Links der Woche – KW 31

Das Sommerloch ist abgesagt, zumindest was den Lesestoff betrifft. Wir haben wieder eine kleine feine Sammlung von Artikeln und Kommentaren für euch und auch ein Hörtipp ist wieder dabei. Dabei steigen wir anlässlich des Todestags von Bruno Kreisky letzter Woche mit etwas sozialdemokratischer Geschichte in die Leseliste ein, nur um anschließend gleich auf dem Boden der rot-blauen Gegenwart im Burgenland und der internationalen Entwicklungen in Deutschland und Großbritannien zu landen.

Die wichtigsten Themen der letzten Woche in Österreich waren die katastrophalen, menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingslager Traiskirchen und das Versagen der österreichischen Asylpolitik sowie die von der ÖVP losgetretene Debatte über sozialstaatliche Einrichtungen – Arbeitslosenversicherung und bedarfsorientierte Mindestsicherung -, die mittels altbekannter Stigmatisierung von Arbeitslosen vom Finanzminister höchstpersönlich befeuert wurde.

Außerdem haben wir noch einen Beitrag, der die lukrativen Geschäfte Österreichs mit Griechenlandkrediten behandelt, und einen Artikel über „das Nazihafte in Österreich“ – den hätte wohl auch Thomas Bernhard gerne gelesen.

Inhalt

Sozialdemokratie

Matthias Micus vom Göttinger Institut für Demokratieforschung analysiert aus Anlass von Bruno Kreiskys Todestag den Untergang der Ära als „Sozialdemokraten noch den Zeitgeist prägten“: „Vor 25 Jahren, am 29. Juli 1990, starb Bruno Kreisky. An diesem Tag verlor Österreich seinen – wie viele meinen – bedeutendsten Staatsmann, um den sich schon zu Lebzeiten Legenden gerankt hatten. Mit Kreiskys Tod endete endgültig eine Ära, deren Höhepunkt seine Kanzlerschaft zwischen 1970 und 1983 gewesen war. Damals erzielten die Sozialdemokraten unter Kreiskys Führung bei drei aufeinanderfolgenden Wahlen absolute Mehrheiten der Stimmen und Mandate – europaweit ein bis heute einmaliges Ergebnis.“

Dass der „Untergang einer sozialdemokratischen Ära“ nicht nur aus etwaigen nostalgischen Gründen schwer wiegt, sondern vor allem auch realpolitisch sicht- und spürbar ist, führt Saskia Jungnikls Artikel über den Pragmatiker „Hans Niessl und die rot-blaue Koalition im Burgenland“ im aktuellen Datum eindrücklich vor Augen: „Inkonsequent ist er ja nicht, der Hans Niessl. Im Gegenteil. Der Landeshauptmann des Burgenlandes regiert seit Jahren mit blauer Hand. Es ist nur konsequent, dass er sichtbar macht, was sein Handeln seit langem leitet.“

Allerdings ist die Sozialdemokratie nicht nur in Österreich auf sonderbare Abwege geraten. Fast noch erstaunlicher spitzen sich die Entwicklungen in Deutschland zu. Jakob Augstein in einer Kolumne auf Spiegel Online über die „Zombipartei-SPD“: „Vielleicht wäre es am einfachsten, die SPD würde sich auflösen. Alle Mitglieder treten geschlossen der CDU bei und bilden dort einen neuen Arbeitnehmerflügel.“

Auch in Großbritannien vollziehen sich aktuell gröbere Umbrüche. Der Think Tank Compass über seine veränderte Beziehung zur Labour Party und der bevorstehenden leadership Wahl. „The Corbyn campaign shows just how quickly things now change in politics. No one saw this coming, not even Jeremy. … These really are the best of times and the worst. The Tories may have narrowly won the election but the old politics is dying before us and the vacuum is creating the space and the energy for something new to emerge.“

Asylpolitik

Julya Rabinowich schreibt im Standard über ihr Ankommen in Wien als Flüchtlingskind 1977 und die Menschlichkeit, die sie damals erlebte im Gegensatz zu heute. Schwer bestürzt, appeliert sie an dieses andere Österreich, das damals und immer wieder Menschen in Not half. „Wenn ich daran zurückdenke, fällt mir Folgendes auf: Kaum jemand hatte mich damals trotz aller Widrigkeiten wirklich schlecht behandelt. Meine Familie verbrachte nicht einen einzigen Tag und keine einzige Nacht ohne Dach über dem Kopf. Wir froren nicht, wir litten nicht an Hitze. Wir hungerten nicht. Niemand sperrte uns ein. Niemand verdächtigte uns pauschal, dass wir mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit lügen und betrügen würden.“

