Der Europäische Währungsfonds – Lösung einer andauernden Krise

Die Euroraumkrise bewegt seit März 2010 die Gemüter der europäischen PolitikerInnen und ÖkonomInnen. Die de-facto Pleiten von Griechenland und Irland haben Europa in eine tiefe Krise gestürzt. Und diese ist lange noch nicht ausgestanden. Die Risikoaufschläge für griechische und irische 10-jährige Staatsanleihen haben neue Rekorde erreicht, und noch immer wird über eine Pleite von Portugal, Spanien oder gar Italien spekuliert.

Dominik Bernhofer

Die anhaltende Nervosität der Finanzmärkte hat auch mit dem Versagen der Politik zu tun. Das Chaos bei der Rettung Griechenlands ist noch vertretbar, das Zögern und Zaudern danach weniger. Nach langem Hin und Her wurde im Mai 2010 die „European Financial Stability Facility“ (EFSF) mit Garantien von 770 Mrd. EUR ausgestattet. Sie soll Kredite an Staaten vergeben, die sich nicht mehr über die Märkte finanzieren können. Die Refinanzierung erfolgt über die Ausgabe von Anleihen, direkte Interventionen am Markt für öffentliche Schuldverschreibungen sind ausgeschlossen. Das größte Problem mit der EFSF ist, dass nur etwa 2/3 ihrer Volumens auch tatsächlich „flüssig“ gemacht werden kann, womit im besten Falle Portugal keineswegs aber Spanien oder Italien gerettet werden können. Hinzu kommt, dass sie mit 2013 einfach ausläuft und die weitere Zukunft völlig offen ist. Das schafft Unsicherheit auf den Märkten, und die tatsächlichen Probleme des Euroraums bleiben unbeantwortet.

Diese Krise ist nur oberflächlich eine Krise der öffentlichen Finanzen. In Wahrheit sind es die großen Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euroländern, die zu Leistungsbilanzungleichgewichten und letztlich steigender öffentlicher Verschuldung führten. Gerade Irland ist ein gutes Beispiel. Vor der Krise war Irland ein Musterschüler der EU. Mit einer generösen (Niedrig-)Steuerpolitik wurden Banken und andere Finanzinstitutionen angezogen, die private Verschuldung boomte. Zwischen 2000 und 2007 betrug das durchschnittliche reale Wachstum des BIP mehr als 5% pro Jahr. Viel höher als jenes von Österreich oder Deutschland. 2007 – also kurz ver der Krise – konnte Irland einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Der Schuldenstand betrug 25% des BIP, weit entfernt von den Alarmglocken des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP). Gleichzeitig stieg aber auch das Leistungsbilanzdefizit, sprich die irische Volkswirtschaft verschuldete sich gegenüber dem Ausland. Als sich die Banken schließlich mit Derivaten auf amerikanische Hypothekenkredite verspekulierten – und die irische Regierung leichtfertig volle Garantien aussprach – schnappte die Falle zu. Defizit und Schuldenstand des Staates stiegen rasant an und die Finanzmärkte liefen Amok.

Welche Ableitungen lassen sich ziehen: Erstens, der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt (ESWP)hat versagt und sollte dringend reformiert werden. Zweitens, nicht die öffentliche sondern die Gesamtheit aus öffentlicher und privater Verschuldung – abgebildet in der Leistungsbilanz – ist das richtige Risikokriterium 1. Was der Euroraum jetzt braucht ist ein institutionelles Setting, das dauerhaft Krisenszenarien wie wir sie aktuell beobachten verhindert. Mein Vorschlag: ein Europäischer Währungsfonds (EWF) 2 . Was ist zu tun?

1) Der Europäische Rat beschließt die volle Garantie aller bestehenden und neuen öffentlichen Schulden des Euroraums durch die Gemeinschaft seiner Mitgliedsländer. Sodann reformiert er den ESWP und legt eine Grenze für Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite von 2% des BIP fest. Die alten Kriterien für Defizit und Schuldenstand werden abgeschafft. Im Anschluss schafft er eine neue Institution mit Namen Europäischer Währungsfonds (EWF), nach Vorbild von EZB und IMF. Die Führung der Institution wird von der Politik bestimmt, in ihrem Agieren aber ist der Währungsfonds unabhängig.

2) Der EWF hat zwei Aufgaben: Erstens begibt der EWF sogenannte Eurobonds, um die laufende Finanzierung der Eurostaaten sicherzustellen. Nationale Anleihen sind damit abgeschafft, ein einheitlicher Markt für auf Euro lautende Staatsanleihen nach US-amerikanischem Vorbild geschaffen. Zweitens überwacht der EWF die Leistungsbilanzen der Mitgliedsländer. Sollten sich große Ungleichgewichte aufbauen, kann der EWF ein Verfahren einleiten und – von Fall zu Fall – Vereinbarungen mit den Nationalstaaten zum Abbau derselben treffen. Deutschland – mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen – müsste eine expansive Fiskalpolitik und hohe Lohnabschlüsse forcieren um den Konsum zu stimulieren, während Irland auf der anderen Seite gegenteilige Maßnahmen einschlagen müsste.

Die Vorteile dieser Konstruktion wären mannigfaltig. Zuerst einmal werden die strukturellen Probleme des Euroraums – die Leistungsbilanzungleichgewichte – adressiert. Die Fiskalpolitik wird in transparenter Weise koordiniert, ohne dass die Staaten ihre nationale Souveränität aufgeben müssten. Spreads und Staatspleiten sind per Definition ausgeschlossen. Die Größe des Marktes – vergleichbar mit dem für US-amerikanische Staatsanleihen – wird für die nötige Liquidität sorgen und das Zinsniveau drücken.

