Organisation schafft Resistenz

Nikolaus Kowall

Die SPÖ hat ihr schlechtestes Ergebnis eingefahren, seit es freie Wahlen gibt. Sie lag seit 1919 noch nie unter 30 Prozent. Rot-Grün verzeichnet ebenfalls einen Negativrekord, gemeinsam erhielten die Parteien keine 4 von 10 Stimmen. Die Rechtsparteien sind mit 54 Prozent im Rücken so stark wie das letzte Mal 1949, als der VdU neu gegründet wurde. Der „Sieg“ der SPÖ kaschiert die enorme strukturelle Schwäche des alten roten Tankers. Muss die Sozialdemokratie gar neu erfunden werden?

In vielen Debatten wird unterstellt, dass in den in den 1930ern vor allem Arbeiter/innen zu den Nazis übergelaufen sind. Nun, für Deutschland ist das so nicht verifizierbar. Die organisierte Arbeiterschaft war ziemlich resistent gegenüber dem NS-Wahnsinn. Bei den erstenWahlen der Weimarer Republik 1919 erreichte die Linke 45 Prozent, im November 1932 bei den letzten freien Reichstagswahlen immerhin noch 37 Prozent. In der Arbeiterhochburg Berlin kamen SPD und KPD gemeinsam sogar noch auf 6 von 10 Stimmen. Es waren die Parteien rechts der Mitte, die von 1919 bis 1932 fast 2/3 ihrer Stimmen an die Nazis verloren. Man könnte nun entgegnen, dass im Gegensatz zu Deutschland die österreichische Arbeiterschaft im März 1938 sehr wohl NS-affin gewesen sei. Darüber kann nur spekuliert werden. Selbst wenn dies teilweise zutreffen sollte ist zu bedenken, dass die Arbeiter/innen seit 1934 unter den Bedingungen einer Diktatur lebten und nicht mehr organisiert werden konnten. Nur eine organisierte Arbeiterschaft, ist eine resistente Arbeiterschaft.

Heute sieht es hingegen bitter aus, mit der Organisation der Arbeiter/innen durch die Sozialdemokratie. Laut GFK haben bei den Wahlen zum Nationalrat 2008 nur 21 Prozent der ungelernten Arbeiter/innen rot gewählt, dafür gleich 52 Prozent blau-orange. Bei den Facharbeiter/innen steht es 40 zu 32 für das dritte Lager. Sora sieht es nicht ganz so dramatisch, bei den gesamten Arbeiter/innen liegt das dritte Lager mit 38 Prozent „nur“ einen Prozentpunkt vor der SPÖ. Der jüngste Aufstieg des dritten Lagers ist taktisch gesehen ein Versagen des Hasardeurs Wolfgang Schüssel, der das zocken nicht lassen konnte. Schüssel hat 2002 erst alles gewonnen, bis 2008 alles wieder verspielt. Strategisch betrachtet, ist der rechte Vormarsch jedoch vor allem auf einen langfristigen Niedergang der sozialdemokratischen Organisation(en) zurück zu führen. Im untersten Einkommensdrittel der Gesellschaft spielt die SPÖ schon lange nicht mehr mit Heimvorteil. Wie wichtig ein roter Einfluss in diesem Segment wäre, beweisen die genannten Wahlergebnisse aus der Weimarer Republik. Nur eine bei den Unterprivilegierten fest verankerte Sozialdemokratie ist ein effektives Bollwerk gegen Ängste schürende Verführer à la Haider und Strache.

