Fünf Gründe warum 100 ein Hammer sind!

logo-urabstimmung-transparentMit der Sektion 2 der SPÖ Wels hat heute die einhundertste Sektion/Ortspartei die Initiative für eine Urabstimmung unterstützt. Das hat es in der Geschichte der Partei noch nie gegeben und ist Ausdruck eines großen Wunsches nach Teilhabe und Reformen in der SPÖ. Fünf Gründe, warum die Unterstützung von 100 Ortsparteien und damit 20 Prozent unseres Ziels bereits ein riesen Erfolg ist.

Nikolaus Kowall


1. Die Sektionen & Ortsparteien wurden zum ersten Mal gefragt

In der 125-jährigen Geschichte der SPÖ wurden die Sektionen und Ortsparteien noch nie nach ihrer Meinung gefragt. Seit den 1970er-Jahren, als der Anspruch alle gesellschaftlichen Bereiche mit Demokratie zu durchfluten aus der SPÖ heraus (!) entstand, hat es die Partei verabsäumt mehr innerparteiliche Teilhabe durchzusetzen. Sie wirkt damit zunehmend wie ein Relikt aus den 1960er-Jahren – Autoritätshörigkeit, Gehorsam, Unterordnung des Individuums, straffer Kollektivismus und zur Schau gestelltes Machtbewusstsein sind 2013 nicht mehr der letzte Schrei. Das Internet ermöglicht es uns heute zum Glück selbst in die Hand zu nehmen, was von Seiten der SPÖ-Führung seit einer Generation verabsäumt wird. Wir fordern nicht nur Mitgliederbeteiligung, wir machen sie einfach, und das ohne finanzielle Ressourcen. Wir können der Basis eine Stimme verleihen und sie sichtbar machen. Unser offizielles Ziel ist es 500 UnterstützerInnen zu gewinnen und damit die Urabstimmung zu erwirken. Obwohl dieses Ziel unrealistisch erscheint, freuen wir uns unglaublich darüber, dass 100 Ortsparteien und Sektionen ihre Stimme erhoben haben. Das sind aus Sicht der Sektion 8 einhundert Mal so viele, wie bei vielen anderen Anläufen, die wir davor unternommen haben. In Anbetracht der Tatsache, dass die Ortsparteien und Sektionen überhaupt noch nie nach ihrer Meinung gefragt wurden, in Anbetracht der Tatsache, dass es in einer traditionellen und trägen Partei wie der SPÖ dafür keinen Rahmen, keine Regeln, keine Kultur gibt, ist das ein unglaubliches Lebenszeichen. Die Ortsparteien und Sektionen sind die kleinsten Zellen der SPÖ, also dort wo die Mitglieder und MitarbeiterInnen an der Basis selbst zusammenzukommen. Einhundert dieser kleinsten Zellen sind zusammengetreten und haben sich entschieden die Initiative für die Urabstimmung  zu unterstützen; diskutiert wurde und wird das Thema sogar in der ganzen Partei und auf allen Ebenen. Für Leute, die Volksparteien nicht von innen kennen, mag das nicht nach einem bedeutenden Ereignis aussehen. Für uns ist es aber der lautstarke Ausdruck eines Wunsches nach einem Kulturwandel in der SPÖ. Der Beweis für selbstständiges Denken und für die Fähigkeit zur Artikulation einer eigenen Meinung sowie für die Sehnsucht nach einer gepflegten Streit- und Dialogkultur. Das wären die Ingredienzien, um überhaupt einmal die großen inhaltlichen, organisatorischen, demokratischen und strategischen Baustellen der Partei in Angriff nehmen zu können. Die Urabstimmungskampagne wird womöglich einmal als Meilenstein am Weg zu Reform und Demokratisierung der österreichischen Sozialdemokratie betrachtet werden.