Sozialpolitik

Die Angriffe von Finanzminister Schelling auf Arbeitslose sowie auf die Mindestsicherung haben wieder einmal Debatten über die sozialpolitische Fragen und die soziale Sicherheit in Österreich losgetreten. Dabei folgt das Schüren dieser Themen einem altbekannten Muster, das wirtschaftliche und politische Eliten in einer reaktionären Allianz mit den Medien immer wieder bemühen. Das Bild der ‚faulen Arbeitslosen‘ passt zur Bewertung von Menschen nach ihrem ökonomischen Nutzen und wird vor allem in Krisenzeiten des Kapitalismus hervorgeholt. Indem die Betroffenen für ihre Lage selbst verantwortlich und stigmatisiert werden, wird nicht nur von den eigentlichen wirtschaftlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit abgelenkt, politisch wird auch der Um- und Abbau des Sozialstaats vorangetrieben, wie in das in Großbritannien unter Thatcher und in Deutschland spätestens mit den Hartz IV-Gesetzen der rot-grünen Regierung der Fall war. Unter dem Titel „Warum unsere Gesellschaft die Armen verachtet“ widmet sich die Bayern 2-Radiosendung Zündfunk Generator ausführlich und umfassend den Mechanismen und Entwicklungen der Angriffe auf die Armen und dem sozialen Sprengstoff des Phänomens der „gruppenspezifischen Menschenfeindlichkeit“.

Bereits im November 2014 schrieb Kai Biel am Arbeit und Wirtschaft-Blog über die Forderung nach schärferen Zumutbarkeitsbestimmungen: „Es ist ein seit vielen Jahren zu beobachtendes Ritual in Österreich: Wenn die Konjunktur einbricht und die Arbeitslosigkeit steigt, lässt man eine gewisse Anstandsfrist vergehen, aber irgendwann kommt unweigerlich die Forderung nach einer Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für die Arbeitslosen.“

Politische Psychologie

Patrice Fuchs schreibt auf familierockt.com anhand ganz alltäglicher Begegnungen darüber, was eigentlich das Nazihafte in Österreich ist. Kinder zum Vordrängen erziehen, anstatt ihnen Platz in der Schlange einzuräumen, Rücksichtslosigkeit in Ordnung finden, so lange es einen persönlichen Vorteil bringt. Erziehung zur Empathiefähigkeit ist als Mittel gegen Rechts darum genauso wichtig, wie „gegen die FPÖ“ zu sein.

Eurokrise, Griechenland

Die heißen Debatten zu und über Griechenland sind seit den #thisisacoup-Vereinbarungen Mitte Juli wieder etwas abgeflaut. Manche Bilder und Voruteile über Griechenland halten sich aber nach wie vor hartnäckig. Insofern ist es immer wieder interessant, auf frührer Artikel zu stoßen, wie zum Beispiel dem folgenden des Wirtschaftsblatts über die guten Geschäfte Österreichs mit Grichenlandkrediten aus dem April 2015: „Trotz Sorgen über die prekäre Finanzlage Griechenlands hat Österreich an den im Rahmen der EU geflossenen Hilfskrediten an Athen bisher verdient. Nach Angaben des Finanzministeriums betrugen die Zinseinnahmen der Republik bis Ende 2014 insgesamt 101,73 Mio. Euro. Auch im ersten Quartal des laufenden Jahres habe Griechenland normal seine Zinsen gezahlt.“

One Response to Links der Woche – KW 31

  1. punto 23. August 2015 at 19:58 #

    Warum schreibt Юля Борисовна Рабинович im Standard nicht woher sie damals gekommen ist (Sowjetunion)? Der Herkunftsort ist doch für die Beurteilung des Asylgrundes wesentlich. Auch die Anzahl der Menschen, die damals hereingekommen sind wäre wesentlich, falls man die damalige Haltung der Österreicher mit heute vergleichen will.

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