Dem Einen Recht, dem Anderen Billig

Der polemische Ton der „Kunst hat Recht“-Aussendung in derStandard-Glosse verstört mich. Im Namen von Urheber_innen wird auf Weltbild und Recht geklopft. Damit auch ungefragt in meinem Namen. Wenn man mich gefragt hätte, dann hätte ich als Kind meiner Zeit

viel zu sagen gewusst. Zum Beispiel, warum die Alten immer schon geirrt haben, wenn technische Neuerungen ins Spiel kamen. Den Kopf hätten sie zur Antwort geschüttelt, von Naivität hätten sie geredet.  Vielleicht haben sie Recht. Vielleicht ist die Welt, die ich erwarte, in weiterer Ferne, als ich glaube. Vielleicht wird mein Zukunftsglaube nicht so bald Miete und Sozialversicherung bezahlen. Dann sollte ich schauen, dass ich auf meine Kosten komme. Eine Recherche.

von Erzsi Winter*

Als ersten Anhaltspunkt nehme ich die mir vierteljährlich von meinen Verwertungsgesellschaften zugesandten „Informationen“. Unter den 24 A4-Seiten finden sich vier Seiten über die Generalversammlung 2012 der austro mechana und zwei Seiten über die der AKM. Ich bekomme von denen Geld, wenn ich mich rechtzeitig darum kümmere. Aber wer sind die überhaupt?

Verwertungsgesellschaftsrecht

Am 6. Dezember 2005 hat der Nationalrat (Schüssel II) das Verwertungsgesellschaftenrechtsänderungsgesetz 2006 beschlossen. Damit wurden ein Verwertungsgesellschaftengesetz erlassen und das Urheberrechtsgesetz und KommAustria-Gesetz geändert. Ich lasse beiseite, wie und warum dieses Gesetz zustande kam und woraus es sich entwickelt hat. Es wird eine EU-Vorgabe und eine österreichische Lösung sein, denkt man sich in diesem Land. Zunächst geht es in dem Gesetzestext um die Betriebsgenehmigungen, die nur von der Aufsichtsbehörde, der KommAustria vergeben werden dürfen.

§ 3. (2) Für die Wahrnehmung eines bestimmten Rechts darf jeweils nur einer einzigen Verwertungsgesellschaft eine Betriebsgenehmigung erteilt werden. Bewerben sich zwei oder mehr Antragsteller um die gleiche Betriebsgenehmigung, so ist sie demjenigen zu erteilen, von dem zu erwarten ist, dass er diese Aufgaben und Pflichten am besten erfüllen wird; hiebei ist im Zweifel davon auszugehen, dass bestehende Verwertungsgesellschaften diese besser erfüllen als solche, denen noch keine Betriebsgenehmigung erteilt worden ist. Wenn die Entscheidung nicht nach diesem Kriterium getroffen werden kann, ist die Betriebsgenehmigung dem Antragsteller zu erteilen, von dem zu erwarten ist, dass den Ansprüchen, mit deren Wahrnehmung er betraut worden ist, die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommen wird; wenn auch die wirtschaftliche Bedeutung gleich groß ist, entscheidet das Zuvorkommen.

(3) Im Übrigen soll nach Tunlichkeit nicht mehr Verwertungsgesellschaften eine Betriebsgenehmigung erteilt werden, als es für eine den Interessen der Rechteinhaber und der Nutzer Rechnung tragende zweckmäßige und sparsame Rechtewahrnehmung notwendig ist. Wenn sich eine neue Verwertungsgesellschaft um die Erteilung einer Betriebsgenehmigung bewirbt, hat die Aufsichtsbehörde diejenigen bestehenden Verwertungsgesellschaften, die die Voraussetzungen für die Erteilung der fraglichen Betriebsgenehmigung erfüllen, einzuladen, sich ebenfalls um die Erteilung zu bewerben.