Der Vorschlag ist nicht frei von Schwächen und Gefahren. Noch schlimmer aber ist eine ideenlose Politik die sich in „toten“ Strukturen verschanzt. Die Krise des Euro ist fundamental. Mehr Europa ist das Gebot der Stunde. Es ist fraglich ob der deutsch-französische „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ dieser Anforderung gerecht werden kann

  1. Auf diesen Punkt hat bereits das deutsche Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) verwiesen (IMK, Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts: Nicht nur öffentliche, auch private Verschuldung zählt, IMK Report, Nr. 51, Juli 2011)
  2. Das IMK aus Düsseldorf hat einen ähnlichen Vorschlag gemacht (IMK, Herausforderungen für die Wirtschaftspolitik 2011: Der Euroraum in Trümmern?, IMK Report, Nr. 59, Jänner 2011). Der vorliegende weicht allerdings in wesentlichen Punkten davon ab.

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5 Responses to Der Europäische Währungsfonds – Lösung einer andauernden Krise

  1. maximinus 14. April 2011 at 13:53 #

    Die Empfehlungen der Boecklerstiftung greifen ebenso zu kurz wie die Lösungen des Bernhofer Artikels. Solange sich die EWU Staaten in der Geiselhaft eines unveränderten EZB-Systems befinden und die fatalen Bestimmungen des zu Unrecht als Stabilitäts- und Wachstumspakts bezeichneten Maastrichtkriterien nicht analytisch hinterfragen, können sie nicht antizyklisch agieren und verschlechtern nur die Situation. Warum das so sein muss steht hier: http://blog.tullnerbach.net/#post5

  2. Dominik Benrhofer 10. April 2011 at 20:02 #

    Ich kann mich den Kommentaren nur anschließen.
    @Geldpolitik: Ich empfehle folgenden Bericht: http://www.boeckler.de/show_product_imk.html?productfile=HBS-004961.xml
    Hier werden der EWF sowie eine Geldpolitik die direkt auf den Sekundärmärkten interveniert als politische Antworten empfohlen.

  3. maximinus 10. April 2011 at 14:41 #

    Die vorgestellten Lösungen sind nur eine Behandlung von Symptomen einer verfehlten Geldpolitik. Was erforderlich ist, wäre endlich einzusehen, dass unser heutiges Geld (seit der Abschaffung des Goldstandards) nichts anderes ist, als eine Verrechnungeinheit. Man braucht es nicht mehr zu „leihen“, von den die es haben. Unser heutiges Geld kann man nicht mehr „haben“, es sind Buchungszeilen in einem Computersystem. Mit einem Tastendruck können Konten kreditiert werden. Es kann jederzeit soviel „ausgegeben“ werden, wie dafür an Waren und Dienstleistungen erhältlich sind. Erst wenn es keine ungenützen Arbeitskräfte, Rohstoffe oder Energie gibt, ist die Grenze erreicht, wo weitere Ausgaben Inflation erzeugen. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Niemand braucht die „Märkte“ um Geld zu leihen. Es ist der Staat der die Verantwortung hat seinen Bürgern diese Verrechnungseinheit zur Verfügung zu stellen um ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit zu ermöglichen. Seitdem die Staaten, die an der EWU teilnehmen, diese Verantwortung an das EZB- System abgetreten haben, müsste dieses das übernehmen, aber das haben sie dem verboten zu tun. Die EZB darf den Staaten kein Geld geben. Anstelle diese Bestimmung einfach ausser Kraft zu setzen, werden absonderliche Konstruktionen angedacht wie „Rettungsschirme“ und dergleichen.
    Wem diese Gedanken zu abenteuerlich vorkommen, ist eingeladen eine Internetsuche mit den Stichworten MMT, Functional Finance, public purpose finance, chartalism zu tätigen.
    Wenn es der politische Wille wäre könnte die Krise über Nacht abgestellt sein.

  4. Joe T. 7. März 2011 at 15:20 #

    Deine zutreffende Analyse, dass die Ursache der Weltwirtschaftskrise zu überwiegenden Teil auf makroökonomische Ungleichgewichte zurückzuführen ist wird in der öffentlichen Debatte ja leider all zu gerne übersehen. Gerade in Deutschland (aber auch in Österreich) war es die Fokusierung auf die „Wettbewerbsfähigkeit“, mit der nichts anderes als eine zurückhaltende Lohnpolitik gemeint war, welche zum Aufbau dieser Außenhandelsungleichgewichte beigetragen hat.

    Die von dir hier skizzierten Lösungsansätze halte ich ebenfalls für vernünftig:
    – Eine Garantie auf Staatsschulden würde die Abhängigkeit vom Finanzmarkt reduzieren, Spekulationen eindämmen und somit die Kosten für die SteuerzahlerInnen senken.
    – Maximalgrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse würde eine nachhaltige gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik ermöglichen, die nicht (mehr) auf Lohndumping basiert.
    – Eurobonds würden die Schuldenlast des gesamten Euroraums verringern und Spekulationen auf Staatsanleihen auf ein Minimum reduzieren. Auch hier würden im Endeffekt die SteuerzahlerInnen profitieren.
    Allerdings gibt es bei den Eurobonds wohl ein Moral Hazard Problem: Wenn die Staaten beginnen zu antizipieren, dass die Zinslast aufgrund der guten Bonität der anderen Länder niedrig bleibt werden sie verleitet sein, sich immer stärker zu verschulden. Im Extremfall könnte ein solches Szenario zu einer Explosion der Staatsschulden führen. Es stellt sich also die Frage nach vernünftigen Lösungsansätzen. Denkbar wäre etwa eine Art Zinszahlungsausgleich innerhalb des EWF.

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    […] zu Griechenland, Irland und Portugal erkennen. Was man in Europa anders machen könnte, haben wir hier und hier dargelegt. Quelle: Der […]

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