Das Beste beider Parteien?!

Wenn Werner Faymann den Koalitionspakt als das "Beste beider Parteien" bezeichnet, dann kann man rein logisch nur daraus schließen, dass er die fundamentalen Punkte seines eigenen Wahlprogrammes (Vermögenssteuer, Gesamtschule, Mindestlohn, sofortige Steuerreform…) nicht für das beste der SPÖ hält.

Von Josef Falkinger*

Wer im "Weiterwursteln" das Beste der SPÖ sieht, wer Österreich in dieser Zeit einer realexistierenden Zweidrittelgesellschaft und eines steigenden Unbehagens in der Gesellschaft auf einem "erfolgreichen Kurs" sieht, an dem nichts groß geändert werden muss, der hat das Wesen der Sozialdemokratie nicht begriffen. Laut dem SPD-Gründungsmitglied Willhelm Liebknecht ist es nämlich die ureigenste Pflicht dieser Bewegung, zu ermutigen und den Menschen Hoffnung zu geben. Prinzipienlose Koalitionsabkommen würden, so der alte SPD Urvater, diesen Geist zu Nichte machen. (Willhelm Liebknecht, Kein Kompromiß – kein Wahlbündnis, 1899)

Der Sager vom "Besten beider Parteien" ist Zeichen einer ungeheuren Realitätsferne. Sogar der absolute Monarch Papst ist näher an den Menschen. Er forderte nämlich in den letzten Tagen ein neues ökonomisches Entwicklungsmodell ein.

Der Mensch sei „dasjenige Wesen, welches in einmaliger Art zur individuellen und erst recht zur kollektiven Selbstbelügung fähig“, meinte unlängst der Ökonom Erich Streissler. Im Falle Faymanns wäre die Selbstbelügung individuell. Denn weder die Parteibasis, noch der Mittelbau, noch der Parteivorstand selbst, noch die ÖVP nehmen ihm sein Statement vom Besten der Parteien ab -gar nicht zu reden von der breiten Masse der Bevölkerung.

Realitätsfremd ist ebenso die Behauptung vom "neuen Stil". Die ganzen Koalitionsverhandlungen waren von einem Stil geprägt, der sich vom Stil der letzten Jahre durch nichts unterschied. All die Streitpunkte, die jetzt im Abkommen in Ausschüsse vertagt wurden, die vielen Projekte, die quantitativ nicht beziffert werden machen immer neue Streitigkeiten unausweichlich.

Und gerade dieses Fortwursteln ist Wählervertreibung! Dieses Regierungsabkommen macht viele Menschen wütend, die sich aktiv für ArbeitnehmerInnenrechte und soziale Gerechtigkeit engagieren. Nicht alle, denn manche trösten sich, damit, dass die echten "Grauslichkeiten" verhindert worden sind. Das Regierungsprogramm- und dessen sind sich viele Funktionäre zu wenig bewusst- wirkt aber vor allem in höchstem Maße abstoßend in der politisch weniger interessierten breiten Masse der Bevölkerung. Es treibt sie ins Lager der FPÖ, der Neos oder ins Lager derer, die sich gar nicht mehr vom Parteiensystem repräsentiert sehen.

Der Sager vom "Besten beider Parteien" macht jedenfalls einen Sonderparteitag notwendig, denn er zeigt, dass Werner Faymann nicht mehr auf der Grundlage der Beschlüsse des letzten Parteitages agiert. Ein Sonderparteitag ist auch notwendig um zu klären, wie es jetzt weitergeht:

Das einzige wirkliche schlagende Argument für diese Koalition ist die nackte Angst vor der FPÖ. Hier gilt es zu entgegnen: Eben das Weiterwursteln von rot-schwarz ist der größte Liebesdienst, den man der FPÖ bereiten kann.

