Fairness statt „Sanftheit“

Eine Replik auf Nikolaus Kowalls „Für eine sanfte Lenkung an der Uni

Sophie Wollner*

„Die Uni brennt“ und der Diskurs um die österreichischen Hochschulen treibt Blüten. Bundeskanzler Faymann verstärkt durch seine Aussagen in den letzten Tagen das Bild der unklaren SPÖ-Position in Sachen Zugangsbeschränkungen und Hochschulpolitik. Niki Kowall argumentiert in seinem Blogbeitrag für eine sanfte Lenkung an der Uni – die Instrumente die er vorschlägt und der Weg den er einschlagen möchte sind, wenn auch bei ähnlichem Ziel, fragwürdig. Die Argumentationsweise schlägt – trotz expliziter Kritik an der Politik der SPÖ – in eine ähnliche Kerbe wie die Bundespolitik: eine Hochschulsicht der Restriktion anstatt der Expansion. Im folgende eine Antwort auf Niki Kowalls „fünf Anmerkungen“:

Aufnahmetests, Studiengebühren: Schlimmer wird’s nimmer

Niki Kowall argumentiert, Studiengebühren seien Zugangsbeschränkungen vorzuziehen. Das erinnert ein wenig an eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Fakt ist: Beide Maßnahmen verstärken die ohnehin schon extrem große soziale Selektivität beim Universitätszugang noch zusätzlich – und sind deshalb abzulehnen. Gerade die abschreckende Wirkung von Studiengebühren auf potenzielle Studierende aus sozial schwachen Familien ist eben nicht trivial, sondern traurige Realität. Dass sie die meisten der derzeit Studierenden (großteils aus der oberen Mittelschicht stammend) nicht „umbringen“, wie Niki schreibt, darüber kann man/frau diskutieren: jedenfalls verstärken sie die Abhängigkeit von den Eltern und jedenfalls verstärken sie den Teufelskreis, den wir als „Nebenjob – weniger Zeit zum Studieren – Beihilfenverlust – Ausweitung der Erwerbstätigkeit – noch weniger Zeit zum Studieren“ beschreiben können. „Niemanden umbringen?“ Ein solches Ziel wird in der Bildungspolitik (vor allem der sozialdemokratischen) wohl nicht ernsthaft diskutiert.

Sanfte Lenkung?

Die Einteilung in gesellschaftlich wünschenswerte Studienfächer und solche, deren AbsolventInnen eigentlich niemand braucht, ist weiterhin abzulehnen. Gleichzeitig sollten wir uns bewusst sein, dass die Studienwahl der NeuinskribientInnen nicht vom Himmel fällt, sondern auch das reflektiert, was Jugendliche an gesellschaftlichen und milieubezogenen Wertvorstellungen mitbekommen. In Teilbereichen kann eine politische Intervention in diese Vorstellungen durchaus sinnvoll sein: etwa wenn Frauen auch die Perspektiven aufgezeigt werden, die in technischen Berufen liegen. Der Unterschied in der Herangehensweise ist aber zentral: Sage ich den Menschen, was sie studieren sollen, weil das „die Gesellschaft“ wünschenswert findet, oder versuche ich, auch neue Möglichkeiten aufzuzeigen.

Das Problem mit dieser Lenkung ist auch ein ganz pragmatisches: Sie funktioniert schlecht. Generationen von MaturantInnen wurden von Elisabeth Gehrer gewarnt, bitte ja nicht Lehramt zu studieren – was kam war ein LehrerInnenmangel. Darüber hinaus geht die Argumentation auch von einem recht eindimensionalen Arbeitsmarkt-Ausbildungsbegriff aus: Natürlich werden nicht alle PublizistikstudentInnen später „PublizistInnen“ oder JournalistInnen, und die PolitikwissenschafterInnen stellen sich auch selten in den Nachwuchsabteilungen der Parteien vor. Aber die AbsolventInnen verfügen über eine sozialwissenschaftliche Grundbildung, die durchaus in einer Vielzahl an Berufen einsetzbar ist.

