Diese Woche in den Links der Woche: Viele kluge Artikel über die nun entschiedene österreichische Präsidentschaftswahl, sowie über den Zusammenhang von Rechtspopulismus und Sozialdemokratie. Außerdem: Feministische Pornographie, die Entwicklung der Mittelschicht in Österreich und einiges mehr. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und schönen Feiertag!
Inhalt
Präsidentschaftswahl
Vielen ist erst im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfs bewusst geworden, welche Macht die österreichische Verfassung dem Bundepräsidenten eigentlich zugesteht. Dieses autoritäte Element aus der Verfassungsnovelle von 1929 wurde bei der Gründung der zweiten Republik einfach übernommen: „Zudem gab es bereits damals, also im April/Mai 1945, große Angst vor dem Kommunismus. Daher traute man sich nicht, über eine neue Verfassung zu diskutieren.“ meint der Zeithistoriker Oliver Rathkolb in einem Interview mit dem Kurier.
Angst gilt als bestimmende Emotion im politischen Alltag. In einem Essay für die Zeit, das vor der Bundespräsidentenwahl erschienen ist, macht sich Clemens Setz Gedanken darüber: „Ich glaube, Menschen, die aufgrund ihrer Angst wählen, wählen in Wahrheit nicht den Trost, sondern sie wählen ein Szenario, in dem ihre Angst bestehen bleiben darf.“ Das ständige Bemühen nach Verständnis wäre gar kontraproduktiv, denn „Verständnis ohne gelebten Widerspruch ist herablassend, ja fallweise sogar kolonial, rassistisch, bösartig.“
Ein Kurier-Interview mit Robert Menasse noch vor der Bundespräsidentenwahl, lesenswert unabhängig davon, wie diese letztlich ausgegangen ist.
Owen Jones zur Wahl in Österreich im guardian: Der Kollaps der Sozialdemokratie als kohärente politische Kraft in Europa ist das Einfallstor für den Rechtspopulismus in vielen europäischen Ländern. Interessant dazu ist diese Standard-Grafik zu historischen Ergebnissen der Bundespräsidentschaftswahlen.
Martin Thür erklärt Demokratie: „Wilde Geschichten machen die Runde: Die Bundespräsidentenwahl sei gefälscht, Norbert Hofer Präsident. Tatsächlich gibt es zur Zeit keinen Hinweis auf Manipulationen bei der Wahl. Ein Überblick über vier vermutete Manipulationen, die keine sind, und warum die Wahlbehörden dennoch dringend handeln müssen.“
Sozialdemokratie und Rechtspopulismus
In einem spannenden Interview mit Stefan Petzner in der FAZ meint der ehemalige Sprecher und Wahlkampfleiter von Jörg Haider, dass „die Zeit selten so reif war für sozialdemokratische Themen wie jetzt“. Außerdem verrät er, dass Rechtspopulisten die Satire fürchten: „Humor, Witz und Ironie gehören neben der sachlichen Auseinandersetzung zu den schärfsten Waffen gegen rechtspopulistische Politiker.“
Frank Stauss bloggt Empfehlungen über den Umgang mit Rechtspopulisten.
Der weltweit renommierte „Financial Times“-Wirtschaftskommentator Martin Wolf sieht Wutbürger und Rechtspopulisten als Resultat des Endes des sozialpartnerschaftlichen Nachkriegskonsenses, wie er im Interview mit der Wiener Zeitung erklärt. Den dazu gehörenden Vortrag von Martin Wolf im Bruno Kreisky Forum gibt es hier zum Nachhören.
Anhand von fünf Erklärungssträngen erläutert Petra Stuiber im Standard die Krise der europäischen Sozialdemokratie. Dabei zeigt sich: Zwischen Neoliberalismus und dem erstarktem Nationalismus ist viel Platz für moderne sozialdemokratische Antworten und Botschaften.
Ökonomie und Verteilung
Der Standard berichtet von einer aktuellen OECD Berechnung über die österreichische Mittelschicht, laut der die Einkommen im Schnitt seit 2008 gestiegen sind. Wie jedoch die Statistik Austria zugibt, ist ein Grund für diese Entwicklung, dass die Zahl der Beschäftigten in Österreich stark zugenommen hat, besonders unter Frauen, was das Haushaltseinkommen stützt. Außerdem gibt die Berechnung keine Auskunft über die Entwicklungen innerhalb der Mittelschicht, die sich laut dieser Definition zwischen einem Nettoeinkommen pro Kopf von 1.360 und 2.900 Euro befindet. Wie der Standard ebenfalls berichtet, kommt eine jüngst erschienene WIFO-Studie zu einem gänzlich anderen Schluss: Die Herausforderung, zwischen Gut- und SchlechtverdienerInnen für Ausgleich zu sorgen wird für den Sozialstaat immer größer, denn die Kluft zwischen Gut- und Schlechtverdienern wächst in Österreich kontinuierlich.
Der Cambridge-Professor Ha-Joon Chang erklärt hier, warum sich jede/r von uns zumindest ein bisschen mit Ökonomie beschäftigen sollte.
In der Volksstimme werden jüngste Aussagen von Gewerkschaftsvertretern kritisiert.
Verschiedenes
Einen beunruhigenden Bericht aus dem Kosovo liefert Der Freitag: „Seit Oktober 2015 ist Tränengas fester Bestandteil kosovarischer Oppositionspolitik. Selten vergeht eine Woche, in der im Plenarsaal keine Tränen vergossen werden. Schutzmasken zählen bei Abgeordneten zur Ausstattung.“
In den USA herrscht trotz vieler positiver Entwicklungen und Zahlen eine überwiegend pessimistische Stimmung, die den Wahlkampf prägt: „A century ago Progressives were the optimists, believing society could be improved, while conservatism saw the end-times approaching. Today progressive thought embraces Judgment Day, too. Climate change, inequality and racial tension are viewed not as the next round of problems to be solved, but as proof that the United States is horrible.“ Grund genug für die New York Times zu fragen: When Did Optimism Become Uncool?
Erika Lust ist die bekannteste Produzentin und Regisseurin feministischer Pornos. Im Interview mit den an.schlägen spricht sie über Begehren, Macht und Pornographie und hält dabei ganz klar fest: „Die Filme, die ich mache, sind auf einer gewissen Ebene durchaus politisch.“
Wie die Presse berichtet, titelt die Kronen-Zeitung in Westösterreich anders als im Rest von Österreich.
No comments yet.