Kuriose Koalitionen: Krone, Klenk und andere Sprachkonservative

Leonhard Dobusch

Wenn Briefe an die Kronen Zeitung den politischen Diskurs bestimmen, dann ist das in den seltensten Fällen erfreulich. So ist das auch bei der aktuellen Diskussion rund um einen offenen Brief, der behauptet eine „von oben her verordnete konsequente getrenntgeschlechtliche Formulierung zerstört die gewachsene Struktur der deutschen Sprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit.“ In der Printausgabe der Krone wurde der offene Brief mit einer Karikatur bebildert, die wirklich aussagekräftig die Seriösität des Anliegens illustriert:

krone-karrikatur

Zu den ersten UnterzeichnerInnen des Briefs zählen neben emeritierten Professoren sowie dem Autor des Buchs „Genug gegendert“ auch Leute wie Konrad Paul Ließmann und Werner Doralt, auf Twitter verteidigt Falter-Journalist Florian Klenk das Ansinnen. Es sind vernünftige Unterstützer wie letztere, die eine Auseinandersetzung mit dem Brief notwendig machen.

So „glaubt“ Klenk nicht, dass geschlechtergerechte Sprache die Wahrnehmung beeinflusst, gefolgt von dem polemischen Vergleich zwischen Island (kein gendern aber hohe Frauenquote) und der Türkei (kein „grammatisches Geschlecht„; als ob irgendjemand behaupten würde, Geschlechterverhältnisse ließen sich nur oder auch nur vor allem über Sprachänderung beeinflussen – es geht hier um ein durchaus relevantes „auch„). Die Frage ist hier also vielmehr, ob sich die Wahrnehmung durch Sprachen mit generischem Maskulinum (d.h. männliches Geschlecht wird auch für gemischtgeschlechtliche Gruppen verwendet) von jener anderer Sprachen unterscheidet. Dem Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch zu Folge

„ist es Stand der Forschung, dass ein „generisches Maskulinum“ im Deutschen (und Französischen) aus psycholinguistischer Sicht nicht existiert. Wer das Gegenteil behaupten will, muss sehr gute Belege dafür vorbringen.“

Mit anderen Worten: ich kann die Beeinflussung der Wahrnehmung durch geschlechtsspezifische Formulierungen zwar unfundiert „nicht glauben“, muss mir dann aber den Vergleich mit Klima- und Impfskeptikern gefallen lassen. Dasselbe gilt übrigens hinsichtlich sprachwissenschaftlicher Forschung zur vermeintlich schlechteren Verständlichkeit von geschlechtergerechter Sprache. Für einen unterhaltsamen Einstieg in das Thema empfehle ich folgenden Vortrag von Stefanowitsch am 29C3-Kongress über „Sprache, Ungleichheit und Unfreiheit“:

Im weiteren Verlauf der Twitter-Diskussion widerstrebt es Klenk schließlich, „Sprache gesetzlich zu verordnen„. Eine Argumentation, die auch jenseits von Geschlechteraspekten rund um die jüngste Rechtschreibreform regelmäßig von Sprachkonservativen angeführt wurde. Dabei schreibt niemand Florian Klenk vor, wie er zu schreiben hätte. Auch der Falter darf bis in alle Ewigkeit Frauen mitmeinen in seinen Artikeln, ohne sie explizit sichtbar zu machen. So wie der Falter einheitlich nicht geschlechtergerecht schreibt, sollte es aber im staatlichen Bereich ebenso in Ordnung sein, einheitlich geschlechtergerechte Formulierungen zu verwenden. In diesem Zusammenhang noch eine weitere Stefanowitsch-Empfehlung, und zwar dessen sprachpolizeiliche Ermittlungen im Rahmen der diesjährigen re:publica, die vielleicht einige Missverständnisse aufzuklären hilft:

9 Responses to Kuriose Koalitionen: Krone, Klenk und andere Sprachkonservative

  1. punto 19. Juli 2014 at 17:10 #

    Ich finde das Gendern nur provokant und dumm.

    Und kontraproduktiv, da es einerseits nicht das Geringste an der Situation der Frauen verbessert hat und andererseits viele Menschen, bis hinein in die sozialdemokratische Anhängerschaft, dazu bringt, sich von der Sozialdemokratie verärgert abzuwenden.

  2. Rudolf T.Z. Scheu 18. Juli 2014 at 08:21 #

    Nur Dumme diskriminieren Frauen.
    Ich moechte die Aufmerksamkeit auf die _Menge_ der Menschen lenken: die Ueberbevoelkerung ist ein wesentlicher Faktor der Krisen, ein Problem, das angegangen werden muss: sonst siegen die rechten Hetzer.

  3. Seminar Redenschreiben 16. Juli 2014 at 09:26 #

    Beide Geschlechter besitzen eine Grausamkeit gegeneinander, die sich vielleicht in jedem Individuum zu Zeiten regt, ohne gerade ausgelassen werden zu können: Bei den Männern die Grausamkeit der Wollust, bei den Weibern die des Undanks, der Unempfindlichkeit, des Quälens.
    Johann Wolfgang von Goethe

  4. Seminar Redenschreiben 16. Juli 2014 at 09:23 #

    „Der Geschlechterkampf ist so einfallslos wie der Klassenkampf.“ – Norbert Blüm

  5. Mathias Miller-Aichholz 15. Juli 2014 at 23:16 #

    Wer den Unterschied zwischen „und“ und „oder“ nicht kennt, dem misstraue ich hinsichtlich der Gender-Debatte.

  6. Sonja 15. Juli 2014 at 21:48 #

    Ein älterer, aber wissenschaftlich fundierter Bericht http://www.scilogs.de/sprachlog/frauen-natuerlich-ausgenommen/

    • Leonhard Dobusch 15. Juli 2014 at 22:14 #

      Danke für den Hinweis, ist in obigem Artikel aber bereits verlinkt bzw. zitiert 😉

    • punto 26. Juli 2014 at 17:58 #

      Der Artikel ist vielleicht alt aber nicht wissenschaftlich fundiert.

      Hier werden maskuline Gattungsnamen herausgegriffen, sozusagen isoliert und mit einer neuen Bezeichnung versehen, die gleich viel wissenschaftlicher ist und die Aufmerksamkeit auf das Ziel lenkt: das Maskulinum.

      Als nächstes wird vergessen, dass jede Gattung selbstverständlich aus beiden Geschlechtern besteht.

      Und schon ist die Bahn frei für jeden Unfug, den eine Frauengruppe beim Frühstückskaffee zum politischen Thema erklären kann.

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