Natürlich ist die SPÖ spätestens seit Kreisky keine reine Partei der Arbeiter/innen und der Unterprivilegierten, sondern eine breite Volkspartei. Natürlich muss sie als solche sämtliche Schichten der Bevölkerung ansprechen und für urbane Liberale genauso etwas anzubieten haben wie für Handwerksbetriebe auf dem Land. Trotzdem gibt sie das was sie im innersten zusammenhält auf, wenn sie ihre Kernaufgaben vernachlässigt. Die Reorganisation der Arbeitnehmer/innen im Allgemeinen und der Arbeiter/innen im Speziellen muss im Jahr 2008 wieder zum zentralen Anliegen der Sozialdemokratie werden. Die SPÖ muss in Bund und Ländern für die Wiederbelebung einer schlagkräftigen sozialdemokratischen Organisationsstruktur sorgen. Das bedeutet finanzielle, vor allem aber personelle Ressourcen von der Bundesspitze abwärts müssen für dieses Ziel eingesetzt werden. Dabei geht es um ein Programm sowohl zur organisatorischen und als auch zur ideologischen Restrukturierung der SPÖ.

  1. Organisation

Die sozialdemokratischen Strukturen sind zu einem beträchtlichen Grad ausgeblutet. Es tummeln sich dank Parteienförderung nach wie vor viele hauptamtliche Mitarbeiter/innen in der SPÖ, aber die ehrenamtliche Masse – das eigentliche Rückgrat der Sozialdemokratie – ist in den letzten 30 Jahren stark eingebrochen. Mit 260 000 Mitgliedern sind immer noch über drei Prozent der gesamten österreichischen Bevölkerung in der SPÖ organisiert, ein Wert bei dem SPD oder französische Sozialisten frohlocken dürften. Tatsächlich sind dies jedoch weit weniger als zu Bestzeiten in denen zehn Prozent der Gesamtbevölkerung (damals 700 000 Menschen) der SPÖ angehörten. Viel gravierender ist jedoch der Umstand, dass der Großteil der Mitglieder politisch weitgehend passiv ist. Dem steht ein nach wie vor großer hauptamtlicher Apparat gegenüber. Im betriebswirtschaftlichen Jargon könnte man sagen, das Verhältnis zwischen dem Overhead und der Belegschaft ist in eine beträchtliche Schieflage geraten. In militärischer Diktion würde es heißen, es gibt zu viele Offiziere für eine zu kleine Armee. Faktum ist, dass ein gezielter und geschickter Einsatz der Offiziere zur Reaktivierung dieser Armee führen könnte.

  • Wiederbelebung der vorhandenen vertikalen Strukturen

Die SP-Spitze schämt sich beinahe für ihre Sektionen und Ortsparteien. Die dort tätigen Menschen könne man nicht herzeigen. Darum gibt man diese kleinste Organisationsstruktur de facto auf, niemand interessiert sich dafür. Das ist genau der falsche Weg. Es müssen enorme Energieressourcen in die Sektionen und Ortsparteien investiert werden. Dort sitzen jene kleinen Mitglieder, die mit den Menschen in unmittelbaren Kontakt kommen. Diese Strukturen sind die einzige Möglichkeit, abseits von Medien mit beträchtlichen Teilen der Bevölkerung zu kommunizieren. Die Vertreter/innen der kleinsten SP-Organisationsstrukturen müssen politisch und rhetorisch geschult werden. Sie müssen lernen, wie man offensiv aber unaufdringlich auf Leute zugeht. Sie müssen lernen wie man im eigenen Bereich strategisch plant und wie man seine (vor allem zeitlichen) Ressourcen einigermaßen effizient einsetzt. Vor allem müssen die Menschen an der Basis wieder ernst genommen werden, das bedeutet auch ein Mindestmaß an Demokratie in der SPÖ einkehren zu lassen. In den Sektionen und Ortparteien sitzen jene Menschen, die viel repräsentativer für die Bevölkerung sind, als die Mitarbeiter/innen in der Löwelstraße. Wer die Basis nicht ernst nimmt, nimmt die Bevölkerung nicht ernst.

Sind die Menschen in den Sektionen und Ortsparteien mit diesem Schreibtischtäter-Programm überfordert? Die meisten Menschen wachsen mit ihrer Verantwortung. Wenn sie spüren, dass man ihnen Bedeutung zumisst und sich ihnen zuwendet, wenn sie merken, dass ihre Stimmen parteiintern nicht völlig irrelevant sind, dann wird man vielleicht überrascht sein, wie viel Engagement und wie viel Kreativität in so mancher verstaubter SPÖ-Struktur steckt. Zur Umsetzung eines solchen Projekts braucht es aber Führung und Partizipation. Kleine Geister glauben, diese Konzepte stehen in Widerspruch zueinander. Das Gegenteil ist wahr.

