„Zeit für Gerechtigkeit!“

Klarer Auftrag ist ein Budget mit sozialer Handschrift, bei dem jene stärker herangezogen werden, die es sich auch leisten können.“, Werner Faymann

Budgets sind in Zahlen gegossene Politik – dieses Sparpaket setzt die bestehende gesellschaftliche Ungerechtigkeit nahtlos fort.

Eva Maltschnig und Joe Thoman

Schon lange sind die Mängel der Struktur der öffentlichen Einnahmen in Österreich offensichtlich. Arbeitseinkommen sind sehr hoch belastet, während Einkommen aus Vermögen kaum oder gar nicht zur Finanzierung des Staates herangezogen werden. Leistungsferne oder gar leistungsfreie Einkünfte wie etwa Erbschaften, Schenkungen oder Wertänderungen werden gegenüber „Leistungs“-Einkommen bevorzugt behandelt. Dieses Verteilungsproblem bedeutet auch, dass jene, die vor der Krise nicht von den rasant wachsenden Kapitalerträgen profitierten, sondern sich mit stagnierenden Reallöhnen konfrontiert sahen, später die Kosten der Krise des Finanzsektors zu tragen hatten.

Nachdem der Ruf nach vermögensbezogenen Steuern auch außerhalb der SPÖ immer lauter wurde, konnte sich die Bundespartei unter Werner Faymann mit dem Motto „Zeit für Gerechtigkeit“ scheinbar für die Idee eines gerechteren Steuersystem erwärmen. Die sieben und später acht Punkte des Programms beschränkten sich jedoch auf Minimalforderungen, die selbst bei einer vollständigen Umsetzung den Umständen nicht gerecht werden konnten. Die Ergebnisse der Budgetverhandlungen spiegeln diesen mangelnden Mut und das fehlende Bewusstsein für die akute Schieflage des österreichischen Steuer- und Abgabensystems seitens der Faymann-Regierung wider.

Eine öffentliche Debatte über mögliche Kürzungen auf der Ausgabenseite hat man hingegen monatelang unterbunden, mit dem Ergebnis, dass die Einsparungen nun eine relativ kleine Gruppe unverhältnismäßig stark treffen.

Die Kürzung der Familienbeihilfe trifft nämlich genau jene, die auf das Geld angewiesen sind: Studierende ab 24 und arbeitssuchende Jugendliche. – Gruppen  für die sich die Sozialdemokratie einst stark machte.

Mit der Verkürzung der Anspruchsdauer sollen ab 2011 58 Mio. Euro, danach 70 Mio. Euro eingespart werden. Was in den Medien teilweise als lächerliche Kritik der ohnehin Privilegierten abgekanzelt wird (siehe Eric Frey Kommentar im Standard), ist eine gewaltige Zugangsbeschränkung für das Masterstudium für einen großen Teil der Studierenden.

Studierende verfügen durchschnittlich über 820 Euro an Geldmitteln pro Monat, was nicht einmal der Armutsgrenze (815 Euro x 14) entspricht – für alle ab 24 fallen mit 1. 1. 2011 rund 20 Prozent davon weg. Wer zahlungskräftige Eltern hat, steckt diese Sparmaßnahme leicht weg, der Rest schaut durch die Finger. Das Studienförderungssystem kann diese Kürzungen nicht abfedern. Es ist so marode, dass überhaupt nur 18% der Studierenden Studienbeihilfe in einer Höhe von durchschnittlich 280 Euro beziehen. Nur 42% der Studierenden aus niedrigen sozialen Schichten beziehen Studienbeihilfe. Dass StudienbehilfenbezieherInnen die Familienbehilfenkürzung durch Studienbeihilfe zurückbekommen, ist für das Wissenschaftsministerium keine Selbstverständlichkeit. Armut bei Studierenden steigt gegen Ende des Studiums an – fallen die Beihilfen weg, fallen Vergünstigungen weg (z.B. Semesterticket). Durch die Einschnitte beginnt dieser Prozess früher.