Denke, das heißt, dass wir mit den bestehenden Vertretungen leben sollen. Ganz zu verstehen, ist das nicht. In Österreich gibt es dreizehn Verwertungsgesellschaften, das erscheint mir viel. Die AKM ist für die Aufführungs- und Senderechte von musikalischen Werken zuständig, die austro mechana kümmert sich um die Wahrnehmung der mechanisch-musikalischen Urheberrechte. Dann gibt es im Musikbereich noch die LSG (Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH), die OESTIG (Österreichische Interpretengesellschaft), die VGR (Verwertungsgesellschaft Rundfunk), die VAM (Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien), die VBT  (Verwertungsgesellschaft für Bild und Ton) und die Musikedition (Gesellschaft zur Wahrnehmung von Rechten und Ansprüchen aus Musikeditionen).

Ob das wirklich zweckmäßig und sparsam ist, darf bezweifelt werden. Und wenn es doch aus irgendwelchen Gründen Sinn macht, ist die derzeitige Aufteilung noch zeitgemäß?

Leerkassettenvergütung

Im § 13. des VerwGesG wird dann die umstrittene Leerkassettenvergütung behandelt:

(2) Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche auf Leerkassettenvergütung geltend machen, haben sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen zu schaffen und diesen 50% der Gesamteinnahmen aus dieser Vergütung abzüglich der darauf entfallenden Verwaltungskosten zuzuführen. Die Verpflichtung zur Schaffung sozialer Einrichtungen gilt jedoch nicht für Verwertungsgesellschaften, deren Bezugsberechtigte ausschließlich Rundfunkunternehmer sind.

Die austro-mechana hat zu diesem Zweck die SKE (Soziale und kulturelle Einrichtungen) eingerichtet. Im Jahresbericht erfahre ich „Die Mittel der SKE stammen ausschließlich aus der Urheberrechtsabgabe (URA) für privates Kopieren, der sogenannten „Leerkassettenvergütung“. Die austro-mechana ist beauftragt, diese Abgabe im Namen aller österreichischen Verwertungsgesellschften einzuheben und beschreibt in ihrem Jahresbericht auch die Einnahmenentwicklung. 2011 ist sie in etwa auf dem Stand von 2002, es wurden 7,928.000€ eingehoben. Zwischen 2003 und 2007 pendelten die Einnahmen zwischen 16 und 18 Millionen Euro, um danach sukzessive abzufallen. Die austro mechana begründet das wie folgt:

„Die Konsumenten kaufen weniger Verbrauchsgüter wie CD und DVD und steigen zunehmend auf Geräte mit integrierten Speichern (Festplatten) um. Diese sind langlebig und die Tarife für die Leerkassettenvergütung in Relation niedriger. Die Vergütungspflicht für etliche dieser Speichermedien ist noch strittig. Die Verwertungsgesellschaften haben daher gegen die Vertreiber von MP3-fähigen Mobiltelefonen Klagen auf Rechnungslegung und Zahlung der Leerkassettenvergütung eingebracht. Diese Verfahren sind nach wie vor in der 1. Instanz. Hewlett Packard hat gegen die Verwertungsgesellschaften eine Klage auf Feststellung eingebracht, dass Festplatten für PCs nicht vergütungspflichtig sind. Das Verfahren ist derzeit beim OGH anhängig.“

Dem Verweis auf den Jahresbericht 2011 des SKE-Fonds folgend, wechsle ich ins Netz. Die 2011 von der SKE verwendeten Mittel belaufen sich in der Höhe von € 2.017.039,22. Die Verwaltungskosten sind als schlank zu bezeichen, die kulturellen und sozialen Zuschüsse sind ausgewogen, die Verwendung der Mittel gut dokumentiert. Jede/r aus meiner Branche wird bestätigen, dass diese Leute gut arbeiten. Es bleibt die Frage, warum sie es innerhalb einer Verwertungsgesellschaft tun. In meinem Verständnis wäre ihr Aufgabengebiet eines der öffentlichen Hand oder einer Kulturstiftung. Irritiert lese ich, dass die SKE ein „im Rechnungskreis SKE verbleibendes Widmungskapital als Reserve für Zuschüsse und Förderungen kommender Jahre, somit als Sicherheit in Anbetracht aktuell sinkender Einnahmen aus der Leerkassettenvergütung“ angelegt hat. Immerhin € 4.165.001,80.

