16 Tage (10): Der Nationale Aktionsplan

16 Tage-10Anlässlich der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen bloggen wir jeden Tag zum Thema Frauen, Feminismus und Gleichberechtigung. Tag 10: Der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt

 Johanna Edthofer

Warum braucht es einen Nationalen Aktionsplan?

In Österreich ist Schätzungen zufolge eine von fünf Frauen durch Gewalt im sozialen Nahraum betroffen. Diese Zahl untermauern auch die Ergebnissen der aktuellen Studie der Europäischen Grundrechteagentur: eine von fünf Frauen (20%) in Österreich war seit ihrem 15. Lebensjahr Opfer von physischer und/oder sexueller Gewalt,  38% waren psychischer Gewalt ausgesetzt. (vgl. Studie der Europäischen Grundrechteagentur/Ergebnisse Österreich)

Obwohl Österreich im internationalen Vergleich beim Gewaltschutz als Vorzeigeland gilt, gibt es auch hierzulande nach wie vor Schwachstellen. Der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt (NAP) soll die Bereiche ins Zentrum rücken, wo es nicht so gut läuft und auf diese Weise dazu beitragen, Gewalt an Frauen in Österreich weiter einzudämmen. (vgl. Presseaussendungen zum NAP, Heinisch-Hosek/August 2014 & November 2014)    

 Welche Maßnahmen umfasst der NAP?

Der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt wurde von einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Leitung der Frauensektion im BMBF ausgearbeitet und am 26. August 2014 von der Bundesregierung verabschiedet.

Auch Opferschutzeinrichtungen wurden im Rahmen eines Round Table dazu aufgefordert, ihre Expertise und ihre Anliegen einzubringen. Aufgrund der Vielzahl der Vorschläge konnten allerdings nicht alle berücksichtigt werden. (vgl. NAP, S.4)

Der NAP enthält eine Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen und Aktivitäten zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, welche die österreichische Bundesregierung im Zeitraum 2014-2016 umsetzen möchte. Er definiert sechs inhaltliche Bereiche, in denen insgesamt 64 konkrete Maßnahmen gesetzt werden sollen.

Die meisten Maßnahmen sind im Bereich „Prävention“ vorgesehen, da hier offensichtlich der größte Handlungsbedarf besteht (23 Maßnahmen). Darunter fallen u.a. Aktionen, welche die breite Öffentlichkeit sensibilisieren sollen, z.B. die finanzielle und fachliche Unterstützung der Kampagne „GewaltFREI leben“. Aber auch im Bildungsbereich und der Ausbildung von Berufsgruppen gibt es genügend Sensibilisierungsbedarf. So sollen etwa Projekte zur Bewusstseinsbildung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen an Schulen durchgeführt werden. Im Ausbildungsbereich ist u.a. geplant, die Lehrpläne der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe durch ein eigenes Kapitel zum Thema „Erkennung und Prävention von Gewalt gegen Frauen“ zu ergänzen. Auch die opferschutzorientierte Täterarbeit wird durch zusätzliche finanzielle Mittel unterstützt.          

An zweiter Stelle steht der Bereich „Schutz und Unterstützung“, der 14 Maßnahmen umfasst. Dazu zählen beispielsweise die laufende Aktualisierung  der fem:help app sowie der Infobroschüre „Frauen haben Rechte“. Des Weiteren sollen z.B. die Erfahrungen mit der seit August 2013 als Pilotprojekt eingerichteten Notwohnung für von Zwangsheirat bedrohte oder betroffene Mädchen und Frauen ausgewertet und die Einrichtung gegebenenfalls als fixes Angebot implementiert werden.

Gleichauf an dritter Stelle finden sich die Bereiche „Materielles Recht“ und „Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen“ mit jeweils 8 Maßnahmen. Im Bereich des materiellen Rechts geht es darum zu prüfen, ob die Rechtslage aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen oder neuen Ansprüchen angepasst werden muss. So soll u.a. eine Anpassung der zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen, insbesondere für Opfer von Missbrauch/sexueller Gewalt, vorgenommen werden. Im zweiten oben genannten Bereich sollen verpflichtende Standards der Prozessbegleitung ausgearbeitet sowie die Europäische Schutzanordnung in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Sie zielt auf einen besseren grenzüberschreitenden Opferschutz ab.

„Ineinandergreifende politische Maßnahmen und Datensammlung“ sowie „(Europäische und) Internationale Zusammenarbeit“  stehen mit jeweils 7 Maßnahmen an vierter Stelle. Im Rahmen der ineinandergreifenden politischen Maßnahmen ist u.a. geplant, die interministerielle Arbeitsgruppe „Schutz von Frauen vor Gewalt“ zu institutionalisieren. Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit soll z.B. verstärkt Lobbying zum Thema Gewalt gegen Frauen bei bilateralen Kontakten und in multilateralen Foren (EU, UNO, Europarat, OSZE) betrieben werden.

Durch den NAP werden schließlich wesentliche Bestimmungen des „Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ (Istanbulkonvention) umgesetzt bzw. auch darüber hinausgehende Maßnahmen ergriffen. Die Istanbulkonvention  wurde im November 2013 von Österreich ratifiziert und ist im August 2014 in Kraft getreten. Sie schafft verbindliche rechtliche Normen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt einzudämmen.

Ein holistischer Ansatz

Der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt verfolgt im Großen und Ganzen einen holistischen Ansatz. Es wird versucht, dem Problem auf unterschiedlichen Ebenen entgegenzuwirken. Gewalt gegen Frauen soll sowohl auf individueller Ebene – z.B. durch Maßnahmen im Bereich Schutz und Unterstützung von Opfern und Strafverfolgung von Tätern – als auch auf systemischer Ebene – z.B. durch Sensibilisierungsmaßnahmen, Bewusstseinsbildung und Prävention – bekämpft werden.

Wichtig ist jedoch auch eine ausreichende Finanzierung durch die öffentliche Hand. Nur so können die teilweise extrem überlasteten Opferschutzeinrichtungen eine professionelle Unterstützung der von Gewalt betroffenen Frauen gewährleisten und die gleichzeitig erforderliche Sensibilisierungsarbeit vorantreiben.

 

Quellen:

Studie der Europäischen Grundrechteagentur/Ergebnisse Österreich

Nationaler Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt

Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbulkonvention)

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