  • Innovative strukturelle Ergänzungen

Komplementär zu den klassischen vertikalen Strukturen muss ein horizontales Organisationsnetz aufgebaut werden, das vor allem themenspezifisch arbeitet. Die SPÖ-Frauen und die Homosexuelleninitiative „SoHo“ sind Schritte in die richtige Richtung. Die Palette von möglichen Netzwerken reicht von alternativer Energie bis zu freier Software. NGO’s wie ATTAC haben seit Jahren auf die Gefahren des finanzgetriebenen Kapitalismus aufmerksam gemacht und überdies in vielen Bereichen eine de facto sozialdemokratische Agenda für das 21. Jahrhundert entwickelt. ATTAC ist nur ein Beispiel für Organisationen die nicht außerhalb der Sozialdemokratie, sondern in der Mitte derselben agieren sollten. Ohne jegliches Denk- oder Sprechverbot und mit der Möglichkeit unmittelbar in den sozialdemokratischen Diskurs einzugreifen, allerdings mit der Herausforderung, die intellektuellen Fragestellungen auch der klassischen SP-Klientel zu vermitteln Die Komplexität unserer ausdifferenzierten Gesellschaft erfordert zusätzlich zum klassischen Aufbau der Partei ein vielfältiges Themennetzwerk. Als Vorbild für letzteres könnten u.a. die US-Demokraten dienen.

  • Erschließung neuer Themenfelder

Die Sozialdemokratie sollte nicht das Sinnbild der Bürokratie, sondern die Avantgarde zeitgenössischer politischer Debatten sein. Der im September 2008 in Hallstatt (OÖ) veranstaltete Kongress Momentum ist ein vortreffliches Beispiel für den Versuch, Wissenschaft und Politik zusammenzubringen, ohne erstere durch zweitere einzuengen. Politik sollte nicht auf der Basis von Meinungsumfragen sondern auf der Grundlage von Erkenntnisprozessen beruhen. Die Wissenschaft sollte nicht im Dienst der Politik stehen, aber die Politik täte gut daran bei der Konzeption ihrer Programmatik auf die Wissenschaft zurückzugreifen. Schnittstellten zwischen Politik und Wissenschaft könnten in dem zuvor skizzierten Netzwerken angesiedelt werden und dort als zentrale Impulsgeber fungieren. Die Grundvoraussetzung ist natürlich die Freiheit der Rede, Parteidisziplin hat in Think Tanks nichts verloren.

  • Verdichtung der Strukturen im Westen

Vor allem in Westösterreich muss in den Aufbau eines dichteren Organisationsnetzes investiert werden. Vorarlberg ist eines der am stärksten industrialisierten Bundesländer. Im Jahr 2005 waren fast 40 Prozent der Beschäftigen in der Produktion tätig, das ist vor Oberösterreich (36%) der höchste Wert aller Länder. Der Bundesschnitt liegt gerade bei 28 Prozent und im roten Wien sind nur 17 Prozent der Beschäftigten in der Industrie tätig. Ein SPÖ-Resultat von 14 Prozent ist trotz aller kultureller Spezifika der Alemannen eine Schande für die Partei der Arbeitnehmer/innen. In Tirol lagen 2006 die durchschnittlichen Nettogehälter der Arbeitnehmer/innen mit 16.300 Euro am letzten Platz aller Bundesländer, der Österreichschnitt liegt bei 18.000 Euro. Tirol ist zwar nicht so stark industrialisiert, wie das Ländle, es gibt jedoch offenbar akuten Handlungsbedarf auf Seiten der Arbeitnehmer/innen, vor allem bezüglich der Dumpinglöhnen in der Tourismusbranche. Trotzdem kam die SPÖ auf gerade 18 Prozent. Weder am Bodensee noch über dem goldenen Dachl wird vielleicht jemals die rote Flagge wehen, aber ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung kann man als Sozialdemokratie mit Sicherheit sowohl im heiligen Land als auch jenseits des Arlbergs dauerhaft binden.