Die 80 Mio. Euro an „Offensivmitteln“, die für die Hochschulen zur Verfügung gestellt werden, bezahlen die Studierenden über die Streichung der Familienbeihilfe. In der  UG 31 (das Budget-Kürzel des Wissenschaftsministeriums) finden sich des Weiteren Budgetzeilen wie „Kündigung SV Studierende“ (Minus 4 Mio), „Keine Novelle zum StudFG“ (Minus 8 Mio., d.h. die Richtwerte für die Elterneinkommen, die zur Berechnung der Studienbeihilfe herangezogen werden, werden nicht valorisiert. Durch Anpassungen der Elterneinkommen verlieren Studierende dadurch Anspruch auf Beihilfen, obwohl den Unterhaltsverpflichteten inflationsbedingt kein höheres Realeinkommen zur Verfügung steht), „Errichtung von Universitätsbauten“ (minus 9 Mio.) und so weiter. Noch düsterer liest sich die UG 30 (Bildung): „Redimensionierung des Vorhabens „Nachholen von Bildungsabschlüssen““ (Minus 14,4 Mio.), „Aufschieben von Maßnahmen im Rahmen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetztes“ (Minus 21,6 Mio.), „Nichtumsetzten des Vorhabens „Klassenwiederholungen reduzieren (Modulare Oberstufe)“ (Minus 1,8 Mio.). Auch hier wirken die 80 Mio.  Euro „Offensivmittel“ wie ein Tropfen auf dem heißen Stein – offensive Bildungspolitik ist damit keine zu machen.

Auch wenn die Budgetpläne auf der Einnahmenseite weniger drastisch sind als jene der Ausgabenseite so sind sie dennoch ernüchternd: Keine Vermögenssubstanzsteuer, keine Erbschafts- und Schenkungssteuer, keine Abschaffung der Gruppenbesteuerung, keine Änderung bei der Absetzbarkeit von ManagerInnengehältern und keine Erhöhung der Grundsteuer. Einzig die Bankenabgabe, längst fällige Reparaturen bei den Stiftungen und eine entschärfte Form der bereits unter Gusenbauer akkordierte Vermögenszuwachssteuer wurden beschlossen. In Summe bedeutet dies, dass die breite Masse durch die Erhöhung regressiver Massensteuern wie der Mineralölsteuer (Möst) oder der Tabaksteuer auch auf der Einnahmenseite der Budgetkonsolidierung zur Kasse gebeten wird. So sind die (budgetierten) Einnahmen aus der Bankenabgabe, der neuen Stiftungsbesteuerung und der Vermögenszuwachssteuer kaum höher als jene aus den Massensteuern, also den Erhöhungen von Möst und Tabaksteuer sowie der Flugticketabgabe.

Obwohl Steuergeschenke wie die Abschaffung der Kreditvergabegebühr oder die Senkung der KFZ-Steuer für Frächter hier noch nicht berücksichtigt sind, bleibt damit auf der Einnahmenseite alles beim Alten: Die arbeitende Bevölkerung finanziert die vom Finanzsektor ausgelöste Krise, Vermögen und Erträge daraus werden gar nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß besteuert und die Industrie freut sich keinen signifiikanten Beitrag leisten zu müssen.

Auf der Ausgabenseite sind es die Menschen ohne Lobby denen man ihr verfügbares Einkommen kürzt. Neben Unterstützungen für junge Arbeitslose, Studierende und Zivildiener ist es die ohnehin zu geringe Entwicklungshilfe bei der man zu sparen bereit ist.

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One Response to „Zeit für Gerechtigkeit!“

  1. Georg 2. November 2010 at 09:57 #

    Finde, bezüglich der Einnahmenseite ist die Kritik überzogen. Es stimmt zwar, dass die Forderungen bereits von Haus aus zu lasch waren und dass gerade bei den vermögensbezogenen Steuern mehr getan werden muss (insbesondere Erbschaftsteuer).
    Trotzdem gibt es erstmalig seit Jahrzehnten wieder eine klare Erhöhung vermögensbezogener Steuern, die gegen den Widerstand der ÖVP durchgesetzt werden konnte. Zudem ist die Flugabgabe angesichts der ungleichen Verteilung der Nutzung alles andere als eine Massensteuer. Die MÖSt ist sicher das kleinste Übel sowohl unter den Massensteuern als auch unter den ÖVP-Vorschlägen, an deren Berücksichtigung man in einer Koalition wohl nicht umhinkommt. Die Belastung hält sich außerdem in Grenzen: Durchschnittlich jährlich nicht mal die Hälfte dessen, was älteren Studierenden in einem Monat weggenommen werden soll … Schade ist, dass man die Gelegenheit nicht genutzt hat die Zustimmung zur MÖSt-Erhöhung an eine ökosoziale Reform des Pendlerpauschale zu knüpfen.

    Würde bezüglich der Einnahmenseite insgesamt zum Schluss kommen, dass der SPÖ hier ein erster Schritt in die richtige Richtung geglückt ist, dem noch weitere folgen müssen.

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