Auch an der „Kunst hat Recht“-Initiative beteiligt sich die SKE: „ … wird gemeinsam finanziert und erfolgt innerhalb der austro mechana teilweise aus den Mitteln der SKE“. Das erscheint mir im Widerspruch zum gesetzlichen Widmungszweck der Einrichtung, auch wenn es durch Punkt C.4. der SKE-Richtlinien genehmigt ist. Ob die kulturell oder sozial geförderten Urheber_innen ident sind mit jenen, die „Kunst hat Recht“ unterschrieben haben, kann ich nicht überprüfen, weil keine Namensliste existiert. Das VerwGesG fordert lediglich:

§ 18. (1) Die Verwertungsgesellschaften haben auf ihrer Website öffentlich zugänglich zu machen:                                                                           

  1. ein Verzeichnis der Namen (Decknamen) ihrer Bezugsberechtigten unter Angabe allfälliger inhaltlicher oder territorialer Beschränkungen der Rechtewahrnehmung,

Die Muttergesellschaft austro-mechana hat tiefergehende Kommunikationsprobleme quasi höherer Gewalt. Ihre Homepage wurde „aufgrund der wiederholten Attacken seitens Anonymous“ bereits im Mai vom Netz genommen (vgl. Futurezone).

Die zweite Gesellschaft, die hauptsächlich von der Leerkassettenvergütung profitiert ist die LSG (Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Ges.m.b.H.), deren Gesellschaftsanteile zu 50% von der IFPI, des Verbandes der Österreichischen Musikwirtschaft gehalten werden. Grob geschätzt fließen also 25% der Leerkassettenvergütung direkt an EMI, Sony und Konsorten. Die Hälfte davon müssen sie für kulturelle und soziale Zwecke der SKE zuführen, die andere Hälfte verwendet die IFPI wohl für den Amadeus Austrian Music Award oder „Kunst hat Recht“ oder dem Management der Austria Top 40.

Tantiemen-Verteilung

Dem zugesandten Jahresbericht der austro mechana entnehme ich, dass 2011 insgesamt 13,526 Millionen Euro an die Bezugsberechtigten aller Abrechnungssparten verteilt worden sind. Beigelegt ist eine Grafik, die die Verteilung zwischen Urhebern und Verlegern beschreibt.

Das legt den Verdacht nahe, dass die Mittel zumindest zu 2/3 den Verlegern zugeflossen sind. Was genau verteilt wird, kann ich nicht eruieren. Sind da die 50% der Festplattenabgabe, die nicht der SKE zugeflossen sind mit drin? Die kurze Bilanzaufstellung, die mir vorliegt weist lediglich noch nicht abgerechnete Verbindlichkeiten in der Höhe von 26 Millionen Euro als Anhaltspunkt auf. Wertpapiere besitzt die Austro Mechana gleichfalls in der Höhe von 26 Millionen.

Bei der AKM, ebenfalls eine der „Kunst hat Recht“-Organisatorinnen ist die Tantiemenverteilung noch komplizierter. Die AKM unterscheidet zwischen ordentlichen Mitgliedern und Tantiemenbezugsberechtigten. Diese Unterscheidung ist schwerwiegend, sie findet sich auch in den Todesnachrichten: Die AKM bedauert das Ableben von TB Walter Malli und des OM Dr. Rupert Mario Engelsberger. Für noch Lebende bedeutet dieser Unterschied jedenfalls Stimmrecht, weitere Vorteile bestreitet die AKM. Die Berliner Zeitung behauptet in einem Artikel vom Juni d. J., dass bei der GEMA, der deutschen Schwestergesellschaft der AKM, 65% aller Tantiemen an 5% der Bezugsberechtigten fließen, was die Berliner vor allem darauf zurückführt, dass die lediglich angeschlossenen Mitglieder „in den Ausschüssen, die über Verteilung und Auszahlungsmodalitäten entscheiden, praktisch nicht vertreten sind. Faktisch haben sie keine Rechte. Sie nehmen nur das Inkasso entgegen, das ihnen der Verein für die Nutzung ihrer Werke zuspricht.“ Wer die ordentlichen Mitglieder bei der AKM sind, erfährt man nicht. Was auf der AKM-Seite Liste der AKM-Mitglieder/Urheber genannt wird, ist ein Verzeichnis insgesamt aller Bezugsberechtigten. Wie viele der Ordentlichen Mitglieder Verleger, bzw. Urheber_innen sind erschließt sich folglich auch nicht.