2. Der Gegenwind ist enorm, vor allem in Wien

Die Parteiführung hat sich nicht nur öffentlich gegen eine Urabstimmung ausgesprochen, sondern auch den hauptamtlichen Apparat gegen die Initiative mobilisiert. Über die Bezirksparteisekretariate wurden und werden Ortsparteien explizit aufgefordert, von einer Unterstützung der Initiative abzusehen. Als Argumente werden der Ruf nach Geschlossenheit angeführt, sowie dass es der falsche Zeitpunkt sei – als ob es jemals einen richtigeren Zeitpunkt für unbequeme Demokratisierungsprozesse geben würde. Eine beispielhafte Anekdote für den Wind, der unserer Initiative ins Gesicht bläst: Ein Angebot der Sektion 8 an alle Wiener Sektionen über die Urabstimmung zu diskutieren wurde u.a. von einer Sektion in einem hier bewusst nicht genannten Bezirk angenommen. Am Vorabend wollte der Sektionsleiter die Veranstaltung plötzlich auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschieben. Es sei ihm persönlich zwar unangenehm, aber es habe sehr deutliche Interventionen gegeben. Daraufhin habe ich den Bezirksvorsitzenden des entsprechenden Bezirks angerufen um ihn zu fragen, wer der politisch Verantwortliche für die Ausladung meiner Person sei. Mein Gegenüber war ein halbstündiges Telefonat lang nicht in der Lage offen zuzugeben, dass er interveniert hatte – obwohl uns beiden klar war, dass er die Ausladung veranlasst hatte. Das Fehlen eines offenen Diskussionsklimas in der SPÖ Wien fördert leider eine Kultur des Lavierens. Außerdem schimmerte durch, dass er dem Sektionsleiter anlastete, dass dieser sich bei der Absage die Fremdbestimmung hatte anmerken lassen. Das heißt, der Sektionsleiter hätte verbergen sollen, dass Druck ausgeübt wurde, er hätte seine eigene Meinung verleugnen sollen. Diese Denke folgt der Logik eines Parteiapparats sowjetischen Musters und hat in einer modernen Partei nichts zu suchen. Vor allem aber unterstreichen Vorfälle wie dieser die Notwendigkeit eines Kulturwandels in der SPÖ. Die Initiative für eine Urabstimmung versucht diesen Kulturwandel gleich selbst zu praktizieren.

3. Die Grundgesamtheit 3.500 ist zu hoch angesetzt

Es gibt in der SPÖ formal rund 3.300 Ortsparteien und Sektionen. In den zahlreichen kleineren Ortschaften gibt es also eine Ortspartei, manche Marktgemeinden und kleinere Städte unterteilen sich bereits in Sektionen. Deshalb gibt es bei 2.354 Ortschaften in Österreich rund 2.300 Ortsparteien und rund 1.000 Sektionen. Eine Stadt wie Amstetten (23.000 EinwohnerInnen) hat formal schon sechs Sektionen, Linz hat 23 und Wien hat 330. Nun ist es aber so, dass in den letzten 20 Jahren wegen des Mitgliederrückgangs zahlreiche Sektionen zusammengelegt wurden, manche formell, viele aber auch informell. Darüber hinaus beschränken sich viele Sektionen nur noch auf eine Weihnachtsfeier und das politische Leben spielt sich auf Stadtebene, bzw., in Wien auf Bezirksebene ab. Viele Sektionen existieren überhaupt nur noch auf dem Papier, in Regionen wo die SPÖ traditionell schwach ist teilen einige Ortsparteien das gleiche Schicksal. Wenn wir die Frage stellen, wie viele politische Zellen hat die SPÖ im November 2013 bundesweit, dann sind wir wahrscheinlich näher bei 2.000 als bei 3.500. Die von uns angepeilten 15 Prozent liegen demensprechend de facto näher bei 300 als bei 500.