Daher hat es auch wenig Sinn, darüber zu diskutieren, durch welche Schikane die Studierenden am menschenfreundlichsten wegzuschrecken sind. Abseits davon werden gewisse, gerade gesellschaftlich relevanter scheinende Studien (z.B. Naturwissenschaften) schon jetzt mehr gefördert als andere; die geforderte  Distinktion der Studienbedingungen ist also bereits jetzt traurige Realität.

Knock-Out-Prüfungen: Der Traum der Leistungseliten?

Die Darstellung von Knock-Out-Prüfungen als „fairste und freundliche“ Hürde sollte sich eigentlich von selbst richten. Deshalb nur so viel: Das Ziel einer Knock-Out-Prüfung ist es, einen bestimmten Prozentsatz der Antretenden rauszuprüfen. Eine Knock-Out-Prüfung, die alle schaffen, hat ihren Zweck verfehlt. Wenn also argumentiert wird, es „können“ alle schaffen, liegt darin schon ein Denkfehler – irgendwer soll es eben nicht schaffen. Das könnten jene sein, denen ihre Studienwahl nicht ganz so wichtig ist – aber zu einem größeren Teil werden es wohl jene sein, die aus welchen Gründen auch immer nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, sich das Geforderte in kurzer Zeit anzustrebern. Prüfungsangst, schlechtes Lerntraining in der Schule, Zusatzbelastung durch Behinderung, Betreuungspflichten, Erwerbstätigkeit: es gibt viele Faktoren, die das zu einem äußerst ungerechten „Wettrennen“ machen.

Der Kommentar ist gespickt mit Ressentiments, zum Beispiel dort, wo faule Lehrende und verfallendes Niveau konstatiert werden. Dass endlose Referatsmarathons nicht der Weisheit letzter Schluss sind, dass manche Lehrende ihr Interesse auf alles andere und als ihre Studierenden richten? Geschenkt. Eine „Anstreberphase“ (noch dazu mit Selektionscharakter) macht dennoch kein Referat spannender und keineN LehrendeN motivierter – noch dazu, wenn wir wissen, wie schnell sich rasch auswendig gelerntes Wissen verflüchtigt.

Was zweifelsohne stimmt: das „Problem“ deutsche Studierende wird durch Zugangsbeschränkungen nicht gelöst; mit dem Finger auf die Deutschen zu zeigen hilft aber niemandem und macht die Studienbedingungen auch nicht besser.

Die Debatte um die Hochschulen wird – weniger sanft – in eine Richtung gelenkt: mit dem Ziel, die Unis zu beschränken, weil es angeblich keine andere Lösung für die Misere gibt. Sich dieser Sachzwanglogik hinzugeben ist neuerdings offenbar en vogue – und dennoch plädiere ich weiterhin für öffnende und fördernde Maßnahmen im Hochschulbereich anstatt für Beschränkungen wo es nur geht.

* Sophie Wollner ist Bundesvorsitzende des VSStÖ

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4 Responses to Fairness statt „Sanftheit“

  1. niki kowall 5. November 2009 at 07:19 #

    Liebe Sophie!

    Einige deiner Argumente treffen meiner Auffassung nach heikle Punkte meines Textes:

    ad Ressentiments: Natürlich werden die Konservativen versuchen Sozialwissenschaften und studentische Faulheit möglichst in einem Atemzug zu nennen, um die tendenziell linken SOWIS zu diskreditieren. Ich halte es für nur unzulässig, als Reaktion das Kind mit dem Bade auszuschütten und zu behaupten, die Leichtigkeit der SOWIS würde gar kein Anreiz für viele Studienbeginner/innen sein. Ich glaube am wichtigsten ist nicht strategisch etwas zu kaschieren, sondern die Karten auf den Tisch zu legen um glaubwürdig zu bleiben. Dazu muss man den Wahrheitsgehalt eines Ressentiments herausfiltern und abschätzen. Meine vorgeschlagene Studieneingangsphase zielt darauf ab, den Anreiz SOWI statt NAWI, Technik oder VWL aus Leichtigkeitsgründen zu wählen zu reduzieren.