  • Verdichtung der Strukturen am Land

Österreich verfügt mit 33 Prozent Landbevölkerung über einen der höchsten Werte in der EU. Es gibt auch viele Gebiete mit einer starken ländlichen Organisation und tiefroten Gemeinden, etwa in der Obersteiermark, im Burgenland, im südlichen Niederösterreich oder im Salzkammergut. Gerade letzteres Beispiel beweist, dass kulturelle Tradition und eine starke sozialdemokratische Bindung sich nicht ausschließen. Trotzdem wählen in vielen ländlichen Regionen gerade einkommensschwache Menschen gegen ihre eigenen materiellen Interessen konservativ oder national. Der gezielte Aufbau von nonurbanen SP-Strukturen muss an Hand von funktionierenden Vorbildern in schwächelnde ländliche Regionen exportiert werden.

2. Ideologie

Eine organisatorische Initiative wird vor allem dann Erfolg haben, wenn den Menschen auch eine Perspektive geboten wird. Die Sozialdemokratie darf nicht mehr wie im 19. Jh. die Funktion einer vierten abrahamitischen Weltreligion übernehmen und auf ein Utopia im Diesseits verweisen, das nach der Revolution den neuen Menschen in eine klassenlose Gesellschaft führen wird. Sie darf aber für mehr kämpfen als für Pendlerpauschale und Lebensmittelpreise. Wer eine Vision hat braucht keinen Arzt, wie dies Franz Vranitzky einst empfohlen hatte. Im Gegenteil, ohne Visionen verkommt die Sozialdemokratie zu einem unattraktiven Verwaltungsapparat. Die Vision darf die Realität allerdings nie in ein am Reisbrett entworfenes Paradies verwandeln wollen, sie muss vielmehr aus der unmittelbaren sozialen Realität entstehen. Die Bausteine einer visionären Reideologisierung wären:

  • Der ideelle Baustein fürs Herz: Hoffnung auf einen Paradigmenwechsel

Um Hoffnung auf einen großen Wechsel zu verbreiten waren die Bedingungen lange nicht so gut wie heute: Der finanzgetriebene Kapitalismus erledigt sich gerade selbst, die sozialistischen Abschreckungsbeispiele in Osteuropa sind längst Geschichte, in den USA deutet vieles auf einen politischen Paradigmenwechsel hin undder Wunsch nach Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit ist unüberhörbar. Nach einer Menschheitsgeneration Neoliberalismus stehen die Zeichen auf solidarischere Jahrzehnte. Was für Visionen könnte die Sozialdemokratie in dieser Stunde bieten? Der Christdemokrat Ludwig Erhard hat mit seinem Motto „Wohlstand für alle“ die Marschrichtung der deutschen Konservativen in den paradigmatisch linken Nachkriegsjahrzehnten vorgegeben. Im Zeitalter der Globalisierung kann diese Vision nur mehr auf kontinentaler Ebene Verwirklichung finden. Im Zentrum einer SP-Vision muss die Vereinigung Europas unter den Vorzeichen einer Sozialunion stehen. Weitere Ziele der Sozialdemokratie sollten die maximale Reduktion der Diskriminierung auf Grund von Geschlecht, Ethnie oder sexueller Orientierung sein, sowie der Einsatz für soziale Aufstiegschancen für möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen. Auch die Perspektive Europa als sanften Riesen in internationalen Politik- und Handelsbeziehungen agieren zu lassen ist eine erstrebenswerte Vision. Das bedeutet zukünftig geeint und gezielt Weltpolitik zu machen, diese jedoch auch unter moralischen Gesichtpunkten zu betrachten.

