch in der Partei Karriere, mehrere wurden im Laufe der 1970er Jahre zu Ministern ernannt. Johann Öllinger, 1970 von Kreisky zum Landwirtschaftsminister gemacht, war ehemaliger SS-Untersturmführer. Das sorgte bereits 1970 für großes Aufsehen und Diskussionen. Öllinger trat nach drei Wochen als Minister zurück.
In der Folge konnten beide Parteien vom neuen Wahlrecht profitieren. Für die SPÖ war ein wichtiger Grundstein für die absoluten Mehrheiten der folgenden Legislaturperioden gelegt. Die FPÖ konnte trotz ähnlicher Wahlergebnisse wie bei vorhergehenden Wahlen ihre Mandate fast verdoppeln.
Nach Verlust der absoluten Mehrheit 1983 spielte die Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ wieder eine bedeutende, diesmal jedoch viel tiefergehende Rolle. Um einer großen Koalition mit der ÖVP aus dem Weg zu gehen, wurde unter Kanzler Sinowatz eine Koalition mit der FPÖ gebildet, die darin auch drei Ministerposten erhielt. Zwar gab sich die FPÖ unter ihrem Obmann und Vizekanzler Norbert Steger nach außen zu diesem Zeitpunkt als liberale Partei, der nationale Flügel war aber nach wie vor stark präsent. In der Partei brodelte es, die Folgen sind bekannt: 1986 putschte der Rechtspopulist Jörg Haider gegen Steger und wurde neuer Parteiobmann der FPÖ. Kanzler Vranitzky beendete die Koalition und ließ Neuwahlen ausrufen.
Kurswechsel unter Vranitzky
Damit trat die Beziehung der SPÖ zur FPÖ in eine neue Phase ein. Dem immer erfolgreicheren Rechtspopulismus der Haider-FPÖ wurde eine klare Absage erteilt. Diese Entwicklung ist nur durch zeithistorische Hintergründe zu verstehen. Mit enormer Verspätung stieg die Sensibilität zu Fragen des Nationalsozialismus Mitte der 1980er Jahre auch in Österreich endlich an. Mit dem Präsidentschaftswahlkampf und der Waldheim-Affäre brachen 1986 Fragen auf, die in der österreichischen Öffentlichkeit bis dahin kaum diskutiert worden waren. Vranitzky, der erste SPÖ-Parteiobmann, der eine Koalition mit der FPÖ ausschloss, war es auch, der 1991 die Opferthese relativierte und eine Mitschuld Österreichs am Nationalsozialismus bekannte. Das stärkte auch den Antifaschismus innerhalb der SPÖ.
Gleichzeitig stieg die Ausländerfeindlichkeit in Österreich im Laufe der 1980er dramatisch an. Die Haider-FPÖ profitierte von diesem Thema, das bald viele andere relevante Fragen überlagern sollte. Für die Parteispitze der SPÖ war klar, dass mit einer rechtspopulistischen Partei keine konstruktive Zusammenarbeit möglich war und diese auch aus moralischen Gründen abzulehnen sei. Verabsäumt wurde jedoch von Anfang an, diese Beschlüsse mit der Basis auszudiskutieren und abzuklären. Je stärker und populistischer die FPÖ wurde, je massiver die Stimmenverluste der SPÖ, desto fataler wurde auch dieses Versäumnis. Inhaltliche Auseinandersetzungen sowie tiefgehende Begründungen und Erklärungen jenseits vereinfachender moralischer Floskeln, mit der FPÖ einfach nicht zu wollen, fehlten weitgehend. Denjenigen in der SPÖ, die mit Rot-Blauen Koalitionen liebäugelten, gab das Aufwind. Mit den bekannten Folgen: 2004 bildete die SPÖ in Kärnten als kleiner (!) Partner eine Koalition mit der FPÖ und wählte Haider zum Landeshauptmann. Die aktuellen Entwicklungen im Burgenland zeigen ebenfalls das massive Fehlen inhaltlicher Auseinandersetzungen.
Abstimmen über Koalitionsprogramme?
Viele dieser Entwicklungen lassen sich nicht mehr zurückschrauben. Eine parteiinterne inhaltliche Debatte über die Ausichtung der SPÖ muss daher endlich geführt werden. Die Basis muss in diese Diskussion miteinbezogen werden. Tabus darf es dabei nicht geben, alle Positionen in der Partei, auch diejenigen, die die Führungsetage fürchtet, müssen öffentlich artikuliert und ernst genommen werden. Nur eine Demokratisierung der Parteistrukturen wird eine nachhaltige Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragen und politischen Partnern ermöglichen. Zukünftig muss die SPÖ ihre Mitglieder über Koalitionen und Koalitionsprogramme abstimmen lassen. Natürlich bergen solche Abstimmungen ein großes Risiko: Was, wenn die Basis sich mit Mehrheiten für Koalitionen mit der FPÖ aussprechen wird?
Dieses Risiko muss eingegangen werden. Eine Demokratisierung der SPÖ unter regelmäßiger Miteinbeziehung der Basis ist eine der letzten Möglichkeiten, der Partei wieder inhaltliches Profil zu verleihen, sie durch Diskussionen zu repolitisieren und einen konstruktiven Meinungsbildungsprozess in Gang zu setzen. Diese Chance zu verpassen und wie momentan in der Schwebe zu bleiben ist wohl das noch viel größere Risiko.
* Andreas Handler ist Historiker und in der Arbeitsgruppe Ideologie & Geschichte der Sektion 8 aktiv.
Ueber die FPOe diskutiert die SPOe. Wenn sich aber Menschen in Not (wie zB Mobbingopfer) an sie wenden, laesst man sie im Regen stehen. Will man allen Ernstes ueber „Umvolken“ (Salzburgs Ex-FPOe-chef Schnell), ueber die ordentliche Beschaeftigungspolitik der Nazis (j. haider) diskutieren?
Guter Kommentar, aber eine „Demokratisierung der Partei“ kann nicht über eine Urabstimmung passieren. Es gibt 9 Landesparteien, die (wie sich jetzt im Burgenland gezeigt hat) ihre eigenen Interessen verfolgen und in erster Linie ihren Leuten verpflichtet sind. Die Sektion 8 vertritt eine progressive Linie, die eine Minderheitenposition innerhalb der Partei darstellt. Was „von oben“ angeordnet wird, führt man aus. So funktioniert die derzeitige SPÖ und daran wird auch eine Urabstimmung nichts ändern.
Demokratisierung kann nur auf unterster Ebene beginnen und eine Urabstimmung ändert nichts an der Denkweise vieler Funktionäre und schon gar nicht bei vielen Mitglieder. Diese werden ziemlich sicher so abstimmen, wie es die übergeordnete Instanz vorgibt. Bedeutet, dass die Abstimmung lediglich ein Abbild der derzeitigen Herrschaftsverhältnisse der SPÖ sein wird. Bestes Beispiel ist ja die von der Sektion 8 zusammengefasste Unterstützer-Liste auf http://www.spoe-urabstimmung.at/unterstuetzerinnen/ Dort, wo man in der Opposition sitzt verlangt man nach einer Abstimmung, in den anderen Bundesländern hat die Kampagne mäßiges Interesse hervorgerufen.
Ein Koalitionsvertrag ist ein Gesamtkunstwerk, das Kompromisse verlangt. Kompromisse, die unter vielen Mitglieder vielleicht extrem unpopulär sind. Ich will damit nicht sagen, dass die Basis zu blöd ist um für sich selbst abzuwägen, aber ich befürchte bei solch einer Abstimmung eine Emotionalisierung.