Die SPÖ sollte so schnell wie möglich aus dieser Koalition rausgehen und vor Neuwahlen einige zentrale sozialpolitische Projekte per Gesetzesinitiativen ins Parlament einzubringen. (Mindestlohn, Vermögenssteuer, Kürzungen der Agrarförderungen für Großgrundbesitzer, Gesamtschule…)

Als Anlaßpunkt sollte der nächste gröbere Koalitionszwist dienen, der nicht auf sich warten lassen wird, wenn es 2014 um die Diskussion der Steuerreform in der diesbezüglichen Arbeitsgruppe geht.

Weitere Bruchlinien wären meines Erachtens, ein Ausbleiben des prognostizierten Wachstums, neue Bankenpleiten oder deutlich höhere Zahlungen für die aktuellen Problembanken.

Selbstverständlich ist so eine Beendigung der Koalition jetzt nicht mehr ohne eine personelle und strategische Neuausrichtung der SPÖ-Spitze möglich. Die aktuelle Führung ist in der Bevölkerung diskreditiert. 71 % der ÖsterreicherInnen lehnen schon jetzt diese Regierung ab. Da dies ein Durchschnittswert ist, kann man sich ungefähr vorstellen wie hoch die Ablehnung bei den unter 40jährigen bzw. unter 30jährigen ist. Wer das nicht glaubt, sollte dringend die Diskussion mit jungen Menschen außerhalb des Funktionärskreis etwa unter ArbeitskollegInnen oder Bekannten suchen. 

Schlussendlich möchte ich nocheinmal darauf hinweisen welcher Schaden der FSG im Wahlkampf für die kommenden AK-Wahlen entsteht. Wer glaubt in der breiten Masse der ArbeitnehmerInnenschaft jetzt noch, dass die FSG wirklich wie über die letzten Jahre plakatiert mehr Verteilungsgerechtigkeit durchsetzen kann? Ich glaub’s schon. Aber sie braucht dafür eine gänzlich andere Politik ihrer Mutterpartei.  

*Josef Falkinger ist Mitglied der SPÖ Alsergrund

4 Responses to Das Beste beider Parteien?!

  1. Heinrich Elsigan 26. Dezember 2013 at 05:49 #

    Sind wir uns ehrlich,

    ich bin mir sicher, dass die SPÖVP weiter Geld für Bankenrettung und wohlerworbene Ruhegenüße ausgeben wird und es zu keiner Entlastung der Arbeit kommen wird.
    die Kaufkraft und der private Konsum stagnierte 2013 komplett, die Kosten fürs Pensionsystem stiegen weiter an und es wurden wieder mal die Abgaben erhöht.
    Gleichzeitig waren auch die Anlageinvestitionen heuer hier rückläufig und die Zahl der Arbeitslosen stieg an.

  2. punto 25. Dezember 2013 at 20:18 #

    @ “ ein Ausbleiben des prognostizierten Wachstums … “

    Das Wachstum wird „nachhaltig“ ausbleiben. Falls wir Glück haben, dann geschieht das rechtzeitig, denn je länger wir ein künstliches Wachstum aufrecht erhalten, um so größer wird der Berg, den wir vor uns herschieben.
    .
    Aber obwohl das Wachstum mit Sicherheit irgendwann ausbleiben wird weigert sich die SPÖ beharrlich rechtzeitig eine Politik zu entwickeln, bei der wir ohne Wachstum auskommen. Das ist fahrlässig.

  3. Martin 18. Dezember 2013 at 16:15 #

    Ist irgendwie erschreckend, wenn Faymann vom Besten beider Parteien spricht, da er nun draufkommt, dass Teile der ÖVP Forderungen besser als die eigenen sind.
    Wusste man das vor den Koalitionsverhandlungen nicht?
    Gibts nichts besseres?

  4. Martin Risak 17. Dezember 2013 at 15:48 #

    … und wenn wir schon beim Zitieren sind … „Selbstkritik, rücksichtslose, grausame, bis auf den Grund der Dinge gehende Selbstkritik ist Lebensluft und Lebenslicht der proletarischen Bewegung.“ (Rosa Luxemburg) … gilt sicher noch immer.

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