Das VerwGesG hält ausdrücklich, dann aber doch einschränkend fest:

§ 15. (1) Die Verwertungsgesellschaften haben in ihren Organisationsvorschriften (Genossenschaftsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Satzungen, Statuten) dafür zu sorgen, dass die Bezugsberechtigten in geeigneter Weise an der Willensbildung der Gesellschaft mitwirken können; bestehen in einer Verwertungsgesellschaft zwei oder mehrere Gruppen von Bezugsberechtigten mit unterschiedlichen Interessen, dann ist auch dafür zu sorgen, dass deren Interessen ausgewogen und verhältnismäßig berücksichtigt werden. Hiebei ist in angemessener Weise sicherzustellen, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft ihre Aufgaben wirksam erfüllen kann und dass allenfalls notwendige Änderungen der erwähnten Organisationsvorschriften nicht unnötig erschwert werden.

 Die AKM legt an verschiedenen Stellen Wert auf die Feststellung, dass sie die Tantiemen abzüglich eines Verwaltungsaufwandes zur Gänze an die Bezugsberechtigten ausschüttet. Wie auf diese Weise ein Wertpapiervermögen in der Höhe von €18.193.359 angehäuft werden konnte, bleibt rätselhaft. Den in der Bilanz angeführten „Kassabestand, Guthaben bei Kreditinstituten“ von €49.906.778  finde ich immerhin beachtlich.

Im Geschäftsbericht wird angeführt, dass die AKM 2011 an 13.387 Bezugsberechtigte €46.835.000 ausbezahlt hat.

Kunst hat Geld

Nicht nur, weil die Aufnahmekriterien als Ordentliches Genossenschaftsmitglied bei der AKM unter anderem besagen Die Bewerbung kann abgelehnt werden, wenn Gründe vorliegen, die in der Person des Bewerbers liegen und die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass der Bewerber den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb fördern wird. Solche Gründe liegen etwa vor, wenn der Bewerber gegenüber der Gesellschaft bestehende vertragliche Verpflichtungen verletzt oder durch sein Verhalten die Gesellschaft oder andere Bezugsberechtigte ideell oder materiell geschädigt hat.“ , veröffentliche ich diesen Bericht unter einem Pseudonym. Hier geht es um Geld, um sehr viel Geld, um sehr wohlhabende und zunehmend verarmende Existenzen. Solche Bedingungen machen die Menschen nicht besser.

Als Ausweg und derzeit einzig vernünftige politische Lösung scheint mir die komplette Neustrukturierung der bestehenden Verwertungsgesellschaften. Dabei wäre in erster Linie keine Diskussion über Trägermedien und Technologiewandel zu führen, sondern auf eine strikte Trennung der Interessen von Urheber_innen und Verlegern zu achten.

Verfolgenswert erscheint mir dazu die derzeit in Deutschland geführte Debatte, dort bringt gerade der Urheberrechtler Martin Vogel mit einer Klage gegen die VG Wort die Strukturen der großen Verwertungsgesellschaften ins Wanken.

*Erzsi Winter lebt und arbeitet in Wien

5 Responses to Dem Einen Recht, dem Anderen Billig

  1. norbert 26. Juli 2012 at 09:53 #

    kann man sich da als kuenstler eigentlich auch abmelden oder „verwerten“ die alles sobalds in at rauskommt?

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