    ad Sachzwang: Hier gilt dasselbe wie für die Ressentiments. Nur weil die Konservativen Sachzwänge zum Exzess instrumentalisieren, ist eine Strategie die alle Sachzwänge leugnet keine glaubwürdige Alternative. Es gibt immer knappe Mittel und man muss sich überlegen, ob man bei vielen brennenden Fragen (Umverteilung, soziale Sicherung, Pflege, Green New Deal etc.) alle für die Uni einsetzen will.

    ad gesellschaftlich gewünschte Studienfächer: Da eben nicht nur Individuen, sondern auch eine Gesellschaft existiert, ist es nahe liegend dass es neben individuellen Wünschen auch gesellschaftliche Bedürfnisse gibt. Es ist legitim, wenn eine Gesellschaft diese Bedürfnisse zum Ausdruck bringt. Die Gesellschaft darf die Individuen zu nichts zwingen, sie kann hat aber zweifellos das Recht Anreize zu setzen. Ist es ein legitimes Ziel mehr Studienanfänger/innen von den überlaufenen Studien hin zu am Arbeitsmarkt stärker gewünschten Studien (Technik und Naturwissenschaft) zu bewegen, oder bedeutet dies eine Verbeugung vor den ohnehin dominanten ökonomischen Interessen innerhalb einer Gesellschaft. Sowohl für das mittelfristige Wohlstandsniveau einer Volkswirtschaft, als auch für die ganz konkreten beruflichen Chancen der Betroffenen, ist eine Orientierung am Arbeitsmarkt natürlich sinnvoll. Gleichzeitig gibt es gesellschaftliche Kräfte die den emanzipatorischen Charakter von Bildung betonen und die Ökonomisierung derselben als Bedrohung des humboldtschen Bildungsideals betrachten. Beide Bedürfnisstränge haben ihre begründete Berechtigung. Es ist wenig zielführend diese Gedankenmuster als Gegensätze zu betrachten. Das Studium soll bilden und ausbilden, optimalerweise sollte beides unter einen Hut gebracht werden. Dazu bietet sich eine Ausweitung meiner für die Sozialwissenschaften konzipierten Eingangsphase an. Etwa ein „Studium generale“, eine Studieneingangsphase, in deren Rahmen einige besonders wichtige sozialwissenschaftliche Themenfelder für alle Studierende, angeboten werden. Dabei wäre vor allem eine Vermischung aller Studierenden der künftig aufgesplitteten Studienrichtungen wichtig.

    ad Knock out: Der von mir gewählte Begriff war wohl zu brutal gewählt. Meine Studieneingangsphase soll anspruchsvoll, aber nicht unfair oder hinterlistig sein. Ob eine anspruchsvolle Studieneingangsphase überdurchschnittlich sozial selektiv ist weiß ich nicht, aber das sind Prüfungen und Noten ja prinzipiell. Weil der Druck von Eltern die selbst auf der Uni waren bzw. es ökonomisch leichter fertig bringen eine/n Student/in zu finanzieren geringer ist als bei Kids aus schlechter gestellten Familien. Dem kann mit Stips und Toleranzsemestern begegnet werden, zu guter letzt wird aber bei einer letztlich elitären Institution wie der Uni immer ein Rest als sozialer Selektivität bleiben.

    Einige Argumente beruhen glaube ich auf Missverständnissen:

    ad Restriktionen statt Expansion: das halte ich für eine Reduktion, ich spreche mich im letzten Absatz explizit für ein Dreigespann von Maßnahmen aus: Mehr Kohle von der Republik (Expansion), Kohle von Deutschland (Expansion) für seine Studierende und eine sanfte Lenkung (Restriktion).

    ad Studiengebühren: Halte ich für eine Fehlinterpretation meiner betreffenden Passage, ich sage lediglich dass Aufnahmetests tödlicher sind als Studiengebühren, nicht dass Studiengebühren gut sind.

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