Der Marxismus der Konservativen

Der Marktradikalismus ist die doktrinäre Orthodoxie der Konservativen. Es ist ihre Aufgabe, mit ihm fertig zu werden

Leonhard Dobusch und Nikolaus Kowall

Die beiden stärksten Waffen in jeder argumentativen Auseinandersetzung sind einander auf den ersten Blick fundamental entgegensetzt: Auf der einen Seite stehen Sachzwänge, intersubjektiv anerkannte und damit quasi objektive Notwendigkeiten, an denen Wunschdenken und Weltverbesserung zerschellen. Auf der anderen Seite steht der Idealtypus, die Utopie. Die Anziehungskraft ihrer Perfektion (ver)führt dazu, allen Sachzwängen zum trotz Weltverbesserungsstreben nicht völlig aufzugeben. > Weiterlesen bei TELEPOLIS

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3 Responses to Der Marxismus der Konservativen

  1. leonido 21. November 2008 at 20:23 #

    Du hast sicher Recht, dass wir zu Gunsten der polemischen Zuspitzung auf Differenzierungen im Bereich sowohl des Marxismus als auch der Neoklassik verzichtet haben. Ich persönlich sympathisiere teilweise durchaus mit einigen neomarxistisch-gramscianischen Denkfiguren (Bedeutung von Hegemonie; Ungleichheit in diskursiven Auseinandersetzungen etc.). Und auch in der neueren Neoklassik gibt es Tendenzen, die zwar immer noch aber etwas weniger problematisch sind (z.B. experimentelle Ökonomie).

    Ein grundlegender „Baufehler“ sowohl der Neoklassik als auch des Marxismus bleibt aber, nämlich ein Absolutheitsanspruch (Markt alloziiert perfekt/Markt muss scheitern) der ins religiöse geht – und zwar eben nicht nur auf Ebene notwendig metaphysischer Werte, sondern auch auf Ebene der (scheinbar wissenschaftlichen) Policies, die so das normatives Fundament verdecken. (Seitenbemerkung: die Grundwerteorientierung des Godesberger Programms war deshalb auch so ein Meilenstein, weil es die Wertedebatte expliziert und konkrete Politik an diesen bewertbar macht.)

    Das ist ja das Problem mit jeder Offenbarungslehre, sei sie nun ökonomi(sti)sch oder religiös wie bei Christentum oder Islam: Es gibt immer auch positive Aspekte, Ziele, Akteure. Und der Standardeinwand ist ja immer, man dürfe es halt nicht falsch auslegen oder verstehen. Aber dann frage ich mich, warum man es überhaupt braucht?

    Marx zu lesen, zitieren, kritisieren und von ihm zu lernen wie von jedem anderen Autor ist davon völlig unabhängig. Denn wie heißt ja ein sehr schöner Spruch: Marx wäre kein Marxist gewesen.

    Und zu deinen Beispielen: Gerade an Chavez wird deutlich, auf welch schmalem Grad sich auf und von Marx „Berufene“ bewegen können..

  2. clemenska 21. November 2008 at 18:21 #

    Ich bin ein bisschen zerrissen. Als Polemik gefällt mir das Argument recht gut, wobei ich eine Zuspitzung auf „den Kommunismus“ noch einleuchtender und argumentativ stärker fände: es ist mittlerweile schlichtweg irrelevant zu argumentieren, dass die Krise des Systems dadurch hervorgerufen wurde, weil es nach wie vor keinen perfekten Markt nach neoliberaler Vorstellung gibt – jedenfalls genauso irrelevant und sektiererisch wie das Argument, dass Kommunismus noch nie in echt ausprobiert worden wäre und deshalb die Fehler des real existierenden Kommunismus einfach ignoriert werden können.

    Ich kenne mich mit marxistischer Wirtschaftstheorie überhaupt nicht aus und glaube euch daher auch alles, was ihr darüber sagt. Mir scheint jedoch, dass ihr in euren Ausführungen über die marxistische Wirtschaftstheorie hinaus gehen wollt, aber dort halte ich eure Aussage vom Scheitern des „orthodoxen Marxismus“ für ergänzungswürdig. Wer genau ist gescheitert? Der realexistierende Kommunismus des Ostblocks in seiner wirtschaftlichen und politischen Verfassung? Definitiv. Orthodoxe, trotzkistische, maoistische Sekten? Sicher auch. Aber es gibt auch weitere NachfolgerInnen, die sich in der einen oder anderen Form auf Marx berufen haben: von Black Panthers über die Martin Luther Kings BürgerInnenrechtsbewegung, Nelson Mandelas ANC, die Dekolonialisierungsbewegungen, die sozialen Bewegungen der Sechziger und Siebziger, die sozialistischen Bewegungen von Chavez und Morales. All die genannten Bewegungen haben gemeinsam, dass sie nicht allein in der Theorie leben sondern in der realen Welt agiert haben oder agieren. Was sie aber auch eint ist eine Gesellschaftsvision, die die gegebene gesellschaftlichen Struktur massiv und grundlegend kritisiert. Auch eine praktische (reformistische) Politik soll und will mit einer Vision verbunden sein, ansonsten ist sie in Gefahr, systemaffirmativ zu sein.

    Da renne ich sicher offene Türen bei euch ein, halte es aber auch für wichtig, die Differenzierung durchzuführen, da man sonst vielleicht eine Pauschalverurteilung von marxistisch inspirierten Bewegungen herauslesen könnte.

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