  • Der handfeste Baustein fürs Hirn: Das Klassenbewusstsein

Das Klassenbewusstsein ist ein altes Konzept mit einer antiquierten Bezeichnung aus der orthodox marxistischen Mottenkiste. Der durch die sozialistische Phraseologie abgenutzte Begriff muss als solcher auch nicht erhalten bleiben, die Idee dahinter ist aber verwendbar und besagt de facto folgendes: Erstens, zwischen Kapital und Arbeit besteht ein Verteilungskonflikt. Zweitens, die Arbeitsseite muss solidarisch (und international) kämpfen, um von der Kapitalseite nicht übervorteilt zu werden, wie es etwa in den letzten 30 Jahren der Fall war. Das Klassenbewusstsein ist ein altes europäisches Konzept und das Gegenmodell zum American dream alias „Vom Tellerwäscher zum Millionär.“ Dieser besagt, dass jede/r ganz nach oben kommen kann, wenn er/sie alle notwendigen Anstrengungen unternimmt. Es ist der US-Traum vom sozialen Aufstieg in einer steilen Hierarchie mittels gewonnener Konkurrenzkämpfe, basierend auf dem Prinzip „the winner takes it all“. Dagegen steht das solidarische Konzept einer gemeinsam agierenden Klasse die für die Gesamtheit der Arbeitnehmer/innen ein größeres Stück vom Kuchen erkämpft. Wenn nicht mehr alle in Konkurrenz zueinander stehen, dürften Existenzängste in den Hintergrund treten. Das Miteinschließen der Schwächsten der Gesellschaft in ein solches Solidaritätskonzept würde etwa migrantische Arbeitnehmer/innen Seite an Seite mit österreichischen Unselbstständigen stehen lassen.

3. Zur Alltagspolitik

Als Partei mit unter 30 Prozent und gegen einen parlamentarischen Rechtsblock mit über 54 Prozent wird die SPÖ in den kommenden fünf Jahren, unabhängig davon ob sie in der Regierung vertreten sein wird oder nicht, eher langfristig investieren müssen, als mit unmittelbaren Erfolgen punkten zu können. Die Finanzkrise wird das ihre dazu beitragen, die nahe Zukunft für politische Akteur/innen nicht gerade zum Spaziergang zu machen. Diese Legislaturperiode sollte unter allen Umständen dazu verwendet werden, die zuvor diskutieren organisatorischen und politischen Weichen zu stellen. Sozialdemokratische Glanzjahre können es nicht werden, umso mehr kann die Periode zur Vorbereitung einer roten Reconquista genützt werden. Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Es wird nichts nützen, die Arbeitnehmer/innen zu organisieren und ihnen Perspektiven zu bieten, wenn die reale Politik der SPÖ dann in Widerspruch zu dem steht was in der „Parteischule“ gelehrt wird. Selbstverständlich müssen die reale Politik und die politische Organisation möglichst gut harmonieren. Politik und Organisation stehen in einer engen Wechselwirkung, beide Aspekte bedingen sich gegenseitig, es hat aber keiner der beiden Vorrang. Wie bei Henne und Ei ist es sinnlos eines als Voraussetzung des anderen zu begreifen, eine erfolgreiche Sozialdemokratie wird beides benötigen. Die Aufgabe der SPÖ im Feld der Realpolitik ist es in der wirtschaftlichen und politischen jetzigen Situation vor allem politisch zu verhindern, dass die Anzahl der Verlier/innen und der Verängstigen stark zunimmt. Falls die Möglichkeit dazu auf Grund der parlamentarischen Mehrheiten und der Regierungskonstellationnicht besteht muss sie dafür sorgen, dass die Menschen nicht aus Angst Sündenböcke suchen und Hetzern auf den Leim gehen. Vielmehr muss die SPÖ dafür eintreten, dass sich die Menschen Klarheit über ihre Interessenslage schaffen und in den zuvor skizzierten ideellen Perspektiven Hoffnung suchen. Diese perspektivische Hoffnung muss die Sozialdemokratie mit aller möglichen Glaubwürdigkeit vertreten und darf sie in ihrer alltäglichen Realpolitik, unabhängig ob in Regierung oder in Opposition, nicht konterkarieren.

