Von Obama lernen? – 5 Thesen

Leonhard Dobusch und Nikolaus Kowall

 

 

Schon alleine die Frage, was sich für die Situation in Österreich von Barack Obama und dessen Präsidentschaftskampagne lernen lässt, erscheint vermessen. Zu fern, zu anders das politische System, das politische Klima. Im Folgenden dennoch ein Versuch, in Form einiger Thesen Lehren für linke Politik gerade auch in Österreich und Deutschland zu ziehen.

These 1: Dass Proteststimmen nach Rechts gehen, ist kein Naturgesetz, sondern Zeichen für Schwächen der Linken.

Natürlich ist eine Persönlichkeit wie Obama auch eine Ausnahme, ein Glücksfall. Und der sicherste Weg zum Scheitern der Linken, ist wohl Obamas Pose ohne Obamas Persönlichkeit zu imitieren. Dass aber das bloße Anprangern der Sündenbock-Rhetorik der Rechten zu wenig, die Schuld für deren Erfolg bei der Sozialdemokratie selbst zu suchen ist, beweist der Erfolg Obamas aber dennoch.

These 2: Obamas Sieg ist ein Comeback des vergessenen linken Grundwertes Solidarität.

Hoffnung durchaus die stärkere Botschaft als Angst und Sündenböcke sein. Obama auf „Hope“ zu reduzieren, würde aber auch zu kurz greifen. Eines seiner stärksten und häufigsten Motive, ist auch das zusammen- und für einander einstehen. Hinter dem US-typischen Pathos von Sätzen wie „This nation is more than the sum of its parts – out of many, we are truly one” oder „Our stories are singular but our destiny is shared“ verbirgt sich ein starkes Solidaritätsmotiv. Besonders deutlich wird das, wenn Obama Einzelfallgeschichten von Menschen ohne Gesundheitsvorsorge oder in Armut erzählt und Engagement einfordert, weil deren Leiden alle bessergestellten beschämt. Nach Jahren des Wettbewerbsfetisches lässt sich von Obama lernen, welche Anziehungskraft die Botschaft der Solidarität haben kann – gerade auch bei jenen, denen sie etwas abverlangt.

These 3: Ein Verteilungswahlkampf kann erfolgreich sein.

Steuersenkungen bzw. Steuergutschriften für all jene, die weniger als 250.000 Dollar im Jahr verdienen und damit für 95 Prozent der BürgerInnen. Mehr Steuern für die übrigen 5 Prozent. Zwar brachte Obama dieses Konzept den Vorwurf ein, er sei ein Sozialist und wolle die Steuern erhöhen – die klare Botschaft war aber letztlich stärker. Denn wer seine Umverteilungspolitik in einem Satz erklären kann, der muss die Verunglimpfung des politischen Gegners nicht fürchten. Dass sich weder die deutsche noch die österreichische Sozialdemokratie auch nur im entferntesten dazu durchringen kann, einen Verteilungswahlkampf zu führen, ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch strategisch.

These 4: Innerparteiliche Demokratie und Vielfalt ist ein Weg zu neuer Stärke.

Was wurde nicht alles geschrieben über die Nachteile Obamas auf Grund der harten Auseinandersetzung mit Hillary Clinton in den Vorwahlen. Alles Humbug. Wer sich in einer offenen, transparent-demokratischen Auseinandersetzung durchsetzt, profitiert von der Rolle des Siegertyps. Die Praxis, Parteivorsitzende hinter verschlossenen Türen zwischen 3 bis 5 alten Männern auszuklüngeln, wie sie sich sowohl in SPD und SPÖ etabliert hat, ist ein Zeichen von Schwäche und Korrumpiertheit.
Hinzu kommt die integrative und aktivierende Wirkung breiter Vorwahlen: In Iowa mit einer Bevölkerung von knapp 3 Millionen Menschen haben alleine auf Seite der Demokraten mehr als 200.000 Menschen (ca. 7 Prozent) an den Caucauses teilgenommen – einem Vorwahlmodus, der längere Anwesenheit und inhaltliche Diskussionen erfordert. Diese Menschen sind keine Parteimitglieder, ihr Wunsch an den Vorwahlen teilzunehmen genügt als Eintrittskarte in den Prozess der innerparteilichen Demokratie. Zum Vergleich: Von 8 Millionen Österreichern sind knapp 300.000 (3,75 Prozent) Mitglied der SPÖ – tatsächlich aktiv eingebunden in irgendeiner Form ist aber nicht einmal ein Bruchteil von ihnen.

These 5: Parteiorganisationen bedürfen einer neuen Rolle.

Unfassbare vier Millionen haben sich an der Obama Kampagne beteiligt. Spontan, ohne große politische Sozialisation, ohne jede organisatorische Schulung. Und dies in einem Land, wo es nicht einmal in jedem Bundesstaat einen (!) hauptamtlichen Mitarbeiter der demokratischen Partei gibt. Der Nachteil im Vergleich zu Europa: So eine Kampagne gibt es vielleicht einmal in jeder Generation, die gut organisierten europäischen Parteien können auch ohne charismatische Stars einigermaßen schlagfertig wahlkämpfen. Der Vorteil: Es beteiligen sich spontan enorm viele Menschen an politischen Prozessen, die sonst nicht unmittelbar am politischen Leben teilhaben. Man stelle sich vor, welche Möglichkeiten sich in Europa ergäben, wenn die teilweise hoch organisierten Parteiapparate umfunktioniert würden in Koordinationsstellen von Kampagnen. Wenn Freiwillige die Möglichkeit hätten, sich spontan zu engagieren und von den Hauptamtlichen dabei organisatorisch unterstützt würden. Vielleicht sogar in einer europaweiten Bewegung?

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2 Responses to Von Obama lernen? – 5 Thesen

  1. leonido 12. November 2008 at 19:27 #

    Finde ich ziemlich spannend diese PES-Activists – die wollen scheinbar so etwas wie „Quasi-Mitgliedsstrukturen“ aufbauen und nennen Mitglieder halt „activists“. Fehlt eigentlich „nur“ noch ein europäischer Obama, der diese Idee auch wirklich ins Rollen bringt… 😉

  2. Julia Lemonia Raptis 12. November 2008 at 18:59 #

    1. Dobusch und Kowall ist voll und ganz zuzustimmen 😉
    2. ad These 5) Einen Versuch so etwas wie eine „grassroots“-Bewegung in der EU zusammenzubringen unternimmt gerade die SPE für die EU-Parlamentswahlen 2009 mit der „PES activists“-Kampagne http://www.pes.org/component/option,com_phpshop/Itemid,1700091/
    In Wien hat’s zwar das „PES activists“-Forum von 4.-6.7. gegeben, aber anscheinend hat sich in Österreich noch keine AktivistInnen-Gruppe formiert. Ich war beim Forum, wo erstaunlich viele GenossInnen aus anderen EU-Ländern waren, die Diskussionen gut (wie immer in so einem Rahmen etwas oberflächlich) und die Stimmung enthusiastisch war. Weiß jemand, ob sich demnächst in Wien eine AktivistInnen-Gruppe formieren wird? Wäre evtl. spannend da mitzuarbeiten bzw. eine solche Gruppe zu gründen.

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