4. Die kleinste Einheit ist die entscheidende Zelle

Die Idee, zur Durchsetzung einer Urabstimmung statt der statutarisch vorgesehenen 15 Prozent der Mitglieder (36.000 Menschen) zu versuchen 15 Prozent der Ortsparteien und Sektionen zu gewinnen, war ursprünglich ein Vorschlag von SJ-Vorsitzenden Wolfgang Moitzi. Wir haben in der Sektion 8 vor allem deshalb zugestimmt, weil weder die SJ, geschweige denn wir in der Sektion 8, die Ressourcen haben, um 36.000 Mitglieder für eine Unterschrift zu mobilisieren. Erst im Zuge der Initiative wurde uns klar, dass diese aus der Not geborene Lösung eigentlich genial ist. Wenn wir die Mitglieder befragt hätten, dann hätten eben all jene eine Online-Petition ausgefüllt, die unser Anliegen gut finden. Es wäre eine ziemlich individuelle Angelegenheit geworden. Dadurch, dass wir die Ortsparteien angesprochen haben, kam plötzlich ein politisches Moment in die Sache. Die Mitglieder haben die Angelegenheit in der lokalen Gruppe diskutiert. Sie haben sich letztlich bei einer Abstimmung deklariert, und das nicht zu einer kommunalpolitischen, sondern zu einer bundesweiten Frage. Die persönliche und geheime Wahl hat ihre unbestrittenen Vorteile und die Urabstimmung zum Koalitionsvertrag selbst sollte natürlich auch individuell ablaufen. Trotzdem stellt sich für eine SPÖ der Zukunft die Frage, in wie weit neben regelmäßigen Urabstimmungen nicht auch gewisse Entscheidungen in Ortsparteiabstimmungen fallen sollen. Auf diese Weise würde ein Beitrag zur Repolitisierung der SPÖ geleistet.

5. Es entsteht ein österreichweites Netzwerk

Die Initiative für eine Urabstimmung funktioniert bundesweit. Bis auf Kärnten, das von sich aus einen „Känrntenkonvent“ zur Koalition angesetzt hat, sind aus allen Bundesländern Ortsparteien und Sektionen dabei. Oberösterreich ist mit 53 unterstützenden Ortsparteien und Sektionen eindeutig das Gravitationszentrum der Initiative. Der Wunsch nach Veränderung ist also überall zu spüren, wenn auch in unterschiedlich ausgeprägter Intensität. Mit der Initiative zur Urabstimmung wagen sich viele, denen mehr Teilhabe ein Anliegen ist, aus der Deckung. Dadurch entsteht gerade ein österreichweites Netzwerk reformorientierter Kräfte in der SPÖ. Alle die mitmachen wissen nun, wo potentielle Verbündete sitzen. Auf unserer digitalen UnterstützerInnenkarte können alle Interessierten einfach nachsehen, wo es in ihrer Region lebendige und kritische Basisgruppen gibt. Die Initiative zur Urabstimmung wird ihr ursprüngliches Ziel von 500 voraussichtlich nicht erreichen. Dieses Ziel steht aber auch nicht mehr im Vordergrund, mittlerweile ist die Initiative zu einem Symbol für die Forderung nach mehr Mitbestimmung in der SPÖ geworden. All jene die auch der Meinung sind, dass es mit unserer Partei nicht mehr so weitergehen kann wie bisher, sind deshalb aufgerufen aus der Deckung zu kommen und die Reformkräfte in der SPÖ offen zu unterstützen. Denn die SPÖ sind wir alle.

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One Response to Fünf Gründe warum 100 ein Hammer sind!

  1. AKTIVE ARBEITSLOSE 23. November 2013 at 20:11 #

    Sehr fein! Das ist höchst an der Zeit das Ruder rum zu reißen und die Komplizenschaft mit dem neoliberalen Regime zu beenden.

    Wir bitten Euch in einer dringenden Sache in Wien um Eure unterstützung. Da könnt Ihr zeigen, ob es Euch ernst ist mit einem Kurswechselt:

    SOS Sozialstaat!! Auch das „rot-grüne Wien“ macht beim neoliberalen Aktivierungs- und Arbeitszwangregime mit und will nun bei der Mindestsicherung auch die menschenrechtswidrige Pflicht zur Zwangsrehabilitation einführen. Zwnagsbehandlungen psychiatrisch erkrankter Menschen zählt für die UNO übringens als Folter und wird daher zu entsprechenden Rügen bezüglich Missachtung der UN Konvention gegen Folter führen. Genossen, ist es nicht an der Zeit sich auf die Seite der Unterdrückten zu stellen und Eure Parteiführung klar zu machen, was für Menschenrechtsverbrechen sie nun dabei ist zu begehen? Wäre die Sektion 8 bereit uns beim Kampf um unsere MENSCHENRECHTE zu unterstützen? Bei manchen Menschen geht es da nicht nur um die Gesundheit, sondern womöglich auch ums nackte Überleben …

    http://www.aktive-arbeitslose.at/news/20131115_offener_brief_novelle_wiener_mindestsicherungsgesetz.html

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