Die Option, über eine Fortsetzung der Austeritätspolitik ein Referendum abzuhalten, ist so alt, dass auch der letzte Premier schon darüber sein Amt verlassen musste. Genauso alt ist die Vorgangsweise von Medien, daraus eigenmächtig ein Referendum über den Euro zu machen.
„Tsipras will vor dem Referendum für ein ‚Nein‘ zum Reformplan der Geldgeber werben. Bekommt er dieses ‚Nein‘ beim Votum, scheinen weitere Gespräche über Hilfsgelder in Brüssel aussichtslos; die Vertrauensbasis mit den Geldgebern hat Tsipras durch seine überraschenden Referendumspläne auf der Zielgerade der Verhandlungen völlig zerstört,“1 urteilte zum Beispiel Philipp Hacker-Walton im Kurier vom 29. Juni 2015.
Eine kurze Recherche zeigt, dass die Ankündigung des Referendums im Falle eines mit dem Mandat von Syriza nicht vereinbaren Verhandlungsergebnis vor bereits fast vier Monaten gemacht wurde. Am 8. März schrieb die APA:
„Kurz vor einem Treffen der EU-Finanzminister hat Griechenlands klamme Regierung ein Referendum und Neuwahlen ins Gespräch gebracht. Beides sei denkbar, sollten die Euro-Partner die Athener Vorschläge zum Schuldenabbau und zur Investitionspolitik endgültig ablehnen, sagte Finanzminister Yanis Varoufakis in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der italienischen Zeitung ‚Corriere della Sera‘. (…) Es hatte bereits Spekulationen darüber gegeben, dass weitere Streitigkeiten mit den Gläubigern die Regierung zu einer Volksabstimmung über künftige Reaktionen auf Sparforderungen zwingen könnte.“2
Varoufakis sprach im Interview von einem Referendum, zu einem Referendum über den Euro wurde es erst in der Bearbeitung: Die Zeitung fügte nach Referendum in Klammern ‚über den Euro‘ hinzu:
Se però Bruxelles non accetta il vostro piano… «Potrebbero esserci problemi. Ma, come mi ha detto il mio primo ministro, non siamo ancora incollati alle poltrone. Possiamo tornare alle elezioni. Convocare un referendum (sull’euro, ndr)».
In einer Reaktion auf die Berichterstattung veröffentlichte das griechische Finanzministerium ein Statement, in dem darauf hingewiesen wird, dass ein Referendum sich auf die Substanz der Reformen und der Fiskalpolitik beziehen würde, und nicht auf den Verbleib im Euro, wie die Zeitung Corriere della Sera implizierte.3
Die Nachricht über das von Varoufakis angekündigte Referendum wurde breit zitiert, unter anderem in der Zeit und im Standard vom 8. März sowie im Guardian vom 8. März 2015 und erneut am 9. März 2015.
Am 28. April berichtete die Financial Times, dass auch Premier Tsipras ein Referendum angekündigt hat, falls die zu treffende Entscheidung das Mandat von Syriza übersteige.
Darüber hinaus war Syriza nicht die einzige Partei, die vor der Wahl am 25. Jänner ein Referendum über den Euro in den Raum stellte, auch das neue Bündnis des früheren PASOK-Premiers Papandreou „Bewegung der Demokraten und Sozialisten“ wollte nach der Wahl ein neues Reformprogramm (das eine Schuldenerleichterung beinhalten soll) ausarbeiten und der griechischen Bevölkerung in einem Referendum vorlegen.4
Mit Referenden kennt sich Papandreou bereits aus: er musste von seinem Premierministeramt „nach einer nicht mit den Geldgebern vereinbarten Ankündigung einer Volksabstimmung über die Euro-Politik zurücktreten. Das Referendum fand nicht statt. Papandreous Kabinett wurde von einer Übergangsregierung abgelöst. Die Parteiführung übernahm der (damalige, Anm.) Pasok-Chef Evangelos Venizelos.“5
1 „EZB hält griechische Banken über Wasser –wie lange noch?“, im Kurier vom 29. Juni 2015, Seite 4.
2 APA0193 5 WA 0582 AA 8. März 2015
3 http://www.reuters.com/article/2015/03/08/us-eurozone-greece-varoufakis-idUSKBN0M40F420150308
4 APA-Meldung vom 15. Jänner 2015 APA0108 5 AA 0372 WA
5 APA-Meldung vom 2. Jänner 2015 APA0319 5 AA 0340 Korr APA0305/02.01
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