Der deutsche Soziologe Ferdinand Tönnies schloss sich 1930 der SPD an um die Nazis zu bekämpfen. Er war der Auffassung, wenn es keine Sozialdemokratie gäbe, müsse man sie erfinden. Zum Glück gibt es heute noch wesentliche strukturelle Bestandteile derselben. In manchen Bereichen kommen die notwendigen Reformen einer Neuerfindung jedoch schon recht nahe. Das in diesem Artikel ausgeführte Programm punkto Organisation, Vision und Alltagspolitik dient dazu breite Schichten von Arbeitnehmer/innen gegenüber der rechten Hetze resistent zu machen und eine nachhaltige Bindung vieler Arbeitnehmer/innen an die Sozialdemokratie zu ermöglichen. Die Erfahrung aus der Weimarer Republik besagt: Nur eine organisierte Arbeiterschaft ist eine resistente Arbeiterschaft. Schon bei den Wahlen 2013 könnte die SPÖ in diesem Kernklientel deutlich stärkste Partei werden und den Blau-Orangen einige Prozentpunkte abknöpfen. 42 Prozent wäre die natürliche Größe der SPÖ, alles andere sei Sache des Vorsitzenden, war Bruno Kreisky überzeugt. Wenn man in den kommenden zehn Jahren rund die Hälfte der Stimmen des dritten Lagers zurückgewinnen kann kommt man in diesen Bereich. In einer Demokratie darf und soll niemals ein ganzes Land einer Partei gehören. Trotzdem könnten auch viele Nicht-Sozialdemokrat/innen künftig besser schlafen, wenn die SPÖ ihre Kernschichten organisatorisch und politisch wieder an sich binden würde.

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3 Responses to Organisation schafft Resistenz

  1. beinhart 2. Oktober 2013 at 09:45 #

    Sehr geehrte Damen und Herrn ,
    solang man im Wahlkampf mit Wasser predigt und Wein trinkt wird sich nichts ändern . Kein Lohnsenkung für die Arbeitnehmer , aber bei der Stadtwerke AG , werden Löhn gesenkt . Auch für die + 50 Mitarbeiter wird nichts gemacht , nur gutwill Aktionen . Arbeitsgesetzt werden nicht geändert zur Gunsten + 50 damit diese keine Schichtarbeit mehr leisten müßen . Aber den Antritt für die Frühpension verschärft man . Junge stehen auf der Strasse , weil es zuwenig Lehrlingsjob gibt , dafür kommt die Wirtschaft HTLer als Lehrlinge auszubilden . Welch ein Schwachsinn , oder ?? Solang die SPÖ schläft wird die FPÖ bei den Arbeiten gewinnen !

  2. Dominik Bernhofer 16. März 2011 at 16:29 #

    Lieber Niki, ich kann mich deiner Einschätzung in praktisch allen Punkten anschließen. Die Sozialdemokratie braucht eine organisatorische und inhaltliche Erneuerung, die mit einer lösungsorientierten Tagespolitik auf Basis sozialdemokratischer Werte harmonieren sollte. Was mir fehlt ist ein Wort zu den Vorfeldorganisationen, die traditionell eine wichtige erzieherische Funktion übernommen haben. Auch die Vernetzung mit der Wissenschaft halte ich für essentiell. Es wäre mittelfristig zu überlegen um das MOMENTUM einen sozialdemokratischen Think-Tank zu etablieren, der regelmäßige Publikationen veröffentlicht. Ansonsten hast du beim Klassenbewusstsein einen guten Punkt. Der direkte Vergleich der solidarischen Strategie mit dem „American Way of Life“ ist sehr intuitiv finde ich. Freundschaft

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  1. Keine Koalition ohne Mitgliedervotum! | blog.sektionacht.at - 1. Oktober 2013

    […] hat ihr schwächstes Ergebnis erreicht, seit es freie Wahlen gibt.“ Das war der erste Satz meiner Analyse am Blog der Sektion 8 im Oktober 2008 und diese Einleitung kann einfach stehen bleiben. Seit 1919 lag die SPÖ noch nie […]

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